Aufenthaltsrecht nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit wegen Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit

21. Oktober 2020 -

Der Europäische Gerichtshof hat am 21.10.2020 zum Aktenzeichen C 720/19 sein Urteil zu der Frage verkündet, ob die Einbürgerung eines Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers dazu führt, dass dieses Familienmitglied die (insbesondere Aufenthalts-)Rechte verliert, die es zuvor gemäß dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei erworben hatte.

Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 21.10.2020 ergibt sich:

Nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei (Art. 7 Abs. 1) haben die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, nach drei bzw. fünf Jahren ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht (da sie dann ein eigenes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt erwerben).

Im Fall vor dem VG Düsseldorf hatte die Betroffene ein Aufenthaltsrecht in Deutschland nach dem Beschluss Nr. 1/80 (Art. 7 Abs. 1) erworben, bevor sie die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erwarb und dafür auf ihre türkische Staatsangehörigkeit verzichtete. Als sie kurz nach ihrer Einbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit wieder annahm, verlor sie kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit wieder.

Die Stadt Duisburg lehnte es nunmehr ab, der Betroffenen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des Beschlusses Nr. 1/80 (Art. 7 Abs. 1) auszustellen, da die darin verbürgten Rechte mit der Einbürgerung in Deutschland erloschen seien.

Das VG Düsseldorf möchte wissen, ob ein solcher Familienangehöriger diese Rechte wieder verliert, wenn er eingebürgert wird und im Zuge dessen seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt.

Der EuGH hat dem Verwaltungsgericht wie folgt geantwortet:

Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei ist dahin auszulegen, dass ein Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers, der die in dieser Bestimmung vorgesehenen Rechte erworben hat, diese Rechte nicht verliert, wenn er die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erwirbt und seine bisherige Staatsangehörigkeit verliert.

Der EuGH weist darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung die nach Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 rechtmäßig erworbenen Rechte unabhängig vom Fortbestehen der Voraussetzungen für ihre Entstehung seien. Beschränkungen gebe es nur, wenn die Anwesenheit des Familienangehörigen wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit darstelle oder wenn der Betroffene den Mitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe.

Der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats durch den betreffenden Familienangehörigen, selbst wenn er dem Betroffenen Rechte verleihe, die weiter gingen als die durch den Beschluss Nr. 1/80 gewährten, stelle keinen Umstand dar, der zum Verlust von Rechten führen könne, die der Betroffene zuvor gemäß Art. 7 Abs. 1 dieses Beschlusses erworben habe.