Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 22.10.2020 zum Aktenzeichen 5 V 2328/20 entschieden, dass die Versammlung „Kein Verbot für schwarz-weiß-rot!“, bei der schwarz-weiß-rote Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen des Kaiserreichs gezeigt werden sollen, am 24.10.2020 in Bremen unter Auflagen stattfinden darf.
Aus der Pressemitteilung des VG Bremen vom 23.10.2020 ergibt sich:
Anstatt des geplanten Aufzuges sei aber nur eine stationäre Kundgebung am Domshof in der Zeit von 15 bis 18 Uhr zulässig, so das Verwaltungsgericht.
Der Antragsteller ist Versammlungsleiter und dem rechten Parteienspektrum zuzuordnen. Er hat am 02.10.2020 eine Demonstration für den 24.10.2020 mit Aufzug durch die Bremer Innenstadt von 14 bis 20 Uhr angemeldet, für die er mit ca. 100 Teilnehmern rechnet. Das Thema der Versammlung lautet „Kein Verbot für schwarz-weiß-rot!“. Während der Kundgebung sollen u.a. schwarz-weiß-rote Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen des Kaiserreichs öffentlich gezeigt werden. Er wendet sich mit der Versammlung gegen einen Erlass des Innensenators der Freien Hansestadt Bremen, wonach das öffentliche Zeigen solcher Flaggen regelmäßig ordnungswidrig sei. Das Ordnungsamt verbot die Demonstration mit Bescheid vom 20.10.2020. Es begründete dies damit, dass das Zeigen dieser Flaggen nach einer Gesamtschau zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führe. Der Antragsteller sei eindeutig der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen und dort als Führungsperson bekannt. Die Teilnehmer würden sich zum Großteil aus Anhängern der neonazistisch geprägten Partei „Die Rechte“ zusammensetzen. Ein Aufzug von ca. 100 Personen, die der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen seien und dabei Reichsflaggen schwenkten, werde in der Bevölkerung gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Berlin als militanter Marsch wahrgenommen, der an paramilitärische Ereignisse im Nationalsozialismus erinnere. Darüber hinaus bestehe durch den geplanten Aufzug, die ebenfalls angemeldeten Gegendemonstrationen und den erwarteten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung im Hinblick auf die steigende Zahl von Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Das Versammlungsverbot sei das einzige Mittel, um diesen Gefahren zu begegnen.
Dagegen richtet sich die am 21.10.2020 erhobene Klage des Antragstellers sowie sein Eilantrag, mit dem er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das Verbot erreichen wollte.
Das VG Bremen hat dem Eilantrag gegen das Versammlungsverbot überwiegend stattgegeben. Es ordnete aber selbst Auflagen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht an, denn aus infektionsrechtlichen Gründen sei ein Aufzug in der vom Antragsteller angemeldeten Form so nicht möglich.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das von der Antragsgegnerin verfügte komplette Versammlungsverbot rechtswidrig. Durch das Zeigen der strafrechtlich nicht verbotenen Flaggen während der Kundgebung werde die öffentliche Ordnung nicht gefährdet. Bereits mit Beschluss vom 15.10.2020 ( 5 V 2212/20) habe das Verwaltungsgericht ein von der Behörde angeordnetes Reichs(kriegs)flaggenverbot bei einer Versammlung für rechtswidrig erklärt. Diese Entscheidung sei mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 16.10.2020 ( 1 B 323/20) bestätigt worden. Auch in diesem konkreten Einzelfall rechtfertige die Art und Weise der Durchführung der Versammlung nicht die Untersagung des von der Meinungsfreiheit gedeckten Zeigens dieser Flaggen, da die im vorliegenden Sachverhalt zu beurteilende Kundgebung nach einer Gesamtschau kein einschüchterndes Erscheinungsbild erzeuge. Das Verwaltungsgericht verwies in der Entscheidung nochmals ausdrücklich darauf hin, dass der Erlass selbst kein Verbot, sondern eine Auslegungshilfe zur Anwendung der betreffenden Ordnungswidrigkeitsvorschrift darstelle.
Hinsichtlich des angemeldeten Versammlung, der ebenfalls angemeldeten Gegendemonstrationen und den erwarteten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen sei allerdings eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung und damit für die öffentliche Sicherheit gegeben. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit könne zwar unter bestimmten Umständen ein Versammlungsverbot rechtfertigen, das von der Antragsgegnerin verfügte Versammlungsverbot sei aber unterverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Aufgrund des hohen Schutzgutes der in Art. 8 GG garantierten Versammlungsfreiheit komme ein gänzliches Verbot nur als letztes Mittel in Betracht.
Als weniger einschneidende Maßnahme sei im vorliegenden Fall die Zulassung der Versammlung unter Beachtung von Auflagen in Betracht zu ziehen gewesen. Anstatt des geplanten Aufzuges sei daher nur eine stationäre Kundgebung am Domshof in der Zeit von 15 bis 18 Uhr zulässig.
Gegen die Entscheidung können die Beteiligten Beschwerde bei dem OVG Bremen erheben.