Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz hat mit Beschluss vom 29.10.2020 zum Aktenzeichen 2 B 11161/20.OVG entgegen der Auffassung des BVerwG entschieden, dass eine amtsärztliche Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten nicht nur im Rahmen des Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung inzident gerichtlich überprüft werden kann, sondern auch isoliert angreifbar ist.
Aus der Pressemitteilung des OVG Koblenz Nr. 28/2020 vom 18.11.2020 ergibt sich:
Ein Polizeibeamter des Landes Rheinland-Pfalz wurde bei einer nächtlichen Polizeikontrolle angetroffen, als er mit seinem Wagen im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit unterwegs war. Die Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,79 Promille; zudem wurden Benzodiazepine in seinem Blut festgestellt. Nach einer Untersuchung durch den polizeiärztlichen Dienst ordnete das Land gegenüber dem Polizeibeamten eine amtsärztliche fachpsychiatrische Untersuchung an. Hiergegen erhob der Beamte Widerspruch und beantragte beim VG Koblenz, ihn von der angeordneten Untersuchung vorläufig freizustellen.
Das Verwaltungsgericht hatte den Eilantrag als unzulässig abgelehnt, weil die Untersuchungsanordnung nicht isoliert angreifbar sei.
Das OVG Koblenz hat auf die Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufgehoben und dem Eilantrag stattgegeben.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist der Eilantrag zulässig. Entgegen der Auffassung des BVerwG, der die Vorinstanz gefolgt sei, stehe der Zulässigkeit des Eilantrages gegen die amtsärztliche Untersuchungsanordnung nicht die Regelung des § 44a Satz 1 VwGO entgegen, wonach Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen nicht isoliert, sondern nur mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der Untersuchungsanordnung um eine Verfahrenshandlung handele. Jedenfalls greife vorliegend die Ausnahmeregelung des Satzes 2 des § 44a VwGO, wonach Verfahrenshandlungen, die vollstreckt werden können, isoliert angreifbar seien. Bei derartigen Verfahrenshandlungen wäre der Ausschluss einer isolierten Anfechtung mit der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie nicht in Einklang zu bringen, weil bis zur Sachentscheidung bereits der Eintritt eines irreparablen Zustandes drohe. Dabei umfasse der Begriff der vollstreckbaren Verfahrenshandlungen auch solche, die zwar nicht mit Zwangsmitteln vollstreckbar seien, aber mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden könnten. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass es dem Betroffenen nicht zuzumuten sei, eine streitige Frage in ein Straf- oder Bußgeldverfahren hineinzutragen, um sie dort erstmals einer gerichtlichen Klärung zuzuführen, d.h. die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „auf der Anklagebank“ erleben zu müssen. Gleiches müsse für das Disziplinarverfahren gelten, in dessen Rahmen Sanktionen möglich seien, die in ihrer Wirkung einem Bußgeld oder einer Strafe nahekommen.
Der Eilantrag habe auch in der Sache Erfolg. Die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung, sich einer fachpsychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, genüge nicht den rechtlichen Anforderungen, insbesondere nicht dem stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Trunkenheitsfahrt rechtfertige nicht die angeordnete Untersuchung. Mangels weiterer Tatsachen für eine Alkoholsucht sei die Untersuchung nicht erforderlich. Als milderes Mittel könnten z.B. zunächst unangekündigte Alkoholtests zu Beginn und während des Dienstes durchgeführt werden. Der Konsum des Beruhigungsmittels Diazepam könne gleichfalls die angeordnete Untersuchung nicht rechtfertigen, da das Medikament ärztlich verordnet worden sei.