Handelsvertreter
Der Handelsvertreter ist gemäß § 84 Abs. 1 HGB ein Absatzhelfer, der als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.
Allgemeines
Das HGB befasst sich auch mit der Funktion von natürlichen Personen, die in einer bestimmten Art für einen Kaufmann tätig sind. Dazu gehören Prokurist (§ 48 ff. HGB), Handlungsbevollmächtigter (§ 54 ff. HGB), Handlungsgehilfe (§ 59 ff. HGB), Handelsmakler (§ 93 ff. HGB) und Handelsvertreter. Weitere Absatzhelfer des HGB sind der Kommissionär (§§ 383 ff. HGB) und der Handlungsreisende (§ 55 HGB). Letztere Vorschrift erwähnt den Handlungsreisenden nicht (mehr) ausdrücklich, ist aber auf alle Handlungsbevollmächtigten anwendbar, die damit betraut sind, außerhalb des Betriebes des Kaufmanns Geschäfte in dessen Namen abzuschließen.
Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Ständig bedeutet, dass jemand dauerhaft und nicht nur temporär als Handelsvertreter tätig ist. Dies ist gewährleistet durch das Dauerschuldverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter. Der Handelsvertreter selbst braucht kein Kaufmann zu sein (§ 84 Abs. 4 HGB) wie dies beim angestellten Versicherungsvermittler der Fall ist, während der Versicherungsvertreter ein Handelsvertreter ist (§ 59 Abs. 1 und 2 VVG).
Arten
Handelsvertreter werden nach der Anzahl der Auftraggeber unterschieden, für die sie tätig sind. Der Ausschließlichkeitsvertreter (auch Einfirmenvertreter oder bei Versicherungskonzernen als Konzernvertreter bezeichnet) darf gemäß § 92a HGB lediglich für einen Unternehmer tätig werden. Der Mehrfachvertreter darf im Umkehrschluss aus § 92a HGB für mehr als einen Unternehmer tätig werden. Dies wird durch Wettbewerbsklauseln gemäß § 90a HGB geregelt.
Berufsbild
Eigenschaften
Die Rechtsstellung des Handelsvertreters ist die eines Selbständigen. Er ist ebenso selbständiger Unternehmer wie der Unternehmer, den er vertritt. Der Handelsvertreter muss keine natürliche Person sein; er kann auch in Form einer juristischen Person oder Personengesellschaft bzw. als Einzelkaufmann unter einer Firma auftreten.
Der Handelsvertreter ist im Wesentlichen frei in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seiner Arbeitszeit. Diese persönliche Unabhängigkeit unterscheidet ihn vom abhängig beschäftigten Reisenden. Im Gegensatz zu diesem kann der Handelsvertreter zudem auch für mehrere Anbieter tätig werden, sofern ihm das vertraglich gestattet ist (sogenannter „Mehrfirmenvertreter“). Ein Charakteristikum des Handelsvertreters als Absatzhelfer liegt in seiner Motivation, selbständig einen möglichst dauerhaften Kundenstamm für das/die vertretene/n Unternehmen aufzubauen und zu pflegen. In den vergangenen Jahrzehnten zeichnete sich – namentlich durch das Vordringen eigenständiger Marketingkonzeptionen (Handelsvertretermarketing) – zunehmend eine emanzipatorische Entwicklung hin zu größerer unternehmerischer Autonomie ab. Ähnlich dem Handelsunternehmen kann die als Mehrfirmenvertretung tätige Handelsvertretung für ihre Kunden ein kleines Sortiment bilden, das jedoch, anders als beim typischen Handelssortiment, wegen des Konkurrenzverbots auf komplementäre Artikel von verschiedenen vertretenen Unternehmen begrenzt sein muss.
Einsatzbereiche
Handelsvertreter können beim Vertrieb sowohl von Konsum- als auch von Investitionsgütern eingeschaltet sein. Der unterschiedliche Tätigkeitsbereich der Handelsvertretungen kommt in den verschiedenen Kundenkreisen zum Ausdruck. Eine statistische Erhebung der Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb aus dem Jahr 2008 zeigte, dass die Hauptkunden der Handelsvertretungen in Deutschland sowohl im produzierenden Gewerbe (Industrie 47 %, Handwerk 19 %) als auch im Handel liegen. Rund 54 % der Handelsvertretungen nennen den Einzelhandel als Kunden, 52 % den Großhandel, 7 % entfallen auf die Gastronomie, fast 15 % auf öffentliche Institutionen. Nach den Ergebnissen der CDH-Statistik beläuft sich die Anzahl der von Handelsvertretungen vertretenen Firmen im Durchschnitt auf 6,0.
Die mit ihrem Engagement als Selbständigen verbundene hohe Arbeitsmotivation und ihre aus dem direkten Kundenkontakt resultierende genaue Marktkenntnis lassen sie als Vertriebsspezialisten wertvoll werden. Eine natürliche Grenze für den Einsatz von selbständigen Handelsvertretern kann jedoch auch bei hoher Beratungsintensität entstehen, die von einem einzelnen Mitarbeiter nicht mehr zu realisieren ist (vor allem im Investitionsgütervertrieb), weil umfangreiche technische, betriebswirtschaftliche und gegebenenfalls rechtliche Bedingungen in das Angebot einfließen, und die Verkaufsteams erforderlich macht. Diese Teams sind aus naheliegenden Gründen keine selbständigen Verkäufer. Auch wird kein Handelsvertreter eingesetzt, wenn es möglich ist, den Absatzmarkt auch über den Direktverkauf, beispielsweise per Mailorder, zu bedienen.
Der Handelsvertreter erbringt also in der Regel überschaubare Leistungen, die er selbständig am Markt platzieren kann. Ausnahmen sind große Handelsvertretungen in Form einer Kapitalgesellschaft mit eigenen fest angestellten oder selbständigen Untervertretern.
Rechtsfragen
Eine Eintragung in das Handelsregister ist für natürliche Personen als Handelsvertreter seit 2005 in Deutschland nicht mehr erforderlich. Ein Handelsvertreter ist auch nicht zwingend Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs; es genügt der Gewerbeschein – gleichgültig, ob es sich um eine haupt- oder nebenberufliche Tätigkeit handelt.
Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung
Der Handelsvertreter kann unter bestimmten Voraussetzungen trotz Selbständigkeit verpflichtet sein, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten (kein Arbeitgeberanteil). Das ist dann der Fall, wenn
- der Handelsvertreter im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit regelmäßig keinen weiteren versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 450 € im Monat übersteigt und
- der Handelsvertreter auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Unternehmer tätig ist.
Eine dauernde Tätigkeit für nur einen Arbeitgeber wird von den Rentenversicherungsträgern angenommen, wenn mindestens fünf Sechstel der Gesamteinkünfte des Handelsvertreters von einem Auftraggeber stammen. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Selbständige als arbeitnehmerähnliche Person eingestuft. Eine Scheinselbständigkeit scheidet bei Handelsvertretern kraft Gesetzes aus. Die Begriffe „arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit“ und „Scheinselbständigkeit“ wurden 1999 gesetzlich definiert.
Für Handelsvertretungen in Form eigenständiger juristischer Personen (Mietvertrieb im Callcenter-Segment, Vertriebsgesellschaften im Außendienst) besteht die Möglichkeit, die Rentenversicherungspflicht zu umgehen. Hier sind dann jedoch die einzelnen Mitarbeiter, zumeist wiederum Freischaffende im Status des Handelsvertreters, selbst für ihre Versicherung verantwortlich. Für Existenzgründer, die als arbeitnehmerähnliche Selbständige eingestuft wurden, ist es darüber hinaus möglich, sich für die ersten drei Jahre nach Existenzgründung von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen.
Handelsvertreter, die nicht als arbeitnehmerähnliche Selbständige eingestuft sind, sind in keinem Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig, können sich jedoch in allen Bereichen (auch in der gesetzlichen Unfallversicherung / Berufsgenossenschaft und der Arbeitslosenversicherung) freiwillig versichern.
Provision
Die übliche Vergütung des Handelsvertreters ist die Provision, die er für seine Tätigkeit mit einem bestimmten Prozentsatz des von ihm für den vertretenen Unternehmer vermittelten Umsatzes erhält. Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruchs gemäß § 87 Abs. 1 HGB ist, dass die Tätigkeit des Handelsvertreters zu einem Geschäftsabschluss zwischen vertretenem Unternehmer und Kunden geführt hat. Die Höhe des Provisionssatzes wird individuell ausgehandelt. Die vertraglich vereinbarte Provision der Handelsvertreter ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die Provisionshöhe hängt vor allem von der Branche und vom Wert der vermittelten Ware, ggf. auch von ihrer Position im Produktlebenszyklus ab. Je höher der Warenwert ist, desto geringer fällt der Provisionssatz aus, ggf. nur 5 % oder 7 %. Geringwertige Konsumgüter werden mit höheren Sätzen, ggf. bis zu 50 % provisioniert (z. B. Kosmetika oder Nahrungsergänzungsmittel).
Vertretungsbefugnisse
Die verschieden ausgestalteten Handlungsvollmachten der Handelsvertreter schlagen sich in einer einheitlichen Begriffsbestimmung für die Aufgabenbeschreibung eines Handelsvertreters nieder. Im Regelfall, wenn der Hersteller oder Importeur selbst vor Ort präsent ist, werden mittlere Kompetenz- und Verantwortungsvereinbarungen geschlossen. Die vielfältigen Möglichkeiten sind oft dem Unternehmer selbst nicht bekannt, so dass ein Zurückgreifen auf sogenannte Musterverträge höchst fahrlässig ist.
Abgrenzungen
Die zu den Absatzhelfern gehörenden Handelsvertreter, Handelsmakler und Kommissionäre unterscheiden sich erheblich voneinander. Handelsvertreter und Handelsmakler betreiben beide die Vermittlung von Geschäften, doch wird der Makler nicht ständig beauftragt und besitzt auch keine vertragliche Bindung an einen Auftraggeber. Der Handelsvertreter wird aufgrund eines Vertrages mit seinem Auftraggeber tätig, der Makler aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit seinem Kunden. Der Kommissionär übt bei seinen Geschäften eine indirekte Stellvertretung aus und verkauft die Produkte im eigenen Namen, der Handelsvertreter im fremden Namen. Der Kommissionär ist nicht an einen Unternehmer gebunden, während der Handelsvertreter einem Wettbewerbsverbot unterliegt. Vertragshändler und Franchisegeber handeln im eigenen Namen und für eigene Rechnung.