Kündigung bei Erkrankung
Eine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber stellt eine personenbedingte Kündigung des Arbeitnehmers dar.
Arbeitgeber können einem Arbeitnehmer eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen, wenn:
- der Arbeitnehmer vor Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung immer wieder für kürzere Zeit, d.h. für einige Tage oder Wochen arbeitsunfähig krank, so dass die Fehlzeiten zusammengerechnet ein Ausmaß von mindestens 6 Wochen erreichen, dass der Arbeitgeber auf Dauer nicht mehr hinnehmen muss.
- der Arbeitnehmer bleibt auf Dauer arbeitsunfähig krank, d.h. dass eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist auszuschließen.
- die Wiederherstellung der Gesundheit des Arbeitnehmers ist zum Zeitpunkt der krankheitsbedingten Kündigung ungewiss, d.h. der Arbeitgeber weiß aufgrund einer bereits länger andauernder Krankheit nicht, ob und wann mit einer Genesung des Arbeitnehmers zu rechnen ist.
- die Krankheit des Arbeitnehmers führt dazu, dass der Arbeitnehmer auch dann, wenn er bei der Arbeit erscheint, deutlich in seiner Leistungsfähigkeit vermindert ist.
Wenn der Arbeitnehmer zum ersten Mal in einem Jahr mehr als 6 Wochen krank war, ist eine krankheitsbedingte Kündigung rechtswidrig. Der Arbeitnehmer muss in 2 oder 3 Jahren jeweils mindestens 6 Wochen krank gewesen sein. Der Arbeitgeber muss sich in diesem Beobachtungszeitraum vergewissern, dass der Arbeitnehmer nicht einmalig länger krank war.
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, mit der einem Arbeitnehmer, der durch das KSchG geschützt ist, während und wegen der Erkrankung ordentlich gekündigt werden kann, falls der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit den Arbeitsvertrag künftig nicht mehr erfüllen kann.
Die meisten krankheitsbedingten Kündigungen werden ausgesprochen, weil Arbeitnehmer immer wieder kurzfristig, d.h. für einige Tage oder Wochen, erkranken.
Aber auch im Falle von Langzeiterkrankten, die über Monate oder Jahre arbeitsunfähig sind, wird eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen.
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung schützt die Erkrankung einen Arbeitnehmer nicht vor Kündigung durch den Arbeitgeber.
Gerade wegen der Erkrankung kann der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen einen Arbeitnehmer kündigen.
Wenn ein Arbeitgeber häufig krank ist, muss der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht vor dem Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung aussprechen, da der Arbeitnehmer in der Regel die Erkrankung und damit die Arbeitsunfähigkeit nicht steuern kann.
Der Arbeitgeber kann die Krankheit oder den Gesundheitszustand dem Arbeitnehmer nicht vorwerfen.
Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer krankheitsbedingt kündigen, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit den Arbeitsvertrag künftig nicht mehr erfüllen kann.
Der Arbeitnehmer muss bei der Kündigungsschutzklage gegen eine krankheitsbedingte Kündigung die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und ausführen, dass die Ärzte seine Gesundheit positiv beurteilen.
Das Kündigungsschutzgesetz schützt nicht zwangsläufig vor einer Kündigung wegen einer Krankheit.
Dennoch bedarf es einiger Voraussetzungen für den Arbeitgeber, um aus krankheitsbedingten Gründen dem Arbeitnehmer zu kündigen:
- Der Arbeitnehmer ist im Jahr am Stück oder in Teilen 6 Wochen oder mehr krank und es kommt deshalb zu betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers
- Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Erkrankung des Arbeitnehmers zukünftig bessert (Negativprognose)
- Fehlen eines milderen Mittels, mangelnde Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
- Der Arbeitgeber trifft eine Interessenabwägung, die die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Krankheitsursache, Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer und das Alter des Mitarbeiters berücksichtigt
Erst wenn diese vier Voraussetzungen vorliegen, ist eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam.
Der Arbeitgeber muss prüfen, ob die Kündigung des Arbeitnehmers das mildeste Mittel ist, oder ob es eine andere Möglichkeit gibt, die eine Kündigung vermeidet.
