Verhaltensbedingte Kündigung
Bei bestehendem Kündigungsschutz hat der Arbeitgeber nur eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten.
Er braucht für eine sozial gerechtfertigte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz verhaltensbedingte Gründe.
Hat er diese nicht oder erfüllen seine Gründe für eine ausgesprochene Kündigung nicht die strengen Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, haben Arbeitnehmer gute Chancen, dass das Arbeitsgericht auf die Kündigungsschutzklage hin die Kündigung des Arbeitgebers „aufhebt“.
Der Arbeitgeber wird dann nicht drum herum kommen, dem Arbeitnehmer eine angemessene Abfindung zu zahlen, falls er den Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigen will.
Häufig befürchten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber könne die ausgesprochene Kündigung „zurückziehen“.
Diese Befürchtung ist fast immer unbegründet.
Die Rücknahme einer Kündigung bedeutet für den Arbeitgeber einen Gesichtsverlust.
Dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verständigen, ist bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht die absolute Ausnahme.
Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen wurde.
Die Kündigung des Arbeitnehmers aus verhaltensbedingten Gründen ist für den Arbeitgeber äußerst schwer zu begründen und durchzusetzen.
Die Hürden, die der Arbeitgeber nehmen muss, um seine Kündigung des Arbeitnehmers durchzubringen, sind äußerst zahlreich.
Eine verhaltensbedingte Kündigung, die überhaupt keine Angriffspunkte bietet, bildet daher eher die Ausnahme.
Deshalb sind Arbeitnehmer in jedem Fall gut beraten, wenn sie sich den Rat eines spezialisierten Rechtsanwalts einholen, falls die verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers ausgesprochen wurde oder falls dem Arbeitnehmer eine solche Kündigung bevorsteht.
Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingen Kündigung ist – nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung – der ruhig und verständig urteilende Arbeitgeber.
Nur ein Verhalten, das einen solchen Arbeitgeber zu einer Kündigung bestimmen könnte, kann einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen.
Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer verhaltensbedingt kündigt, dann muss der Arbeitnehmer eine schwere, schuldhafte Pflichtverletzung begangen haben.
In Betracht kommt eine Pflichtverletzung:
- aus dem Leistungsbereich,
- aus dem Bereich der betrieblichen Ordnung,
- dem Vertrauensbereich
- oder aus dem Bereich arbeitsvertraglicher Nebenpflichten.
Verhaltensbedingte Kündigung
Pflichtverletzung Leistungsbereich
Im Leistungsbereich erweist es sich für den Arbeitgeber regelmäßig als schwierig, die mangelnde Qualität der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers angesichts der strengen Anforderungen der Rechtsprechung hinreichend darzulegen.
Zum Leistungsbereich gehört die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Arbeit ordnungsgemäß zu verrichten, also etwa keinen Ausschuss zu „produzieren“ (Schlechtleistung) oder mit der Arbeitsleistung bewusst zurückzuhalten (Minderleistung).
Für den Arbeitgeber ist es aber äußerst schwierig, einem Arbeitnehmer wegen angeblicher Schlechtleistung oder Minderleistung verhaltensbedingt zu kündigen. Der Arbeitgeber kann sich nämlich nicht damit begnügen, Fehler in der Arbeitsleistung des betroffenen Mitarbeiters anzuprangern. Der gekündigte Arbeitnehmer muss eine erheblich unter der als Normalwert anzusehenden Leistung erbracht haben. Eine Pflichtwidrigkeit kann zwar vorliegen, wenn der Arbeitnehmer eine ihm übertragene Aufgabe mangelhaft erledigt. Dabei besteht jedoch für den Arbeitgeber das Problem, den Nachweis zu führen, dass die mangelhafte Erledigung auf einer vorwerfbaren Pflichtwidrigkeit beruht.
Hinweis: Es kann sich zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken, wenn er jahrelang fehlerfrei gearbeitet hat und die Minderleistung darauf beruht, dass er mit fortschreitendem Alter weniger leistungsfähig geworden ist.
Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass das Verhalten des Arbeitnehmers als vertragswidrige Pflichtverletzung zu werten ist, wird der Arbeitgeber mit seiner verhaltensbedingten Kündigung in der Regel nur Erfolg haben, wenn das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers zuvor abgemahnt wurde.
Hat der Arbeitgeber vergessen, eine Pflichtverletzung abzumahnen, wird die Kündigung allein aus diesem Grund von den Arbeitsgerichten für unwirksam angesehen werden.
Pflichtverletzung betrieblichen Ordnung
Mit betrieblicher Ordnung sind solche Vorschriften gemeint, die aufgrund einer zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossenen Betriebsvereinbarung als sog. Arbeits- bzw. Betriebsordnung erlassen werden. In dieser können Regelungen vereinbart werden, die für den Arbeitnehmer bindend sind. Beispielhaft seien etwa Torkontrollen oder ein Rauch- und Alkoholverbot genannt. Unter bestimmten Umständen können Verstöße gegen die Betriebsordnung eine verhaltensbedingte Kündigung zur Folge haben. Unter anderem spielen in diesem Zusammenhang Verstöße gegen das Alkoholverbot als Kündigungsgrund immer wieder einmal eine Rolle.
Pflichtverletzung personeller Vertrauensbereich
Der personale Vertrauensbereich betrifft das Verhältnis der Arbeitnehmer zum Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer untereinander. Störungen im Zusammenleben und Zusammenwirken der im Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, die auch als Beeinträchtigung des Betriebsfriedens bezeichnet werden, können eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Gleiches gilt, wenn die dem Arbeitgeber gegenüber bestehende Loyalitätspflicht verletzt wird.
Pflichtverletzung arbeitsvertragliche Nebenpflichten
Schließlich kommt eine verhaltensbedingte Kündigung auch dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer sog. Nebenpflichten verletzt. Als eine solche Nebenpflicht wird beispielsweise die Treuepflicht angesehen. Sie gebietet dem Arbeitnehmer allgemein, dass er sich nach besten Kräften für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einsetzen und Nachteiliges unterlassen muss.
