Bildungsurlaub
Bildungsurlaub ist eine besondere Form des Urlaubs, die der beruflichen oder politischen Weiterbildung dient. Er wird oft auch Bildungsfreistellung genannt, um den Eindruck eines Erholungsurlaubs zu vermeiden.
Im Übereinkommen Nr. 140 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über den bezahlten Bildungsurlaub vom 24. Juni 1974 hatte sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, einen bezahlten Bildungsurlaub zum Zwecke der Berufsbildung, der allgemeinen und politischen Bildung sowie der gewerkschaftlichen Bildung einzuführen. Da der Bund allerdings durch die Kulturhoheit der Länder keine Bildungshoheit hat, verabschiedeten die Bundesländer im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Landesgesetze, die Arbeitnehmern einen Anspruch auf die Gewährung von Bildungsurlaub geben.
Die westdeutschen Länder (außer Bayern) führten den Bildungsurlaub ab 1974 ein, zuerst Hamburg, bis in die 1990er Jahre die restlichen Bundesländer; nach der deutschen Einigung zogen die ostdeutschen Länder (außer Sachsen) nach. Gesetzliche Regelungen gibt es außerdem für Betriebsratsmitglieder nach dem Betriebsverfassungsgesetz von 1972 und für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes (Bund) aufgrund eines Rundschreibens zur Arbeitsbefreiung aus dem Jahr 1965, zuletzt geändert 1997.
Alle diese Landesgesetze gehen von einer bezahlten Freistellung von fünf Arbeitstagen pro Jahr aus (außer Saarland). Der Freistellungsanspruch ist in der Regel auf Themen der politischen und beruflichen Bildung beschränkt; im Gegensatz zur Frühzeit des Bildungsurlaubs liegt heute das Schwergewicht der Nutzung auf berufsnahen Angeboten. Die bildungspolitische Begründung dieser Regelungen besteht in der Auffassung, dass solche Veranstaltungen mobilisierend wirken könnten für das lebenslange Lernen.
Um die Kosten für Arbeitgeber zu begrenzen bzw. aufzufangen, gibt es für kleine und mittlere Unternehmen in Rheinland-Pfalz einen pauschalierten Erstattungsanspruch für die Lohnkosten (§ 8 Bildungsfreistellungsgesetz Rheinland-Pfalz). In Mecklenburg-Vorpommern gibt es einen pauschalierten Erstattungsanspruch in Höhe von 110 Euro pro Tag für politische Weiterbildung und der Qualifizierung für die Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten bzw. 55 Euro pro Tag für berufliche Weiterbildung. In Bayern und Sachsen gibt es keine Bildungsurlaubsgesetze.
Für Beamte ist die Thematik des Bildungsurlaubs in den Regelungen über den Sonderurlaub mitenthalten, etwa in § 9 der SonderurlaubsVO des Bundes bzw. den Parallelvorschriften der Länder.
Während in den 1980er Jahren Bildungsurlaub noch überwiegend durch die Teilnahme von Arbeitern geprägt wurde, sind Bildungsurlaube heute sehr heterogen mit Arbeitern und Angestellten besetzt. Der Anteil von Frauen ist noch immer gering, hat sich aber gesteigert.
Derzeit nehmen nur etwa ein bis zwei (in Bremen etwa drei) Prozent aller Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Bildungsurlaub wahr. Das ist auch eine Folge intensiver betrieblicher und rechtlicher Konflikte um dieses Recht; es wurde immer wieder bezweifelt, ob bei solchen Seminaren die Weiterbildung im Vordergrund stehe.