Eine dauerhafte Erkrankung des Arbeitnehmers liegt nicht vor, wenn dieser zwar während einem Jahr mehr als 6 Wochen krank war, es sich aber um verschiedene Erkrankungen handelte.
War der Arbeitnehmer zum Beispiel krank, weil er
- eine Grippe hatte
- dann einen gebrochenen Fuß
- eine Depression wegen einem Trauerfall
- eine Blinddarm-Operation
besteht keine einheitliches Grunderkrankung des Arbeitnehmers, dass dessen krankheitsbedingte Kündigung rechtfertigt.
Der Arbeitgeber begeht hier einen großen Fehler, wenn er vor dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung kein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) unterlassen hat.
Arbeitnehmer, die in den letzten 12 Monaten mehr als 6 Wochen am Stück oder in mehreren kürzeren Zeiten krank war, muss der Arbeitgeber nach § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX mit Beteiligung des Arbeitnehmers klären, wie dessen Arbeitsunfähigkeit beseitigt werden kann.
Dazu können Versetzung, Umsetzung, leidensgerechter Arbeitsplatz, Arbeitshilfen, Arbeitszeitverkürzung, Stellenwechsel und anderes dazu geeignet sein, erneute Arbeitsunfähigkeiten zu verhindern.
Der Arbeitgeber muss dabei dem Arbeitnehmer ein BEM mit einem konkreten Einladungsschreiben mit vollständigen Hinweis zum Datenschutz anbieten und wenn auch der Arbeitnehmer ein solches wünscht, das BEM auch durchführen.
Wenn der Arbeitnehmer auf die zweimalige BEM-Einladung nicht reagiert oder ablehnt, hat der Arbeitgeber seine Pflicht erfüllt.
Aber auch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zweimal zum BEM eingeladen hat, kann die krankheitsbedingte Kündigung dennoch rechtswidrig sein.
Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber Fehler gemacht hat.
Typische Fehler von Arbeitgebern beim BEM sind:
- Einladung unterlassen, trotz mehr als 6-wöchiger Arbeitsunfähigkeit in 12 Monaten
- Rechtlich fehlerhaftes BEM-Einladungsschreiben
- Keine Wiederholung der BEM-Einladung unter Androhung einer krankheitsbedingten Kündigung
- BEM-Gespräch zu früh abgebrochen und damit nicht ordnungsgemäß durchgeführt
Das Arbeitsgericht wird eine krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber in diesem Fall als rechtswidrig zurückweisen, weil ein (korrektes) BEM zur Aufdeckung anderer Einsatzmöglichkeiten für den gekündigten Arbeitnehmer geführt hätte, so dass die Kündigung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig ist.
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen folgenden Fällen, die eine Kündigung rechtfertigen können:
- häufige Kurzerkrankungen
- lang andauernde Erkrankung
- krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit
- völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit
- krankheitsbedingte Leistungsminderung
Achtung: In der Probezeit kann der Arbeitgeber wegen einer Erkrankung kündigen, da hier kein Grund für die Kündigung notwendig ist.
Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer auch krankheitsbedingt eine außerordentliche Kündigung aussprechen, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund eines Tarifvertrags oder Regelungen des Arbeitsvertrags keine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann.
Dafür braucht der Arbeitgeber aber einen wichtigen Grund.
Ein wichtiger Grund wird darin gesehen, wenn ein Arbeitnehmer während des Beobachtungszeitraums von 3 Jahren mindestens jedes Jahr 84 Arbeitstage krank war, also in 3 Jahren mindestens 251 krank war.
Wenn ein Arbeitnehmer seine Krankheit nur vortäuscht oder es sich um eine angekündigte Arbeitsunfähigkeit handelt, d.h. der Arbeitnehmer sagt, dass er „krank macht“ wenn er seinen Willen gegenüber den Arbeitgeber nicht durchsetzen kann, dann ist der Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Hinweis: Ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen der Erkrankung des Arbeitnehmers rechtswidrig, der Arbeitnehmer erhebt aber nicht innerhalb der Klagefrist von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung die Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht, dann wird die rechtswidrige Kündigung dennoch wirksam.