Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am 29.10.2020 zum Aktenzeichen 3 K 11279/18 entschieden, dass die Anforderungen in Baden-Württemberg zur Anerkennung einer in Spanien und im Vereinigten Königreich erworbenen Lehrbefähigung zur Ausübung des Lehrerberufs an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg rechtswidrig sind.
Aus der Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 29.10.2020 ergibt sich:
Die Klägerin, eine spanische Staatsangehörige, die in Baden-Württemberg lebt, hatte in Spanien ein Studium der Biologie abgeschlossen und die Lehrbefähigung erworben. Nach einem ebenfalls abgeschlossenen Aufbaustudium in den Fächern Chemie sowie Spanisch im Vereinigten Königreich wurde ihr auch hierfür die Lehrbefähigung verliehen. Die Klägerin war daraufhin im Vereinigten Königreich mehrere Jahre lang als Lehrerin u.a. in den Fächern Biologie sowie Chemie tätig. Beim landesweit zuständigen Regierungspräsidium Tübingen beantragte die Klägerin die Anerkennung ihrer Lehrbefähigungen für die Fächer Chemie und Spanisch sowie Biologie. In einem ersten Bescheid erkannte das Regierungspräsidium alleine die Lehrbefähigung im Fach Biologie dem Grunde nach an, machte die uneingeschränkte Anerkennung jedoch von einer Nachqualifizierung abhängig. Die Klage der Klägerin gegen diesen Bescheid hatte teilweise Erfolg. Mit Urteil vom 25.05.2018 (3 K 3722/17) verpflichtete das VG Karlsruhe das beklagte Land, auch die im Vereinigten Königreich anerkannte Lehrbefähigung für die Fächer Chemie und Spanisch dem Grunde nach anzuerkennen. Das Urteil ließ der Behörde aber die Möglichkeit, Ausgleichsmaßnahmen festzulegen, soweit bei der Klägerin wesentliche fachwissenschaftliche Defizite aufgrund der Unterschiede ihrer Ausbildung gegenüber der Ausbildung in Baden-Württemberg bestehen.
In dem im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Bescheid hat das Regierungspräsidium daraufhin auch die Lehrbefähigung der Klägerin für die Fächer Chemie und Spanisch dem Grunde nach anerkannt. Wegen Unterschieden in den Studieninhalten verlangte das Regierungspräsidium von der Klägerin für die vollständige Anerkennung eine Ausgleichsmaßnahme in Form einer Eignungsprüfung oder der Teilnahme an einem Anpassungslehrgang. Der Anpassungslehrgang sollte in einem Nachstudium in den Fächern Chemie und Spanisch bestehen, in denen die Klägerin jeweils eine unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Ausbildung bestimmte Anzahl von Leistungspunkten erzielen sollte. Die Klägerin hat auch gegen diesen Bescheid Klage erhoben.
Das VG Karlsruhe hat das beklagte Land Baden-Württemberg verpflichtet, über die Ausgleichsmaßnahmen in einem weiteren Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die zur Wahl gestellten Ausgleichsmaßnahmen ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig. Die einschlägigen europarechtlichen Vorgaben sowie die hierauf beruhende Rechtsverordnung des Landes erlaubten zwar, die von der Klägerin angestrebte uneingeschränkte Anerkennung einer in der EU erworbenen Lehrbefähigung u.a. bei bestehenden fachwissenschaftlichen Defiziten gegenüber der Ausbildung in Baden-Württemberg von Ausgleichsmaßnahmen abhängig zu machen. Hierfür sei der Klägerin zur Wahl zu stellen, ob sie einen Anpassungslehrgang durchlaufen oder eine Eignungsprüfung ablegen wolle. Die rechtlichen Vorgaben verlangten hierfür aber weiter eine Feststellung der wesentlichen Defizite in den jeweiligen Lehrinhalten sowie ein Verzeichnis der fehlenden Sachgebiete im Vergleich zur Ausbildung in Baden-Württemberg. Ferner müsse begründet werden, warum das jeweilige Defizit nicht ganz oder zumindest teilweise durch den Nachweis einschlägiger Berufserfahrung ausgeglichen werden könne. Auch müssten vom Regierungspräsidium die konkrete Dauer und wesentlichen Inhalte des Anpassungslehrgangs sowie die Prüfungsgegenstände der Eignungsprüfung benannt werden. Die Entscheidung über Dauer und Inhalt des Anpassungslehrgangs dürfe auch nicht an die Universitäten delegiert werden. Diesen Anforderungen genüge der streitgegenständliche Bescheid nicht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim VGH Mannheim die Zulassung der Berufung zu beantragen.