Beispiele: Arbeitnehmer dürfen nicht auf andere Arbeitskollegen einwirken, Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder, falls sie sich selbständig machen wollen, Arbeit zu ihnen zu kommen.
Arbeitnehmer müssen Arbeitgeber entstandene oder drohende Schäden, insbesondere Betriebs- und Maschinenstörungen, Material- und Werkzeugmängel, unverzüglich mitteilen.
Arbeitnehmer dürfen während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses nicht in Wettbewerb zum Arbeitgeber treten.
Die Verletzung solcher Nebenpflichten kann nicht nur Schadensersatzansprüche auslösen, sondern im Einzelfall auch eine verhaltensbedingte oder in extremen Fällen sogar eine außerordentliche Kündigung begründen.
Wiederholungsgefahr
Auch wenn Arbeitnehmer gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben, so reicht dies allein für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen nicht aus.
Unabdingbare Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung ist die Befürchtung, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seine Pflichten verletzen wird.
An diesem Erfordernis einer negativen Prognose scheitern viele Arbeitgeber.
Die verhaltensbedingte Kündigung ist auf die Zukunft bezogen.
Mit ihr soll nicht die Vergangenheit bewältigt oder gar der Arbeitnehmer bestraft werden.
Es geht allein darum, das Risiko weiterer Vertragsverletzungen auszuschließen.
Der Arbeitgeber soll nicht ein Arbeitsverhältnis fortsetzen müssen, in dem die vertauensvolle Fortführung – entweder wegen Wiederholungsgefahr oder mangels Vertrauensgrundlage – nicht gewährleistet ist.
Daher muss grundsätzlich Wiederholungsgefahr bestehen. Der Arbeitgeber darf erst kündigen, wenn nach einer „einschlägigen Abmahnung“ nicht oder nicht mehr erwartet werden kann, dass sich der Arbeitnehmer künftig vertragsgerecht verhält. Nur durch eine vorherige Abmahnung lässt sich der Nachweis führen, dass Wiederholungsgefahr besteht. Begeht der Arbeitnehmer ungeachtet der Abmahnung erneut einen vergleichbaren Pflichtenverstoß, ist die Annahme gerechtfertigt, dass in Zukunft mit weiteren Pflichtverstößen zu rechnen ist. Die Prognose, dass das Arbeitsverhältnis in Zukunft störungsfrei verlaufen wird, ist negativ.
Eine Abmahnung ist nur in Ausnahmefällen entbehrlich. Ein Ausnahmefall ist etwa anzunehmen, wenn sich das Verhalten des Arbeitnehmers derart störend auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, dass nur eine Kündigung diese Auswirkungen beseitigen kann. Ein solcher Fall ist nur bei Störungen im Vertrauensbereich zu bejahen (z. B. Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers, tätlicher Angriff gegen den Arbeitgeber oder schwere Beleidigung des Arbeitgebers). Allerdings wird in solchen Fällen zumeist sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.
Abmahnung erforderlich
An dem Abmahnungserfordernis scheitern verhaltensbedingte Kündigungen häufig.
Arbeitgeber können hier viele Fehler machen.
Folgende Tatbestände sind in der Praxis immer wieder anzutreffen:
- Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer nicht abgemahnt, obwohl eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre und die Voraussetzungen, unter denen eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung zulässig wäre, hat nicht vorgelegen.
- Der Arbeitnehmer wurde zwar abgemahnt; die Abmahnung liegt aber schon lange Zeit zurück.
- Die Abmahnung, auf die der Arbeitgeber sich bezieht, ist nicht „einschlägig“.
- Die vorausgegangene Abmahnung entspricht nicht den Anforderungen, etwa weil sie keine konkrete Vertragsrüge enthält oder die von den Arbeitsgerichten geforderte Warnfunktion nicht erfüllt ist.
Das kann das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber selbst betreffen, aber auch gegenüber Arbeitskollegen oder Kunden.
Auch in diesem Fall ist in der Regel zuvor eine Abmahnung erforderlich.
Auch im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses muss für den Arbeitgeber das letzte Mittel („ultima ratio“) sein. Bevor der Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen kündigen kann, muss er daher alle ihm zumutbaren und geeigneten Mittel ausgeschöpft haben, die geeignet sind, zukünftige Störungen im Arbeitsverhältnis zu vermeiden.
mildere Mittel
Welche milderen Mittel möglich und geeignet sind, ist anhand der konkreten betrieblichen Situation und des konkreten Vorwurfs gegenüber dem Arbeitnehmer zu entscheiden. Beispiel: Bei ständigen Reibereien oder Tätlichkeiten zwischen zwei Arbeitnehmern oder bei Problemen zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten kann eine Versetzung zu einem störungsfreien Arbeitsverhältnis verhelfen. Voraussetzung ist natürlich, dass eine Versetzung möglich, also ein anderer Arbeitsplatz frei ist. Bei ständigen morgendlichen Verspätungen kann unter Umständen eine Versetzung auf einen Arbeitsplatz Abhilfe schaffen, für den Gleitzeit gilt.
Mildere Mittel gegenüber einer Kündigung sind
- neben der Versetzung
- die Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Umschulung bzw. Fortbildung,
- die Suspendierung des Arbeitnehmers bis zur Klärung der Vorwürfe bei einer Verdachtskündigung
- sowie der Ausspruch einer Änderungskündigung.
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Abmahnung.
Auch die Abmahnung gilt als milderes Mittel.
So gut wie immer erfordert eine verhaltensbedingte Kündigung eine vorherige Abmahnung, um dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen wird.
Das Kriterium der Abmahnung ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte, um eine arbeitgeberseitige Kündigung zu Fall zu bringen.
Wenn der Sachverhalt so gelagert ist, dass eine Abmahnung erforderlich ist, so ist eine ohne vorhergehende Abmahnung ausgesprochene Kündigung schlicht unwirksam! Voraussetzung für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist in der Regel, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher wirksam abgemahnt hat.
Ausnahmsweise kann eine Abmahnung entbehrlich sein, nämlich wenn sie ihren Zweck, ein zukünftiges störungsfreies Arbeitsverhältnis zu ermöglichen, von vornherein nicht erreichen kann. Hierfür kommen zwei Ursachen in Betracht: Zum einen kann es Fälle geben, bei denen abzusehen ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in Zukunft nicht ändern kann oder will. Zum anderen kann eine Abmahnung ausnahmsweise auch entbehrlich sein, wenn die Vertrauensgrundlage aufgrund des konkreten Vorwurfs so schwer gestört ist, dass eine Abmahnung diese Störung nicht beheben kann, sondern für den Arbeitgeber nur eine Lösung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt. Die Fälle, bei denen eine Abmahnung nicht erforderlich ist, sind aber eher selten. Im Zweifel wird eine Abmahnung unentbehrlich sein.
Schuld des Arbeitnehmers
Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt ein vorwerfbares, schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Der Arbeitnehmer muss also vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gehandelt haben. Liegt kein Verschulden vor, ist die Kündigung unwirksam. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann.
Eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen wird von den Arbeitsgerichten nur anerkannt, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft gegen die ihm obliegenden Vertragspflichten verstoßen hat. Der Verstoß kann mit Vorsatz begangen worden sein. Es genügt aber schon eine fahrlässige Pflichtwidrigkeit. (Beispiele: Ein Arbeitnehmer ist unachtsam und beschädigt das Eigentum des Arbeitgebers oder er verursacht mit einem Firmenfahrzeug einen Verkehrsunfall.)
- Vorsatz: Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Vereinfacht ausgedrückt: Der Verstoß gegen vertragliche Pflichten muss mit Absicht geschehen sein.
- Fahrlässigkeit: Fahrlässig handelt der Arbeitnehmer, wenn er den rechtswidrigen Erfolg (z. B. den eingetretenen Schaden) bei Anwendung der von der Rechtsordnung gebotenen Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Behutsamkeit hätte voraussehen und vermeiden können (Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit). Mit anderen Worten: Ein Kündigungsgrund wegen eines fahrlässigen Verhaltens kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn ein von Ihnen verursachter Schaden oder sonstiger rechtswidriger Erfolg (z. B. ein Fehler in der Buchhaltung oder ein fehlerhaft hergestelltes Produkt) von Ihnen hätte vorhergesehen werden können und darüber hinaus auch noch vermeidbar gewesen wäre.
Liegt weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vor, ist die vom Arbeitgeber ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung unwirksam! Natürlich kann in diesem Fall auch keine Abmahnung ausgesprochen werden.
Das Verschulden des Arbeitnehmers entfällt, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. So stellt ein Streik zwar eine vorsätzlich begangene Arbeitsverweigerung dar. Das Verschulden ist jedoch gering, wenn es sich um einen legalen Arbeitskampf handelt, der nicht gegen die Friedenspflicht verstößt. Eine Kündigung ist daher nicht gerechtfertigt.
Pflichtwidriges Handeln kann unter anderem auch dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Arbeitnehmer in einer unverschuldeten Zwangslage befindet. Eine solche unverschuldete Zwangslage kann zum Beispiel vorliegen, wenn eine Arbeitnehmerin ausnahmsweise ihrer Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist, weil sie die Kinderbetreuung nicht anders organisieren konnte. In diesem Fall besteht eine Pflichtenkollision zwischen der Arbeitspflicht einerseits und der Personensorge für das Kind andererseits, bei der sich die Arbeitnehmerin ausnahmsweise auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen kann.
Hat der Arbeitgeber es unterlassen, den Arbeitnehmer wegen der Pflichtverletzung zuvor abzumahnen, wird die Kündigung allein aus diesem Grund von den Arbeitsgerichten als unwirksam angesehen.
Zu beachten ist dabei auch, dass nicht jedes mit „Abmahnung“ bezeichnete Schriftstück tatsächlich eine wirksame Abmahnung darstellt.
Beispiele
Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung sind zum Beispiel:
- unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz
- schlechte Arbeitsleistung
- andauernde Unpünktlichkeit
- Minusstunden
- Privatnutzung von Telefon, Internet, E-Mail
- Handgreiflichkeit gegenüber Arbeitgeber, Kollegen oder Kunden
- (Arbeitszeit-)Betrug oder Diebstahl oder sonstige Straftat zulasten des Arbeitgebers
- Mobbing durch den Arbeitnehmer am Arbeitgeber oder Kollegen
- Alkohol oder Drogen am Arbeitsplatz
- mehrere Gehaltspfändungen
Alkohol & Drogen
Erscheint ein Arbeitnehmer alkoholisiert zur Arbeit, kommt unter Umständen eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Der Konsum von Alkohol und Drogen oder Medikamenten kann eine verhaltensbedingte Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen rechtfertigen, nämlich
- wenn der Arbeitnehmer alkoholbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen oder
- wenn er zu einer Gefahrenquelle wird, weil er aufgrund des Alkoholgenusses sich oder andere gefährdet.
Wenn ein Arbeitnehmer von einer „Kündigung wegen Alkohol“ betroffen ist, stellen sich folgende Fragen:
- Unter welchen Voraussetzungen ist eine Kündigung wegen Alkohol am Arbeitsplatz ungerechtfertigt?
- Wie gelangen Sie im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung wegen „Alkoholmissbrauch“ ans trockene (!) Ufer?
Die Kündigungssachverhalte:
- Keine verhaltensbedingte Kündigung bei Alkoholerkrankung (Alkoholabhängigkeit)
- Verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkohol im Betrieb in sonstigen Fällen
Dem Arbeitgeber kann es verwehrt sein, dem Arbeitnehmer eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen, selbst wenn Alkohol oder Drogen im Spiel waren.
Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Alkoholmissbrauch kann abgewehrt werden. Zwar nicht immer, aber doch sehr oft. Zumindest lässt sich eine Abfindung erstreiten.
Alkoholabhängigkeit
Mit einer verhaltensbedingten Kündigung liegt der Arbeitgeber falsch, wenn der Arbeitnehmer alkoholkrank ist. Warum? Die Pflichtverletzung, die der Arbeitgeber zum Anlass für die verhaltensbedingte Kündigung nehmen will, muss auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruhen und schuldhaft sein. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit im klassischen Sinne. Ein alkoholkranker Arbeitnehmer kann weder den Alkoholkonsum noch sein Verhalten unter Alkoholeinwirkung willentlich steuern. Mit anderen Worten: Verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm im Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen. Und ohne Verschulden ist eine Kündigung unwirksam, jedenfalls dann, wenn sie aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen wird. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer drogenabhängig ist. Auch ein Drogenabhängiger ist nicht in der Lage, sein Verhalten zu steuern.
Wann ist von einem krankhaften Alkoholismus auszugehen?
Dies sind die Indizien, die auf eine Alkoholerkrankung schließen lassen:
- Der Alkoholgenuss ist gewohnheitsmäßig und übermäßig.
- Es besteht eine psychische und physische Abhängigkeit vom Alkohol.
- Der Alkoholgenuss kann trotz besserer Einsicht nicht aufgegeben oder auch nur reduziert werden.
Alkoholsucht einräumen!
Sich zu einer Alkoholerkrankung zu bekennen fällt schwer. Viele Alkoholsüchtige sind nicht einmal in der Lage, sich selbst einzugestehen, dass sie ein Problem haben. Wenn einem Arbeitnehmer aber wegen Alkohol gekündigt wurde und es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung handelt, so kann das Eingeständnis, dass eine Alkoholerkrankung vorliegt, der „Rettungsanker“ des gekündigten Arbeitnehmers sein. Im Fall der Suchterkrankung kann der Arbeitnehmer nämlich damit argumentieren, dass er sein Verhalten nicht willentlich steuern kann und dass ihm wegen der Pflichtverletzung, die der Arbeitgeber ihm zur Last legt, kein Schuldvorwurf gemacht werden kann.
Verhaltensbedingte Kündigung bei Alkoholerkrankung?
Will der Arbeitgeber die Kündigung auf bestehende Alkoholsucht des Arbeitnehmers stützen, so muss er an die Kündigung die Maßstäbe der krankheitsbedingten personenbedingten Kündigung anlegen. Die Zulässigkeit einer personenbedingten Kündigung wegen einer Krankheit ist an gänzlich andere Voraussetzungen geknüpft. In der Regel werden sie nicht vorliegen. Jedenfalls ist die verhaltensbedingte Kündigung der falsche Weg. Der Arbeitnehmer hat in einem solchen Fall gute Chancen, in mit der Kündigungsschutzklage zu gewinnen oder, falls der Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen wollen, eine Abfindung auszuhandeln.
schuldhafte Alkoholabhängigkeit?
Arbeitgeber argumentieren oft damit, der Arbeitnehmer habe seine Abhängigkeit selbst verschuldet. Als der Arbeitnehmer mit dem Trinken angefangen habe, sei er doch schließlich noch in der Lage gewesen, sein Verhalten zu steuern. Diese Argumentation überzeugt nicht. Maßgebend ist der konkrete Pflichtenverstoß, auf den der Arbeitgeber die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen stützen will. Beruht die die Kündigung auslösende Pflichtverletzung nicht auf einem steuerbaren Verhalten, so ist allein dies maßgebend. Darauf, dass der Arbeitnehmer für seine Alkoholabhängigkeit selbst verantwortlich ist und nicht gegengesteuert hat, als es noch möglich gewesen wäre, kommt es nicht an.
Therapieabbruch oder Rückfall?
Ein Abbruch der Therapie, die die Alkoholabhängigkeit überwinden soll, gibt dem Arbeitgeber ebenfalls nicht das Recht, verhaltensbedingt zu kündigen. Ebenso wenig darf gekündigt werden, wenn der alkoholkranke Arbeitnehmer nach durchgeführter Therapie einen Rückfall erleidet. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, ein Therapieabbruch oder ein Rückfall in den Alkoholkonsum begründe ein Verschulden gegen sich selbst, gibt es nicht. Eine solche These lässt sich medizinisch nicht begründen. Die Unfähigkeit des Alkoholikers zur Abstinenz ist gerade Teil des Krankheitsbildes.
Negativwirkung auf Betrieb?
Selbst eine personenbedingte Kündigung wegen einer Alkoholerkrankung setzt voraus, dass sich die Erkrankung negativ auf den Betrieb auswirkt. Die krankheitsbedingte Kündigung ist ein Unterfall der personenbedingten Kündigung also der Kündigung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen. Aussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist, dass es bereits zu einer konkreten und erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen des Arbeitgebers gekommen sein muss. Ein Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung ungeachtet einer bestehenden Alkoholabhängigkeit ungeschmälert erbringt und außerdem weder für sich noch für andere eine Gefährdung darstellt, kann auch aus krankheitsbedingten Gründen nicht gekündigt werden.
Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Arbeitgeber
Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten alkoholbedingt nicht ordnungsgemäß erfüllen kann bzw. ein erhöhtes Unfallrisiko darstellt. Arbeitnehmer müssen dem Arbeitgeber die Beweisführung nicht erleichtern. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht zwingen, sich selbst zu belasten. Deshalb sind Arbeitnehmer weder verpflichtet, sich einer Untersuchung des Blutalkoholwertes zu unterziehen, noch an einer Atemalkoholmessung (ins Röhrchen pusten) mitzuwirken. Ausreichend ist es dann allerdings, wenn der Arbeitgeber darlegt, aufgrund welcher Indizien (Alkoholfahne, lallende Sprache, schwankender Gang, aggressives Verhalten) er subjektiv den Eindruck einer Alkoholisierung gewonnen hat. Den entsprechenden Beweis kann er dann zum Beispiel durch Zeugenaussagen von anderen Arbeitnehmern oder Kunden führen.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer, falls dieser es von sich aus wünscht, Gelegenheit zu geben, den Verdacht einer Alkoholisierung durch entsprechende Messungen auszuräumen. Sind betriebliche Möglichkeiten (Alkomat oder Betriebsarzt) hierzu nicht vorhanden, muss der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer unter Umständen sogar ermöglichen, einen Arzt aufzusuchen, um dort den Blutalkoholgehalt bestimmen zu lassen. Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Möglichkeiten nicht ein, wird er den Beweis, der Arbeitnehmer sei alkoholisiert gewesen, nicht führen können. Wenn ein Arbeitnehmer also zu Unrecht in dem Verdacht stehen, alkoholisiert zu sein, ist der Arbeitnehmer gut beraten, eine Alkoholmessung zu verlangen. Allerdings sollte sich der Arbeitnehmer sich dann auch sicher sein, dass die Messung keine belastenden Werte ergibt.
Alkoholkonsum in der Freizeit
Ob und wie viel Alkohol der Arbeitnehmer in der Freizeit trinken und wie sich der Arbeitnehmer alkoholisiert verhält, ist seine Privatsache. Alkoholgenuss in der Freizeit wird erst dann relevant, wenn dadurch betriebliche Interessen beeinträchtigt werden. Außerdienstlicher Alkoholgenuss, der sich nicht negativ auf die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers auswirkt, ist grundgesetzlich nicht geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Er ist ausschließlich Ihrer Privatsphäre zuzuordnen.
Verstoß gegen ein betriebliches Alkoholverbot
Ein Arbeitnehmer, der gegen ein betriebliches Alkoholverbot verstößt, riskiert eine verhaltensbedingte Kündigung. Aber auch in diesem Fall ist eine Kündigung nicht unter allen Umständen gerechtfertigt. In der Regel wird es darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer zuvor erfolglos abgemahnt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer in alkoholisiertem Zustand sich oder andere gefährdet hat. Auch hier ist eine Prognose anzustellen, ob nicht schon eine Abmahnung geeignet ist, eine Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Es müssen schon konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass nicht damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer die Abmahnung als Warnung dienen lässt.
Grundsätzlich sollte auch geprüft werden, ob das Alkoholverbot überhaupt rechtswirksam ist. In Betrieben mit einem Betriebsrat bedarf das Alkoholverbot zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats.
Besteht kein Alkoholverbot, ist ein moderater Alkoholkonsum vor Arbeitsbeginn oder in Pausen zulässig, sofern sich der Arbeitnehmer nicht in einen die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Zustand versetzt. Eine verhaltensbedingte Kündigung kann dann mit guter Aussicht auf Erfolg angegriffen werden.
Abmahnung geht vor Kündigung
Bei einmaligen Verstößen gilt das Prognoseprinzip: Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass eine Wiederholungsgefahr besteht und sich der vergangene Alkoholmissbrauch auch zukünftig belastend auswirkt, was in der Regel eine vorherige erfolglose Abmahnung erforderlich macht.
Entzug der Fahrerlaubnis
Der Entzug der Fahrerlaubnis kann bei Berufskraftfahrern oder Arbeitnehmern, die auf den Führerschein im Rahmen der Berufstätigkeit angewiesen sind (Dienstreisen, Vertriebsmitarbeiter), zu einer ordentlichen Kündigung berechtigen. Solange der Arbeitnehmer nicht sein Dienstfahrzeug (Lkw, Bus oder PKW) in fahruntüchtigem Zustand bewegt haben, richtet sich die Kündigung nach den Grundsätzen der personenbedingten Kündigung. Gegen eine personenbedingte Kündigung kann der Arbeitnehmer sich in einem solchen Fall damit verteidigen, dass als milderes Mittel in Betracht kommt, den Arbeitnehmer zwischenzeitlich bis zur Rückgabe der Fahrerlaubnis oder auf Dauer beim Arbeitgeber auf einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen.
Arbeitsverweigerung
Eine beharrliche (wiederholte) Verweigerung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung trotz Abmahnung ist zwar grundsätzlich geeignet, einen Kündigungsgrund abzugeben.
Aber: Es stellt keinen Kündigungsgrund dar, wenn der Arbeitnehmer sich zu Recht weigern, die Ihnen zugewiesene, aber nicht vertragsgemäße Arbeit zu erbringen.
Die Arbeitsverweigerung kann unter gewissen Umständen berechtigt sein. Als Gründe für die berechtigte Arbeitsverweigerung kommen u. a. in Betracht:
- Glaubens- und Gewissenkonflikt,
- Pflichtenkollision,
- Zwangslage wegen Kindesbetreuung,
- Leistungsverweigerungsrecht wegen Gehaltsrückständen,
- unzulässige Mehrarbeit,
- Nichtbeteiligung des Betriebsrats an einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme,
- Überschreitung des Weisungsrechts,
- Verkehrsunsicherheit des zugewiesenen Fahrzeugs.
Betriebsgeheimnis/Geheimhaltung
Der Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen an Dritte kann ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein. Aber nicht alles, was der Arbeitgeber geheim halten möchte, unterliegt der Geheimhaltungspflicht.
Es muss sich um Informationen handeln, die nur ein eng begrenzter Kreis von Arbeitnehmern kennt und hinsichtlich derer der Arbeitgeber überhaupt bekundet hat, dass sie geheim zu halten sind. Wenn Sie also einwenden können, dass die Informationen, die Sie möglicherweise weitergegeben haben, Dritten ohne weiteres auch auf anderem Wege zugänglich gewesen wären, so rechtfertigt dies keine Kündigung.
