Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 09.11.2020 zu den Aktenzeichen 1 B 339/20 und 1 B 342/20 in einem Eilverfahren entschieden, dass Fitnessstudios und Prostitutionsstätten in Bremen aufgrund der Corona-Pandemie weiterhin geschlossen bleiben müssen.
Aus der Pressemitteilung des OVG Bremen vom 09.11.2020 ergibt sich:
Betreiberinnen eines Fitnessstudios und eines Prostitutionsbetriebes stellten Eilanträge gegen die in der Neunzehnten Coronaverordnung geregelten Gebote, Fitnessstudios und Prostitutionsstätten bis zum 30.11.2020 zu schließen. Die Antragstellerinnen machten im Wesentlichen geltend, für die Schließungsanordnungen fehle es bereits an einer tragfähigen Rechtsgrundlage. Im Übrigen seien sie auch unverhältnismäßig. Fitnessstudios seien für den Anstieg der lokalen Inzidenzwerte nicht verantwortlich.
Das OVG Bremen hat die Eilanträge abgelehnt.
Nach Auffassung des OVG Bremen besteht für die angegriffene Verordnung mit § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage, die auch zu Betriebsschließungen ermächtigt. Die Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, die als offene Generalklausel ausgestaltet sei, genüge insbesondere derzeit noch dem Parlamentsvorbehalt, also dem Gebot, dass grundlegende Entscheidungen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen. Es spreche zwar einiges dafür, dass der Bundestag die Möglichkeit flächendeckender Betriebsuntersagungen selbst regeln müsse. In der Rechtsprechung sei allerdings anerkannt, dass es im Rahmen unvorhergesehener Entwicklungen aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten sein könne, nicht hinnehmbare gravierende Regelungslücken jedenfalls für einen Übergangszeitraum insbesondere auf der Grundlage von Generalklauseln zu schließen. Bei dem vorliegenden Pandemiefall handele es sich um ein so außergewöhnliches und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispielloses Ereignis, dass der Bundesgesetzgeber jedenfalls bisher noch keine speziellere Ermächtigung vorsehen müsse.
Die mit der Neunzehnten Coronaverordnung angeordnete Schließung von Fitnessstudios und Prostitutionsstätten sei auch rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig. Damit werde der legitime Zweck verfolgt, die exponentiell angestiegene Ausbreitungsgeschwindigkeit der Krankheit Covid-19 zu verringern und damit Leib und Leben jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt sowie die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitssystems zu schützen. Zur Erreichung dieses Zwecks sei es ein geeignetes Mittel, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes u.a. sowohl die Ansammlung körperlich trainierender Personen in Fitnessstudios als auch die bei Führung eines Bordells unausweichlichen und gerade gewollten engen körperlichen Kontakte zu verhindern. Die Annahme der Antragstellerinnen, weder Fitnessstudios noch Bordelle seien Treiber der Infektion, greife nicht durch. Mittlerweile könnten 75% bis 95% der Infektionen nicht mehr nachvollzogen werden.
Weder die von den Antragstellerinnen formulierten Schutz- und Hygienemaßnahmen noch eine Einschränkung des Leistungsangebots seien für die Infektionseindämmung gleich geeignet, denn es sei gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass es auch in den Betrieben der Antragstellerinnen zu Virusübertragungen komme. Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet, sich mit ihrem Einschreiten auf Risikogruppen zu beschränken. Es unterfalle vielmehr ihrer Einschätzungsprärogative, dass sie die als insgesamt hoch eingeschätzte Gefährdung für die Gesundheit der gesamten Bevölkerung in den Blick nehme, insbesondere weil wissenschaftlich derzeit nicht geklärt sei, ob und ggf. wie ein Schutz der vielfältigen und durchaus zahlreichen Risikogruppen im Einzelnen bewerkstelligt werden könne.
Schließlich greife das Betriebsverbot für Fitnessstudios und Prostitutionsstätten, das Individual- und Gemeinschaftsgütern von höchstem verfassungsrechtlichen Rang diene, nicht unverhältnismäßig in das Grundrecht auf freie Berufsausübung ein. Das Verbot sei bis zum 30.11.2020 befristet und unterliege der fortlaufenden Evaluationspflicht des Verordnungsgebers. Der Eingriff werde dadurch gemildert, dass den Betroffenen umfangreiche Ausgleichszahlungen in Aussicht gestellt worden seien. Die unterschiedliche Behandlung von Fitnessstudios und Prostitutionsstätten einerseits und den weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen andererseits sei sachlich gerechtfertigt angesichts der Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen epidemiologischen Rahmenbedingungen, der zu berücksichtigenden Bedürfnisse größerer Teile der Bevölkerung sowie der wirtschaftlichen und psychologischen Auswirkungen der Verbote in unterschiedlichen Bereichen. Dabei sei das Konzept, die Bereiche Bildung und Erwerbsleben, soweit es nicht den Freizeitbereich betreffe, offen zu halten und hinsichtlich der Einschränkungen an das Freizeitverhalten anzuknüpfen, nicht zu beanstanden.