Das Europäische Parlament hat ein Gesetz gebilligt, wonach Sammelklagen ab 2023 in allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglich sein sollen.
Aus der Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 24.11.2020 ergibt sich:
Die europäische Sammelklage soll es Verbrauchern erleichtern, Schadensersatzansprüche gegen Großkonzerne durchzusetzen. Die neuen Regeln schaffen einheitliche Vorgaben für Sammelklagen in allen Mitgliedstaaten. So werden zum einen die Verbraucher vor Massenschäden geschützt. Zum anderen bieten die neuen Vorschriften angemessene Garantien, dass es nicht zu missbräuchlichen Klagen kommt.
Die neue Richtlinie tritt in einigen Wochen in Kraft, die 27 EU-Staaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, um ihre nationale Rechtslage entsprechend anzupassen, und weitere sechs Monate um sie anzuwenden.
Europaweit einheitliche Vorgaben für Sammelklagen
Mit den neuen Regeln sollen zum einen die Verbraucher vor Massenschäden geschützt werden. Zum anderen sollen sie angemessene Garantien bieten, dass es nicht zu missbräuchlichen Klagen kommt. Alle Mitgliedstaaten müssten mindestens eine wirksame Verfahrensform einführen, die es qualifizierten Einrichtungen (wie etwa Verbraucherschutzorganisationen oder öffentlichen Stellen) erlaubt, Klagen vor Gericht zu erheben, erläutert das Europäische Parlament. Ziel der Klagen sei es, die Unterlassung (Einstellung oder Verbot) der jeweiligen Praxis oder eine Entschädigung zu erwirken. Mit den neuen Vorschriften soll illegales Vorgehen unterbunden und Verbrauchern der Zugang zur Justiz erleichtert werden, damit der Binnenmarkt in diesem Bereich besser funktioniert.
Mehr Rechte für Verbraucher und Schutz für Händler
Nach dem europäischen Sammelklagenmodell dürfen nicht Anwaltskanzleien, sondern nur qualifizierte Einrichtungen wie Verbraucherschutzorganisationen Verbrauchergruppen vertreten und Klagen vor Gericht bringen. Damit sie länderübergreifende Klagen vor Gericht bringen können, müssen qualifizierte Einrichtungen EU-weit denselben Kriterien genügen. Sie müssen nachweisen, dass sie über ein gewisses Maß an Beständigkeit verfügen, im Dienste der Öffentlichkeit tätig sind und zudem gemeinnützig sind. Für innerstaatliche Klagen müssen die Einrichtungen die Kriterien erfüllen, die in den nationalen Gesetzen festgelegt sind.
Maßnahmen gegen missbräuchliche Klagen
Eingeführt werden auch strenge Schutzmaßnahmen gegen missbräuchliche Klagen – es greift nämlich das Verursacherprinzip: Die unterlegene Partei trägt die Verfahrenskosten der obsiegenden Partei. Um den Missbrauch dieser Sammelklagen zu verhindern, sollte Strafschadenersatz vermieden werden. Qualifizierte Einrichtungen sollten zudem Verfahren einführen, durch die Interessenkonflikte und externe Einflussnahme abgewendet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn sie von dritter Seite finanziert werden.
Auch bereits eingestellte Verstöße gegen Unionsrecht einklagbar
Sammelklagen können gegen Gewerbetreibende erhoben werden, die vermeintlich gegen Unionsrecht verstoßen haben – etwa beim Datenschutz oder in Bereichen wie Reisen und Tourismus, Finanzdienstleistungen, Energie und Telekommunikation. Die neue Richtlinie bezieht sich darüber hinaus auch auf Verstöße, die vor der Erhebung oder dem Abschluss der Sammelklage eingestellt wurden. Das liegt daran, dass die die entsprechende Praxis möglicherweise noch verboten werden muss, damit sich derlei Fälle nicht wiederholen können.
Nächste Schritte
Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben anschließend 24 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, und weitere sechs Monate, um sie anzuwenden. Die neuen Regeln gelten für Sammelklagen, die am oder nach dem Geltungsbeginn der Richtlinie erhoben werden.
Hintergrundinformationen
Die Richtlinie über repräsentative Maßnahmen wurde von der Europäischen Kommission im April 2018 vorgelegt und im Juni 2020 von den Verhandlungsführern des Europäischen Parlaments und den EU-Ministern angenommen. Der Gesetzentwurf ist Teil der Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher. Damit wird auf mehrere Skandale in jüngster Zeit reagiert, bei denen es um die Verletzung von Verbraucherrechten durch multinationale Unternehmen ging. In einigen Mitgliedstaaten können Verbraucher bereits Sammelklagen vor Gericht einreichen, aber erst jetzt wird dies in der gesamten EU möglich.