Unter Umständen kommt eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung selbst dann nicht in Betracht, wenn Sie Betriebsgeheimnisse tatsächlich einem Dritten gegenüber ausgeplaudert haben. Handelt es sich bei dem Dritten um eine Person, die aus diesen Informationen absolut keine Vorteile ziehen könnte, so wird das Arbeitsgericht dies unter Umständen berücksichtigen. Auch hier ist nämlich eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Bei der Beurteilung, ob eine Kündigung in Betracht kommt, sind ferner regionale (z.B. das Mittagbier in Bayern) und branchen- sowie tätigkeitsspezifische Umstände zu beachten. Zu beachten ist auch die konkrete Handhabung in dem jeweiligen Betrieb. Wenn der Arbeitgeber beispielsweise trotz eines bestehenden Alkoholverbotes den Genuss alkoholischer Getränke über einen längeren Zeitraum duldet, wiur Rückgabe des Führerscheins oder auf Dauer auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden.
Fehlzeiten / unentschuldigtes Fehlen
Unberechtigtes Fehlen eines Arbeitnehmers stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar und ist nach Wiederholung trotz Abmahnung geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen.
Aber auch hier gibt es Einschränkungen. Ein absolut ungestörter Verlauf des Arbeitsverhältnisses kann nicht erwartet werden. Das darf nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn das Arbeitsverhältnis schon sehr viele Jahre bestanden hat und es während dieser langen Zeit nie zu Beanstandungen gekommen ist, dürfte ein Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine verhaltensbedingte Kündigung in solchen Fällen oftmals Aussicht auf Erfolg haben. Zu denken ist etwa insbesondere an den Fall, dass der Arbeitnehmer eine persönliche Krise (z. B. Ehescheidung oder Tod eines nahestehenden Angehörigen) durchzustehen hat. Ist der Sachverhalt so gelagert, wird man vom Arbeitgeber verlangen können, auf die Situation des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, so dass er gehindert ist, eine Kündigung auszusprechen.
Verspätungen
Wiederholte Verspätungen sind nach Abmahnung geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Durch das unpünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Arbeit mit Beginn der betrieblichen Arbeitszeit aufzunehmen.
Die Verspätung muss aber vom Arbeitnehmer verschuldet sein, d. h. auf einem vorwerfbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruhen. Wiederholte Verspätungen des Arbeitnehmers nach vorheriger Abmahnung sind deshalb an sich geeignet, eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen zu rechtfertigen.
Jedoch reichen ein einmaliges Verschlafen oder eine einmalige verkehrsbedingte Verspätung für eine verhaltensbedingte Kündigung nicht aus. Insbesondere bei verkehrsbedingten Verspätungen kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer mit einem Verkehrsstau oder mit einer sonstigen Behinderung rechnen musste. Wenn beispielsweise im morgendlichen Verkehr generell mit Verkehrsstockungen zu rechnen ist, muss der Arbeitnehmer sich darauf einstellen und rechtzeitig von zuhause losfahren. In einem solchen Fall sind Verspätungen nicht entschuldigt. Handelt es sich jedoch um einen Verkehrsstau, mit dem nicht zu rechnen war, oder hat die Verspätung eine Ursache, die nicht vorhersehbar war, so ist eine verhaltenbedingte Kündigung nicht gerechtfertigt.
Krankheit & Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Erkrankungen des Arbeitsnehmers sind grundsätzlich kein Grund zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung!
Der Arbeitnehmer hat schließlich keinen Einfluss darauf, ob er krank wird oder nicht. Dennoch wird die Erkrankung eines Arbeitnehmers häufig zum Anlass genommen, diesem eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Eine solche Kündigung kann mit Erfolg vor dem Arbeitsgericht angegriffen werden!
Zwar kommt in bestimmten – seltenen – Fällen eine personenbedingte Kündigung aus Krankheitsgründen in Betracht. Eine solche krankheitsbedingte Kündigung, etwa wegen häufiger Kurzerkrankungen, oder wegen langandauernder Krankheit, ist aber nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig.
Eine Kündigung nur aus dem Grunde, weil der Arbeitnehmer es sich „erlaubt“ krank zu werden, ist grundsätzlich unzulässig, auch wenn dies den Arbeitgeber noch so sehr stört. Wird Ihnen in einem derartigen Fall eine solche „unqualifizierte“ Kündigung ausgesprochen, dann sollten Sie auf jeden Fall eine Kündigungsschutzklage einreichen!
Kündigungsgründe können sich aber aus dem Verhalten des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit einer Erkrankung ergeben. So kann wegen der Verletzung der Anzeige- und Nachweispflichten eine Kündigung in Betracht kommen. Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. Bedenken Sie bitte, dass Ihr Arbeitgeber wegen der Auswirkungen Ihrer Arbeitsunfähigkeit auf den Betriebsablauf (andere Verteilung der Arbeit, Übertragung der Arbeit auf Ersatzkräfte) ein besonderes Interesse an einer frühzeitigen Anzeige hat. Es kann Ihnen daher nur dringend empfohlen werden, dieser Verpflichtung nachzukommen. Die Mitteilung kann mündlich oder schriftlich, persönlich oder durch Dritte (Ehegatte, Lebenspartner, Kollege/Kollegin) erfolgen. Aber: Auch einmalige Verstöße gegen die Anzeigepflicht rechtfertigen eine Kündigung grundsätzlich nicht. Nur wiederholte Verletzungen der Pflicht zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit sind geeignet, einen Grund zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung abzugeben, und das auch nur, wenn zuvor eine Abmahnung erfolgt ist.
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so ist der Arbeitnehmer ferner verpflichtet, eine ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sog. „gelber Schein“) über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber vorzulegen. Die Vorlage hat spätestens am vierten Krankheitstag zu erfolgen. Hier gilt aber, dass beispielsweise eine um zwei Tage verzögerte Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei weitem nicht so negativ bewertet werden kann, wie beispielsweise die gänzlich unterlassene Krankmeldung.
