Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 10.11.2020 zum Aktenzeichen 13 MN 409/20 entschieden, dass die coronabedingten Schließung von Betrieben der körpernahen Dienstleistungen wie Kosmetik-, Nagel- und Tattoo-Studios nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt wird.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 58/2020 vom 10.11.2020 ergibt sich:
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30.10.2020 sind mit Wirkung vom 02.11.2020 Betriebe der körpernahen Dienstleistungen und der Körperpflege für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen. Gegen diese grundsätzliche Schließung hatten sich mehrere Betreiber niedersächsischer Nagel-, Piercing-, Kosmetik- und Tattoo-Studios mit Normenkontrolleilanträgen gewandt und geltend gemacht, dass die Schließung infektionsschutzrechtlich nicht notwendig sei und den allgemeinen Gleichheitssatz verletze.
Das OVG Lüneburg hat diese Anträge abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist derzeit offen, ob § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in einem Hauptsacheverfahren für rechtmäßig oder für unwirksam zu erklären sei. Mit Blick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines weiteren Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens ergebe die Folgenabwägung, dass der durch die Schließungsanordnung bewirkte Eingriff gegenwärtig hinzunehmen sei. Das Oberverwaltungsgericht ist wie in den vorhergehenden Verfahren zur aktuellen Niedersächsischen Corona-Verordnung zu der Überzeugung gelangt, dass die Verordnungsregelung auf einer tragfähigen und dem Parlamentsvorbehalt genügenden Rechtsgrundlage beruht. Auch habe der Antragsgegner den vollzogenen Strategiewechsel weg von bisherigen bloßen Betriebsbeschränkungen hin zu weitreichenden Betriebsschließungen und ergänzenden Betriebsbeschränkungen für erforderlich erachten dürfen. Gegenüber der Betriebsschließung mildere Mittel seien nicht auszumachen.
Das Oberverwaltungsgericht vermochte im Eilverfahren nicht abschließend zu beurteilen, ob die Verordnungsregelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren sei. Die Betriebsschließungen beruhten jedenfalls auf der nicht sachfremden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden müsse. Diese Verhinderung könne neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen erreicht werden.
Das OVG Lüneburg hat auch die Privilegierung von Friseurdienstleistungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Buchst. b der Verordnung) nicht als evident unsachlich angesehen. Diese dienten – anders als Tattoo- und Kosmetikstudios – schwerpunktmäßig der Grundversorgung der Bevölkerung mit Körperhygiene im weitesten Sinne. In der Bevölkerung bestehe ein in kürzeren Zeitabständen wiederkehrender und einen großen Personenkreis betreffender Bedarf an Friseurdienstleistungen. Insofern bestehe ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Dienstleistung, wohingegen der Verordnungsgeber einen gleichwertigen Grundbedarf der Bevölkerung bezogen auf andere körpernahe Dienstleistungen nicht annehmen musste, ohne damit die Grenzen der Willkür zu überschreiten.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar.