Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat mit Beschluss vom 19.11.2020 zum Aktenzeichen 8 B 2684/20.N entschieden, dass die Bestimmung über die Betriebsuntersagung für Fitnessstudios der aktuellen Hessischen Corona– Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung nicht außer Vollzug gesetzt wird.
Aus der Pressemitteilung des Hess. VGH Nr. 50/2020 vom 20.11.2020 ergibt sich:
Die Antragstellerin ist Betreiberin von über 400 Fitnessstudios im Bundesgebiet, darunter auch in Hanau gelegener Betriebsstätten. Sie muss aufgrund der Corona-Pandemie seit dem 02.11.2020 ihre Studios in Hessen geschlossen halten. Sie begehrte deshalb den Erlass einer einstweiligen Anordnung in einem Normenkontrolleilverfahren gegen die nachfolgend genannte Vorschrift der Hessischen Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung (CoKo- BeV) in der Fassung vom 06.11.2020:
„§ 2
Schließung und Betrieb von Einrichtungen, Sportbetrieb (1a) Bis zum Ablauf des 30. November 2020 sind der Betrieb von Einrichtungen und Angebote, welche schwerpunktmäßig der Unterhaltung oder Freizeitgestaltung dienen, für den Publikumsverkehr untersagt, insbesondere:
5. Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen,
(2) Bis zum Ablauf des 30. November 2020 ist der Freizeit- und Amateursport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, nur alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand gestattet. Der Trainings- und Wettkampfbetrieb des Spitzen- und Profisports sowie der Schulsport sind nur gestattet, sofern diesen ein umfassendes Hygienekonzept zugrunde liegt und die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Hygiene beachtet werden. Der Sportbetrieb ist ferner gestattet zur Vorbereitung auf und die Abnahme von Einstellungstest, Leistungsfeststellungen sowie anderen Prüfungen in Ausbildungen und Studiengängen, bei denen Sport wesentlicher Bestandteil ist. Zuschauer sind nicht gestattet.“
Die Antragstellerin hat ihren Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass durch eine solche Beschränkung des Verordnungsgebers in nicht zu rechtfertigender Weise in ihre Grundrechte eingegriffen werde. Die streitgegenständliche Verordnung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und § 28 IfSG sei auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar. Zudem seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt und die Betriebsschließung sei unverhältnismäßig.
Der VGH Kassel hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erweist sich die angegriffene Regelung aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder als offensichtlich rechtswidrig, noch erfordere eine Folgenabwägung die Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung. Der Verwaltungsgerichtshof halte weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, dass die im Infektionsschutzgesetz bisher enthaltene Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber hinreichend sei. Der Gesetzgeber habe mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG bewusst eine offene Generalklausel geschaffen und deutlich gemacht, dass danach auch weitreichende Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit in Betracht kommen könnten. Dies umfasse grundsätzlich auch die Schließung von Gewerbebetrieben mit Publikumsverkehr als mögliche Schutzmaßnahme.
Die Schließung von Fitnessstudios als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin erweise sich voraussichtlich als verhältnismäßig und verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Fitnessstudios böten Kontaktmöglichkeiten sowohl für wechselnde Nutzer untereinander als auch mit dessen Personal. Dabei handele es sich in der Mehrzahl um Kontakte, die ohne den Betrieb des Fitnessstudios nicht zu Stande kämen. Aufgrund der verschiedenen Angebote, die in Fitnessstudios typischer Weise zusätzlich zum reinen Gerätetraining bestünden (z.B. Sauna, Wellness, Kursangebote, Nahrungs- oder Nahrungsergänzungsmittelverkäufe, Verkauf von Getränken usw.) zeichne sich die Mehrzahl der Kontakte zudem durch eine lange Verweildauer aus, da zur sportlichen Betätigung noch die Nutzung der übrigen Angebote eines Fitnessstudios hinzutrete. Im Gegensatz zu Sportstätten, die auf die Gelegenheit zur Sportausübung reduziert seien, wiesen Fitnessstudios als eine der Freizeitgestaltung dienende Einrichtung ein höheres Infektionspotential als Sportstätten auf. Zwischen Fitnessstudios einerseits und öffentlichen oder privaten Sportanlagen andererseits bestünden deshalb Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung durch den Verordnungsgeber rechtfertigten. Diese Ungleichbehandlung halte sich überdies in einem angemessenen Rahmen, denn sie werde durch finanzielle staatliche Hilfen zumindest gemildert. Auch habe es die Antragstellerin in der Hand, die finanziellen Auswirkungen der Schließung ihrer Studios in Hessen durch Angebote des „Personal Training“ oder von Onlinekursen einzugrenzen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.