Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluss vom 22.10.2020 zum Aktenzeichen 8 L 3610/20.GI entschieden, dass die durch Allgemeinverfügung des Landkreises Marburg-Biedenkopf geregelte Sperrzeitverlängerung für das Gaststättengewerbe auf 23 Uhr weder erforderlich noch angemessen und die Verfügung deshalb rechtswidrig ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 22.10.2020 ergibt sich:
Der Landkreis Marburg Biedenkopf hatte mit Allgemeinverfügung vom 19.10.2020 den Beginn der Sperrzeit im gesamten Landkreis Marburg-Biedenkopf für das Gaststättengewerbe sowie für öffentliche Vergnügungsstätten auf 23 Uhr festgesetzt. Zur Begründung führte der Landkreis an, im Zusammenhang mit der derzeitigen durch das Coronavirus bedingten Pandemielage habe sich die Infektionslage innerhalb des Landkreises Marburg-Biedenkopf nachteilig entwickelt, so dass besondere Maßnahmen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung erforderlich seien. Die Antragstellerin, die ein Lokal in der Marburger Innenstadt betreibt, ist der Auffassung, die Allgemeinverfügung greife unverhältnismäßig und damit in rechtswidriger Weise in ihr Recht auf freie Gewerbeausübung sowie ihre Berufsfreiheit ein.
Das VG Gießen hat dem Eilantrag stattgegeben.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts war unter Berücksichtigung der vom Landkreis Marburg-Biedenkopf angeführten Erwägungen die Vorverlegung des Beginns der Sperrzeit auf 23 Uhr weder erforderlich noch angemessen und die Verfügung deshalb nicht verhältnismäßig, sondern rechtswidrig. Das Risiko einer alkoholbedingten Beeinträchtigung der Disziplin hinsichtlich der Einhaltung von Hygiene- und Abstandsmaßnahmen sei bereits durch ein ebenfalls verfügtes Alkoholverbot als milderes Mittel abgedeckt. Auch setze sich die Allgemeinverfügung nicht mit der Frage auseinander, ob beispielsweise die Außengastronomie von der Sperrzeitverlängerung ausgenommen werden könne. Darüber hinaus sei die Sperrzeitverlängerung aber auch nicht verhältnismäßig, weil die Regelung in nicht gerechtfertigter Weise in die Berufsfreiheit der Antragstellerin eingreife. Hier sei zu berücksichtigen, dass nach den durch das Robert-Koch-Institut aufbereiteten Daten das Infektionsumfeld „Gaststätte/Restaurant“ im Verhältnis zu anderen Infektionsbereichen wie dem privaten Haushalt, Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und dem Arbeitsplatz von untergeordneter Bedeutung sei.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim VGH Kassel einlegen.