Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 09.11.2020 zum Aktenzeichen 4 L 465/20.KO in einem von Rechtsanwalt Dipl.Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass die Anfertigung einer Aktenkopie einer Behördenakte aus 84 Seiten durch einen Rechtsanwalt nicht zum Erstattungsanspruch durch den Gegner führt und zwar auch dann nicht, wenn eine sehr kurze Rückgabefrist gesetzt wurde und nur so geprüft werden kann, welche eigene Schreiben des Rechtsanwalts in der Behördenakte enthalten sind und welche nicht.
Die Urkundsbeamtin geht zu Recht davon aus, dass Auslagen für die Anfertigung von 31 Kopien aus der 84 Seiten umfassenden Behördenakte in Höhe von insgesamt (31 * 0,50 € =)15,50 € erstattungsfähig sind. Die Erinnerungsführerin kann nicht mit ihrer Ansicht durchdringen, die Kosten für die Ablichtung der gesamten Behördenakte seien erstattungsfähig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Begründung des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 9. September 2020 und des Teilabhilfebeschlusses vom 2. Oktober 2020.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S. von § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind. Für das Anwaltskostenrecht gilt der das gesamte Kostenrecht beherrschende Grundsatz, dass die Kosten so niedrig wie möglich zu halten sind (vgl. OVG RP, Beschluss vom 29. September 2009 – 1 C 10970/08 –, juris). Die Auslagen eines Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, soweit sie für die Bearbeitung eines konkreten Mandats anfallen und daher nicht als allgemeine Geschäftskosten mit den Gebühren abgegolten sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG – i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses – VV). Ein gesonderter Ansatz ist nach VV 7000 Ziffer 1a) zulässig für Kopien und Ausdrucke aus Behörden und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Rechtsanwalts, sondern nach der allgemeinen Verkehrsanschauung im Prozessrechtsverkehr. Dabei ist jedoch die Eigenverantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten für die Prozessführung zu berücksichtigen; eine kleinliche Handhabung bei der erforderlichen Glaubhaftmachung der Entstehung der Kosten und ihre Notwendigkeit ist im Hinblick auf die Entwicklung des gegenwärtigen Rechtsverkehrs zu vermeiden (OVG RP, a.a.O. m.w.N.).
Da sich ein Rechtsanwalt im Rahmen des Verständigen auf alle Eventualitäten der Rechtssache vorbereiten muss, steht ihm deshalb bei der Entscheidung, welche Teile der Verwaltungsakten er ablichtet oder ablichten lässt, ein Ermessensspielraum zu. Damit das kostenfestsetzende Gericht und ebenfalls der Kostenschuldner überprüfen können, ob der Prozessbevollmächtigte das ihm über Nr. 7000 Ziffer 1a) VV RVG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, ist erforderlich, dass der Prozessbevollmächtigte darlegt, dass und warum die gefertigten Ablichtungen aus seiner Sicht geboten waren (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 8. November 2016 – L 15 SF 256/14 E –, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. März 2013 – 1 K 4489/11 –, juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Erinnerungsführerin nicht nachvollziehbar dargelegt, warum das Kopieren der gesamten Akte erforderlich gewesen ist. Bei 53 Seiten der Akte handelt es sich um Unterlagen, welche ihrem Prozessbevollmächtigten nach dem plausiblen und von der Erinnerungsführerin nicht bestrittenen Vortrag des Erinnerungsgegners bereits vorgelegen haben. Die Ablichtung solcher Schriftstücke, die sich bereits in der Handakte des Prozessbevollmächtigten oder im Besitz seines Mandanten befinden und ihm jederzeit zugänglich gemacht werden können, ist zur sachgemäßen Bearbeitung des Rechtsstreits regelmäßig nicht geboten (vgl. VG Gelsenkirchen, a.a.O.; LSG SchleswigHolstein, Beschluss vom 23. Mai 2016 – L 5 SF 12/14 E –, juris). Die Angabe des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin, vorliegend sei eine Kopie der gesamten Akte geboten gewesen, um einen Abgleich vornehmen zu können, welche Dokumente in der Verwaltungsakte fehlten, ein Abgleich mit der Originalakte sei nicht möglich gewesen, da er diese wegen der Postlaufzeiten unmittelbar habe zurücksenden müssen, genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Ausnahmefalls. Angesichts des eher geringen Gesamtumfangs der Verwaltungsakte wäre es auch in kurzer Frist möglich und im Hinblick auf das Gebot der sparsamen Prozessführung geboten gewesen, die Akte vorab zu sichten und mit den beim Prozessbevollmächtigen vorhandenen Dokumenten abzugleichen (vgl. hierzu auch VG Kassel, Beschluss vom 20. Januar 2020 – 6 K 2849/16.KS.A –, juris). Erforderlichenfalls hätte unter Verweis auf das späte Eintreffen der Verwaltungsakte auch eine Fristverlängerung zur Akteneinsicht beantragt werden können. Andernfalls müsste eine Auswahl der zu kopierenden Dokumente überhaupt nicht erfolgen. Dies entspricht nicht dem im Kostenrecht geltenden Gebot, die Ersatzpflicht Dritter möglichst gering zu halten.
Soweit die Erinnerungsführerin darauf verweist, es seien nach der Rechtsprechung (LSG Bayern, Beschluss vom 8. November 2016 – L 15 SF 256/14 E, BeckRS 2016, 74254; VG Würzburg Beschl. v. 4.5.2012 – W 6 M 12.30074, BeckRS 2012, 50786) jedenfalls Kopierkosten für 50 % der Akte erstattungsfähig, kann sie hiermit ebenfalls nicht durchdringen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Gericht, wenn nicht plausibel dargelegt wird, warum die Ablichtung der gesamten Akte erforderlich war, nicht verpflichtet, zu ermitteln, in welchem Umfang die Akte kopierwürdig war. Es könne dann im Wege einer pauschalen Bestimmung die Hälfte der geltend gemachten Kopien angesetzt werden. Liegt jedoch, wie hier, eine plausible, nicht bestrittene Auflistung der nicht erstattungsfähigen Seiten durch andere Verfahrensbeteiligte vor, kann diese zu Grunde gelegt werden. Für eine Pauschalierung besteht dann kein Bedarf.