Der Europäische Gerichtshof hat am 18.11.2020 zum Aktenzeichen C-371/19 sein Urteil zu der Frage verkündet, ob Deutschland dadurch gegen unionsrechtliche Richtlinien verstoßen hat, dass es sich systematisch geweigert hat, in einem Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer fehlende Angaben nachzufordern und stattdessen den Erstattungsantrag unmittelbar abgewiesen hat, wenn solche Angaben nur noch nach der Ausschlussfrist des 30. September nachgereicht werden konnten.
Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 18.11.2020 ergibt sich:
Der EuGH hat der Klage der Europäischen Kommission im Wesentlichen stattgegeben.
Nach Auffassung des EuGH hat Deutschland unter Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer und die praktische Wirksamkeit des Anspruchs der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen auf Erstattung der Mehrwertsteuer dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 170 und 171 der RL 2006/112/EG sowie aus Art. 5 der RL 2008/9/EG zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige verstoßen, dass es die Anträge auf Erstattung der Mehrwertsteuer abgelehnt hat, die vor dem 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahrs gestellt wurden, denen aber nicht die Kopien der Rechnungen oder der Einfuhrdokumente, die gemäß Art. 10 der RL 2008/9 von den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung verlangt werden, beigefügt sind, ohne die Antragsteller zuvor aufzufordern, ihre Anträge durch die – erforderlichenfalls nach diesem Zeitpunkt erfolgende – Vorlage dieser Kopien zu ergänzen oder sachdienliche Informationen vorzulegen, die die Bearbeitung dieser Anträge ermöglichen.
Im Übrigen sei die Klage der Kommission insoweit abzuweisen, als diese auch einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend gemacht habe. Die Kommission habe nicht bestritten, dass die Empfangsbestätigung, die dem Steuerpflichtigen von der zuständigen nationalen Behörde übermittelt werde, wenn er einen Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer gestellt habe, einen Hinweis auf die Pflicht enthalte, die erforderlichen Belege vorzulegen.
Unter diesen Voraussetzungen könne nicht angenommen werden, dass eine solche Empfangsbestätigung dem Steuerpflichtigen die Gewissheit geben könne, dass sein Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer von der zuständigen nationalen Behörde bearbeitet werde, obwohl er die erforderlichen Informationen und Belege nicht vorgelegt habe.
Darüber hinaus gehe aus dem Vorbringen der Kommission nicht hervor, dass die zuständige nationale Behörde insoweit ihre Verwaltungspraxis zum Nachteil der Steuerpflichtigen geändert hätte, indem sie ihnen rückwirkend ihren Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer genommen hätte.