Der Bayerische Verfassungsgerichtshof in München hat am 09.11.2020 zum Aktenzeichen Vf. 98-IVa-20 entschieden, dass die Ablehnung des Vorschlags der AfD-Fraktion, eine bestimmte Person als Experten für die Anhörung im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten des Bayerischen Landtags zur Seenotrettung im Mittelmeer zu benennen, verfassungsmäßige Rechte der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag nicht verletzt.
Aus der Pressemitteilung des Bay. VerfGH vom 10.11.2020 ergibt sich:
Der VerfGH München hatte über einen Antrag auf einstweilige Anordnung zwischen einem Abgeordneten sowie der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag (Antragsteller) und dem Bayerischen Landtag sowie dessen Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten (Antragsgegner) über die Frage zu entscheiden, ob die Ablehnung des Vorschlags der AfD-Fraktion, Herrn P. S. als Experten für die Anhörung im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten des Bayerischen Landtags zur Seenotrettung im Mittelmeer zu benennen, verfassungsmäßige Rechte der Antragsteller verletzt. Gegenstand des Verfahrens ist die Auswahl von Experten für eine Anhörung zur Seenotrettung im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten des Bayerischen Landtags am 10.11.2020. Nach § 173 Abs. 3 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag benennen die Fraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis die anzuhörenden Personen, wobei jede Fraktion mindestens eine Person benennen kann. Die Ausschussmehrheit hat es jedoch abgelehnt, die von der AfD-Fraktion benannte Person einzuladen. Zuvor hatte der Ausschussvorsitzende darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Person Vorsitzender eines Vereins sei, welchen das Bundesamt für Verfassungsschutz seit Juni 2020 als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus einstufe. Die Antragsteller sind der Auffassung, ihre parlamentarischen Rechte als Opposition (Art. 16a Abs. 2 Bayerische Verfassung – BV) seien verletzt. Die Auswahl und Benennung von Experten obliege ausschließlich den Fraktionen. Eine Zustimmung des Ausschusses oder des Ausschussvorsitzenden oder eine Wahl des Experten sei in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Eine angebliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz könne keinen Grund darstellen, einen Experten auszuschließen.
Der Präsident des VerfGH München hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes hat ein – gegebenenfalls noch zu erhebender – Hauptsacheantrag nicht offensichtlich Aussicht auf Erfolg. Die Vorgehensweise der Ausschussmehrheit verletze jedenfalls nicht offenkundig Minderheitenrechte der Antragsteller. Eine Verletzung des § 173 Abs. 3 BayLTGeschO könnte allenfalls zu einem Erfolg eines Antrags im Organstreitverfahren führen, wenn dadurch zugleich ein Recht aus der Bayerischen Verfassung verletzt würde. Die Antragsteller rügen eine Verletzung des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 BV, wonach die Fraktionen und die Mitglieder des Landtags, welche die Staatsregierung nicht stützen, das Recht auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten in Parlament und Öffentlichkeit haben. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch bereits festgestellt, dass es sich bei § 173 BayLTGeschO nicht um eine Konkretisierung von Verfassungsrecht handelt.
Auch im Hinblick auf die formale Gleichheit der Abgeordneten erscheine es nicht ausgeschlossen, dass ein Ausschuss eine von einer Fraktion vorgeschlagene Person mit einer sachbezogenen Begründung ablehnen könne. Dies gelte insbesondere, wenn diese einem Verein vorsteht, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft werde, um dieser Person kein Forum für etwaige extremistische Äußerungen in einem Landtagsausschuss zu bieten.
Aus der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ergäben sich daher gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass ein Antrag in der Hauptsache erfolglos bleiben würde. Doch selbst wenn man zugunsten der Antragsteller von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgehen würde, hätte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Bei der dann gebotenen Folgenabwägung überwiegen die gegen den Erlass einer solchen Anordnung sprechenden Gründe.