Der Bundesgerichtshof hat am 29.10.2020 zum Aktenzeichen StB 38/20 die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen die Aufhebung eines Haftbefehls im Verfahren betreffend die Ermordung des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke verworfen.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 141/2020 vom 18.11.2020 ergibt sich:
Der Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss getötet worden. Wegen des Vorwurfs, dem Mitangeklagten Stephan E. Beihilfe zum Mord geleistet zu haben, war Markus H. am 26.06.2019 festgenommen worden und befand sich seitdem in Untersuchungshaft.
Das OLG Frankfurt hatte den Haftbefehl gegen den wegen Beihilfe zum Mord an Dr. Walter Lübcke Angeklagten aufgehoben. Das Oberlandesgericht begründet die Aufhebung des Haftbefehls mit dem bisherigen Ergebnis der seit dem 16.6.2020 durchgeführten Hauptverhandlung. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass Markus H. nicht mehr dringend verdächtig sei, sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht zu haben. Beihilfe setze in subjektiver Hinsicht voraus, dass Markus H. eine Tötung von Dr. Lübcke durch Stephan E. zumindest für möglich gehalten habe. Dies sei nicht mehr in hohem Maße wahrscheinlich. Der Haftbefehl sei auch nicht dahin abzuändern, dass Markus H. nunmehr der Mittäterschaft an der Tötung des Dr. Lübcke dringend verdächtig sei. Die entsprechende Einlassung des Mitangeklagten Stephan E. in der Hauptverhandlung sei nicht glaubhaft. Dies folge vor allem daraus, dass Stephan E. während des Ermittlungsverfahrens zwei verschiedene Versionen des Tatgeschehens geschildert und in der Hauptverhandlung eine weitere Variante beschrieben habe. Dabei habe er die Beteiligung von Markus H. jeweils völlig unterschiedlich geschildert. Die Aussagekonstanz fehle auch innerhalb der Einlassung in der Hauptverhandlung. So habe sich Stephan E. zum gemeinsamen Tatplan wechselhaft eingelassen, in einigen Punkten seien die Einlassungen widersprüchlich. Die Einlassung des Angeklagten E. sei überdies äußerst detailarm geblieben; dieser sei nicht dazu in der Lage gewesen, seine Schilderungen auf Nachfragen unter Beschreibung weiterer Details stimmig zu erweitern.
Zwar sei der Angeklagte Markus H. weiterhin dringend verdächtig, an einer nicht schussfähigen Maschinenpistole ein Griffstück befestigt zu haben, für das er nicht über die erforderliche Erlaubnis verfügte. Die Straferwartung wegen des dadurch wahrscheinlich verwirklichten Waffendelikts sei jedoch so gering, dass nach einer Untersuchungshaft von einem Jahr und drei Monaten die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft zu der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Strafe außer Verhältnis stehe.
Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts wandte sich der Generalbundesanwalt mit dem Rechtsmittel der Beschwerde.
Der BGH hat die Beschwerde verworfen.
Nach Auffassung des BGH hat das zur Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise in erster Linie berufene Oberlandesgericht in ausreichendem Maße dargetan, warum der dringende Tatverdacht der Beihilfe zum Mord nach dem Ergebnis der bisherigen Hauptverhandlung nicht mehr besteht.