Kündigung wegen Haft des Arbeitnehmers

Darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen, wenn dieser in Haft ist?

Soweit ein Arbeitnehmer, der im Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht, im Gefängnis in Strafhaft oder Untersuchungshaft (U-Haft) sitzt, darf der Arbeitgeber nicht ohne weiteres die Kündigung des Arbeitsverhältnisses an den inhaftierten Arbeitnehmer aussprechen.

Eine Kündigung darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann aussprechen, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt eine Haftstrafe von mindestens noch mehr als zwei Jahren verbüßen muss und eine vorzeitige Haftentlassung vor Ablauf der zwei Jahre nicht sicher zu erwarten ist.

Die Arbeitsgerichte ziehen die Grenze bei zwei Jahren, weil die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses für einen Zeitraum bis maximal zwei Jahren (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Außerdem wird die grenze bei zwei Jahren gezogen, da mit zunehmender Haftdauer die (Wieder-)Einarbeitungszeit für den Arbeitnehmer länger dauert und somit für den Arbeitgeber zunehmend unzumutbar wird.

Hinweis: Wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung durch den Arbeitgeber eine Haftdauer von mehr als zwei Jahren gegeben ist und später der inhaftierte Arbeitnehmer früher aus der Haft entlassen wird, die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, oder der inhaftierte Arbeitnehmer Freigang erhält (also tagsüber arbeiten darf und abends in das Gefängnis zurück muss), dann wird die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung nicht rückwirkend rechtswidrig – es kommt nur auf den Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung an.

Wenn der Arbeitnehmer in Strafhaft unter zwei Jahre ist oder der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft sitzt, die grundsätzlich nur sechs Monate (§ 121 Abs. 1 StPO) dauern darf und nur im Ausnahmefall 12 Monate (§ 122a StPO), darf der Arbeitgeber dem inhaftierten Arbeitnehmer nicht kündigen.

Die Arbeitsgerichte gehen davon aus, dass ein Arbeitgeber die Haftdauer des Arbeitnehmers mit einer Gesamtdauer von bis zu zwei Jahren mit zumutbarem Mehraufwand überbrücken kann und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freihalten kann.

Bei einer Haft unter zwei Jahren Dauer darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur unter besonderen zusätzlichen Faktoren kündigen, so zum Beispiel, wenn ein Erzieher, der bei einem Kindergarten beschäftigt ist, rechtskräftig zu einer Haftstrafe von einem Jahr wegen Pädophilie („Kinderschänder“) oder dem Besitz oder Handel von kinderpornografischer Medien verurteilt wurde.

Ausnahme: Wenn der Arbeitnehmer eine Straftat gegen den Arbeitgeber begeht, wie zum Beispiel einen Diebstahl von Geld, Ware oder Arbeitsmaterial oder einen Arbeitszeitbetrug begeht, kann der Arbeitgeber auch ohne Verhängung einer Haftstrafe (Bewährung) oder Geldstrafe eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen.

Für den Fall, dass der inhaftierte Arbeitnehmer während der Haftzeit Freigang erhält, muss der Arbeitgeber auf eine haftbedingte Kündigung verzichten; dies gilt auch dann, wenn absehbar ist, dass der inhaftierte Arbeitnehmer zeitnah Freigang erhält oder die Haft zur Bewährung ausgesetzt wird.

 

Zugang der Kündigung beim inhaftierten Arbeitnehmer

Wenn der Arbeitgeber einem inhaftierten Arbeitnehmer eine Kündigung aussprechen will, wird sich regelmäßig die Frage stellen, an welche Adresse diese verschickt werden muss.

Wenn der Arbeitgeber die Kündigung an dessen Wohnung schickt oder sie selbst oder durch einen Boten in den Wohnungsbriefkasten des inhaftierten Mitarbeiters einwirft, gilt diese nach dem Arbeitsgericht dennoch als zugegangen, weil die Kündigung trotz Abwesenheit des inhaftierten Arbeitnehmers in dessen Machtbereich gelangt ist und damit Rechtskraft entfaltet.

Die Klagefrist für die Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht nach § 4 Satz 1 KSchG drei Wochen Zeit; ohne Kündigungsschutzklage wird die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG wirksam.

Was zunächst ungerecht klingt, ist es aber nur auf den 1. Blick, denn § 5 KSchG regelt in einem solchen Fall, dass dann, wenn der inhaftierte aus der Haft entlassen wird, er einen unverzüglichen – also ohne schuldhaftes Zögern, bestenfalls innerhalb von wenigen Tagen – eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben und einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellen kann.

 

Lohnanspruch während der Haft?

Wenn der Arbeitnehmer arbeitet, während der Haft als Freigänger oder wenn die Haft zur Bewährung ausgesetzt ist, behält er seinen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber.

Für die Zeit der Haft, während der der Arbeitnehmer nicht arbeitet, leistet der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung und erhält vom Arbeitgeber nach dem Grundsatz „ohne Arbeit keinen Lohn“ keine Vergütung vom Arbeitgeber.

Hinweis: Soweit der inhaftierte Arbeitnehmer noch Urlaubsanspruch oder Überstunden hat, die er während der Haftzeit nehmen oder abbauen kann, dann erhält er dafür auch Lohn – dies wird aber vermutlich nicht für die ganze Haftdauer gelten.

Das größte Problem bei der Kündigung infolge einer Verhaftung oder einer Verurteilung ist, dass der Arbeitnehmer nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt.

Aus § 275 BGB ergibt sich, dass der Arbeitnehmer von seiner Pflicht zur Arbeitserfüllung frei wird, wenn sie ihm unmöglich geworden ist – im Falle der Inhaftierung ist dies gegeben.

In der Rechtsfolge wird der Arbeitnehmer frei von der Pflicht zur Arbeitsleistung.

Ausnahme: Handelt es sich nur um eine kurzzeitige Untersuchungshaft, die der (unschuldige) Arbeitnehmer nicht zu verantworten hatte, kann nach § 616 BGB dennoch ein Anspruch auf Lohn bestehen.