Unter Umständen kann es einen Grund zur verhaltensbedingten Kündigung darstellen, wenn dem Arbeitgeber das Krankwerden „angedroht“ wird. Aber auch hierbei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Allein die Tatsache, dass eine Erkrankung angekündigt wird, kann eine Kündigung nicht rechtfertigen. Schließlich kann es doch durchaus sein, dass der Arbeitnehmer sich bereits krank fühlt und eine tatsächlich im Anzug befindliche Erkrankung ankündigt.
Problematisch wird es, wenn eine Erkrankung als Sanktion für ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers angedroht wird, etwa wenn der Arbeitgeber sich weigert, dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Tag Urlaub zu gewähren. Es ist keine sehr gute Idee, wenn Sie auf eine Maßnahme des Arbeitgebers, die Ihnen nicht passt, mit der Bemerkung reagieren: „Dann werde ich eben krank!“ Die Bemerkung selbst rechtfertigt zwar auch noch keine Kündigung. Wenn Sie sich dann aber tatsächlich krankschreiben lassen, dürfte Ihr Arbeitgeber mit einer Kündigung große Chancen haben.
Schlechtleistung & Minderleistung
Der Arbeitgeber darf regelmäßig eine Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte erwarten. Oftmals sind Arbeitgeber geneigt, nach vorheriger Abmahnung eine Kündigung auszusprechen, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeitsleistung nicht erbringt.
Aber auch hier kann einer Kündigung häufig, wenn nicht fast immer, mit Aussicht auf Erfolg entgegengetreten werden. Jeder Arbeitnehmer ist nämlich nur zu der Leistung verpflichtet, zu der er individuell auch in der Lage ist.
Ein Arbeitnehmer, der nur unterdurchschnittlich leistungsfähig ist (Krankheit, Behinderung, Alter, Beschränkungen der geistigen oder körperlichen Leistungsfähigkeit etc.), kann unter Umständen überhaupt keine Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte erbringen. Dies wird von ihm auch nicht geschuldet! Dennoch versuchen Arbeitgeber gerade in derartigen Fällen, sich eines weniger leistungsfähigen Arbeitnehmers mittels einer verhaltensbedingten Kündigung zu entledigen. In der Regel ist eine Kündigung in derartigen Fällen nicht gerechtfertigt und deshalb unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen seiner Minderleistung zuvor abgemahnt hat. Natürlich ist in einem solchen Fall auch eine Abmahnung unberechtigt. Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen kündigt, weil er mit Ihren Leistungen nicht zufrieden ist, sollten Sie generell eine Kündigungsschutzklage in Erwägung ziehen.
Ein Kündigungsgrund besteht allenfalls dann, wenn ein Arbeitnehmer seine Leistung bewusst zurückhält, wenn er also absichtlich weniger leistet als er leisten könnte.
Beleidigungen & Bedrohungen
Die grobe Beleidigung des Arbeitgebers, eines Vorgesetzten oder eines Kollegen stellt zwar in der Regel eine Störung des personalen Vertrauensbereichs und damit einen Grund zur verhaltensbedingten Kündigung dar.
Dennoch ist eine Kündigung nicht in jedem Fall gerechtfertigt. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. So macht es sicherlich einen Unterschied, ob eine als Beleidigung gedachte Äußerung den Vorgesetzten oder Arbeitgeber in der Öffentlichkeit bloßstellt oder ob es sich um eine spontane Äußerung in Branchen oder Betrieben handelt, in denen ein eher rauher Ton an der Tagesordnung ist.
Ebenso kann eine Kündigung dann ungerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, von seinem Vorgesetzten oder von einem Arbeitskollegen zu seiner Äußerung provoziert wurde.
Drohung & Körperverletzung
Tätlichkeiten im Betrieb – insbesondere gegenüber Arbeitskollegen – sind an sich als Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung geeignet.
Hier ist aber zu prüfen, ob der Arbeitnehmer sich nicht unter Umständen damit rechtfertigen kann, dass es sich um eine einmalige Entgleisung im Rahmen eines langjährigen Arbeitsverhältnisses gehandelt hat. In diesem Fall wird die Interessenabwägung dazu führen, dass das Verhalten des Arbeitnehmers nicht ausreicht, um einen Kündigungsgrund abzugeben.
Eine Kündigung wegen Tätlichkeiten kann unter Umständen insbesondere dann unverhältnismäßig sein, wenn der Arbeitnehmer zu der Tätlichkeit provoziert wurde und sich ausdrücklich bei seinem Kontrahenten entschuldigt hat. Wird die Entschuldigung angenommen und vertragen sich die beiden Kontrahenten, ist die negative Prognose, dass auch in Zukunft Störungen des Arbeitsverhältnisses zu befürchten sind, nicht gerechtfertigt. Der Arbeitgeber kann in einem solchen Fall gehalten sein, sich auf eine Abmahnung zu beschränken.
Abwägung der Interessen von Arbeitgeber & Arbeitnehmer
Auch dann, wenn eigentlich ein geeigneter Kündigungsgrund für eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitnehmers gegeben ist und wegen der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers diesem einen Vorwurf zu machen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deswegen zuvor auch bereits abgemahnt hat, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht mit seiner Kündigungsschutzklage im Rahmen der hier geforderten Interessenabwägung noch eine letzte Chance haben.
Die Kündigung ist nämlich unbegründet, wenn die für jeden Einzelfall vorzunehmende Abwägung der für und gegen eine Entlassung sprechenden Umständen ergibt, dass kein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung anzuerkennen ist. Dies bedeutet: Die Arbeitsgerichte haben den Kündigungssachverhalt vor dem Hintergrund der jeweiligen Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu bewerten. Hierbei kommt den Gerichten ein nicht unbeachtlicher Beurteilungsspielraum zu, womit ein weiterer Grund gegeben wäre, sich gegen eine verhaltensbedingte Kündigung zur Wehr zu setzen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sind zu Lasten des Arbeitnehmers hauptsächlich Intensität und Gewicht der Vertragsverletzung und das Vorliegen von konkreten betrieblichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Zu Gunsten des Arbeitnehmers können folgende Kriterien ins Gewicht fallen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Dauer der störungsfreien Vertragsbeziehung
- Intensität und Gewicht der Vertragsverletzung (einmalig, geringfügig)
- Verschuldensgrad (geringes Verschulden, Mitverschulden des Arbeitgebers)
- Vorliegen einer persönlichen Zwangslage
- Alter des Arbeitnehmers
- Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers
- besondere soziale Schutzbedürftigkeit aus sonstigen Gründen
- Lage auf dem Arbeitsmarkt
Sanktionen der Agentur für Arbeit
Im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung sind Probleme mit der Agentur für Arbeit vorprogrammiert.
Wenn Arbeitnehmer kein Anschlussarbeitsverhältnis haben und auf Leistungen des Arbeitsamtes / der Arbeitsagentur (Agentur für Arbeit) angewiesen sind, kann die verhaltensbedingte Kündigung negative Folgen haben. Die Agentur für Arbeit geht nämlich bei einer verhaltensbedingten Kündigung regelmäßig davon aus, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus eigenem Verschulden verloren hat, und verhängt deshalb eine Sperrzeit. Dies kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass Arbeitnehmer bis zu 12 Wochen lang ohne Einkommen sind!
Schon um diese negativen Konsequenzen zu vermeiden, ist Arbeitnehmern dringend zu empfehlen, sich gegen die verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers die Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. In vielen Fällen kommt vor dem Arbeitsgericht eine gütliche Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zustande. Das Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich aufgehoben. Weil der Arbeitnehmer die Berechtigung des Arbeitgebers, ihm aus verhaltensbedingten Gründen zu kündigen, mit der Kündigungsschutzklage angegriffen hat, wird der arbeitsgerichtliche Vergleich so formuliert, dass hieraus auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen nicht mehr geschlossen werden kann – oft wird dort vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen endet. Die sonst fast zwangsläufige Verhängung einer Sperrfrist kann damit abgewendet werden.
Selbstverständlich muss nicht jede Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht zwangsläufig damit enden, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgehoben wird. Wenn der Arbeitgeber keinen Grund zu einer verhaltensbedingten Kündigung hatte, kann der Arbeitnehmer natürlich auch um den Erhalt des Arbeitsplatzes kämpfen und, falls er mit der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht gewinnt, an den Arbeitsplatz zurückkehren.
hohe Hürden des Arbeitgebers führen zu Vergleich
Der Arbeitgeber hat also sehr viele Hürden nehmen, um im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht zu obsiegen.
In der Praxis wird in der überwiegenden Mehrzahl auf die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ein Vergleich geschlossen bei dem folgendes geregelt wird:
- Die Prozessparteien einigen sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist endet.
- Bis zum Beendigungszeitpunkt wird der Arbeitnehmer unter Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs, jedoch unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und sonstige eventuelle Freizeitgewährungsansprüche (Überstunden) unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Der Arbeitnehmer erhält also während der Dauer der Kündigungsfrist seine Vergütung, ohne in dieser Zeit arbeiten zu müssen.
- In der überwiegenden Zahl der Fälle wird auch die Zahlung einer Abfindung vereinbart.
- Außerdem wird in derartigen Vergleichen in der Regel auch klargestellt, dass der Arbeitgeber die Vorwürfe, die der Kündigung zugrunde liegen, nicht länger aufrechterhalten werden. Das hat für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass die Agentur für Arbeit keine Sperrzeit verhängt.
- Schließlich einigen die Parteien sich auch noch darauf, dass der Arbeitnehmer ein gutes Arbeitszeugnis erhält, so dass das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers jedenfalls nicht an einem unzulänglichen Arbeitszeugnis scheitert.
Warum die Arbeitgeber in der überwiegenden Zahl der Fälle nachgeben, lässt sich einfach erklären: Wenn der Arbeitnehmer, dem gekündigt wurde, gegen die Kündigung klagt (Kündigungsschutzklage), so besteht für den Arbeitgeber das Risiko, einen solchen Kündigungsschutzprozess zu verlieren. Es gibt zahlreiche, um nicht zu sagen unzählige Gründe, warum der Arbeitgeber den Prozess verlieren kann.
Bei verhaltensbedingten Kündigungen wird sehr häufig nicht nur die bezahlte Freistellung während der Kündigungsfrist vereinbart, sondern der Arbeitgeber verpflichtet sich darüber hinaus zur Zahlung einer Abfindung. Ob ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung ausgehandelt werden kann, hängt davon ab, wie groß im konkreten Fall die Chancen für den Arbeitnehmer sind, in dem Kündigungsschutzprozess zu obsiegen. Da die vom Arbeitgeber im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung zu überwindenden Hürden sehr hoch sind, leuchtet es ein, dass mit einer guten Taktik und einer geschickten Prozessführung häufig mehr erreicht werden kann, als man ursprünglich glauben mochte.
Tipp: Arbeitnehmer sollten eine verhaltensbedingte Kündigung unter keinen Umständen einfach hinnehmen!
Hinweis: Ist eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtswidrig, der Arbeitnehmer erhebt aber nicht innerhalb der Klagefrist von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung die Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, dann wird die rechtswidrige Kündigung dennoch wirksam.
>>>HIER<<< finden Arbeitgeber ein MUSTER einer ordentlichen (betriebsbedingten, ggf. mit Abfindungsangebot, verhaltensbedingten) Kündigung mit Änderungsangebot (Änderungskündigung) des Arbeitnehmers mit der Möglichkeit der Resturlaubsgewährung, Freistellung und den notwendigen Hinweisen!