Das Verwaltungsgericht Neustadt hat am 28.10.2020 zum Aktenzeichen 5 K 374/17.NW entschieden, dass ein Windkraftbetreiber, der im Außenbereich von Neustadt zwei Windenergieanlagen errichten möchte, einen Anspruch darauf hat, dass die beklagte Stadt Neustadt an der Weinstraße über seinen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung neu entscheidet.
Aus der Pressemitteilung des VG Neustadt Nr. 23/2020 vom 28.10.2020 ergibt sich:
Der Windkraftbetreiber beantragte im Januar 2016 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von 212 m auf zwei vertraglich gesicherten Grundstücken in einer Entfernung von ca. 300 bzw. 370 m zu einem Europäischen Vogelschutzgebiet und nahe des Naturschutzgebiets „Mußbacher Baggerweiher“. Die beiden zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen befinden sich außerhalb der Konzentrationszone, die nach dem Flächennutzungsplan der Beklagten aus dem Jahre 2005 südlich der Bundesautobahn 65 vorgesehen ist. Im Mai 2019 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, aufgrund der Wirkungen einer zuvor erlassenen Veränderungssperre sei das Vorhaben nicht genehmigungsfähig. Dagegen legte die Klägerin in der Folgezeit Widerspruch ein. Nach Auslaufen der Veränderungssperre wies die Beklagte die Klägerin im September 2019 darauf hin, dass dem Vorhaben Vorschriften des Europäischen Gebietsschutzrechts und Artenschutzrechts entgegenstünden. So sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets durch den Verlust von Brutrevieren des Wiedehopfs zu erwarten. Der Klägerin werde Gelegenheit gegeben, geeignete Unterlagen vorzulegen, um unter Umständen eine Ausnahmeentscheidung treffen zu können. Die Klägerin hatte bereits vorher Untätigkeitsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass das Vorhaben genehmigungsfähig sei. Im Umkreis von 1.000 m der beiden Windenergieanlagen gebe es kein regelmäßiges Brutvorkommen des Wiedehopfs, so dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets von vornherein ausgeschlossen werden könne. Sie begehre, da der Antrag noch nicht umfassend geprüft worden sei, die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrags.
Das VG Neustadt hat der Klage stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung des Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung der beiden begehrten zwei Windenergieanlagen in der Gemarkung Mußbach unter Anwendung der Grundsätze über das steckengebliebene Genehmigungsverfahren. Dem Vorhaben könne zunächst nicht entgegengehalten werden, dass die beiden Windenergieanlagen außerhalb der Konzentrationszone des Flächennutzungsplans der Beklagten errichtet werden sollten. Denn der Flächennutzungsplan sei aus formellen Gründen nicht wirksam.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei auch nicht offensichtlich wegen eines Verstoßes gegen das Europäische Habitatschutzrecht zu versagen. Denn es sei noch nicht ausreichend geprüft, ob die Errichtung der beiden Windenergieanlagen in einer Entfernung von nur 300 bzw. 370 m zum Vogelschutzgebiet zu erheblichen Beeinträchtigungen des angrenzenden Vogelschutzgebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen könne bzw. ob im Falle einer erheblichen Beeinträchtigung eine Ausnahmeentscheidung in Betracht komme.
Die geringe Entfernung zum Vogelschutzgebiet sei von Relevanz, da die Art Wiedehopf eine windkraftsensible Brutvogelart sei. Es lasse sich derzeit nicht ausreichend beurteilen, ob die Erheblichkeit möglicherweise aufgrund von Schadensminderungsmaßnahmen zu verneinen sei bzw. ob gegebenenfalls eine Ausnahmeentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG in Betracht komme. Die Klägerin habe bislang keine aussagekräftigen Unterlagen dazu vorgelegt. Ihre Verträglichkeitsprüfung sowie die nachfolgenden Spezialuntersuchungen beschränkten sich auf die Wertung, dass die Art Wiedehopf in dem betreffenden Bereich nicht brüte und es sich im Übrigen jedenfalls nicht um ein Schwerpunktvorkommen handele. Angesichts dessen habe sich die Klägerin (bisher) nicht veranlasst gesehen, Ausführungen zu Schadensminderungsmaßnahmen zu machen. Die Erteilung einer Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG sei hier nicht von vornherein ausgeschlossen.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung zum OVG Koblenz eingelegt werden.