NPD darf Reichsflagge bei Kundgebung in Bremerhaven zeigen

Das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen hat mit Beschluss vom 16.10.2020 zum Aktenzeichen 1 B 323/20 entschieden, dass die rechtsextreme NPD bei einer Veranstaltung in Bremerhaven Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen zeigen darf.

Aus der Pressemitteilung des OVG Bremen vom 16.10.2020 ergibt sich:

Die Antragstellerin plante am 17.10.2020 in Bremerhaven eine Kundgebung, bei der sie u.a. „schwarz-weiß-rote Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen des Kaiserreichs“ verwenden will. Zweck der Kundgebung ist es nach ihren Angaben, sich kritisch mit einem an die Polizei- und Ordnungsbehörden gerichteten Erlass des Senators für Inneres vom 14.09.2020 auseinanderzusetzen, der den Umgang mit dem öffentlichen Zeigen von Reichskriegsflaggen betrifft. Nach diesem Erlass stelle die Verwendung der Reichskriegsflagge in der Öffentlichkeit eine nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar, wodurch regelmäßig der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 118 Abs. 1 OWiG erfüllt werde. Das Zeigen oder Verwenden der Reichskriegsflagge aus der Zeit bis 1935 in der Öffentlichkeit sei im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu unterbinden und die Flagge sicherzustellen. Im Übrigen sei stets ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten. Das Bürger- und Ordnungsamt der Stadt Bremerhaven hat der Antragstellerin verboten, bei der geplanten Versammlung Reichskriegsflaggen und Symbole, die Inhalt des Erlasses vom 14.09.2020 seien, zu zeigen, da die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sei. Die angemeldete Versammlung beabsichtige, ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft zu erzeugen (militantes Auftreten), und verfolge das Ziel, ein Klima der Einschüchterung (Schaffung von Angsträumen) und eine Zurschaustellung der eigenen Macht zu erzeugen. Im Hinblick auf die Aussagekraft und Intensität der Versammlung bleibe sie nicht hinter strafbaren Äußerungen zurück, sondern stehe diesbezüglich in nichts nach. Die Reichsflaggen seien dabei das Symbol rechtsextremer Ideologien, nationalsozialistischer Anschauungen und/oder Ausländerfeindlichkeiten. Sie dienten als Ersatz für verbotene Flaggen des nationalsozialistischen Regimes und drückten eine Identifikation mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus. Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben.
Das Verwaltungsgericht hatte die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 15.10.2020 (5 V 2212/20) wiederhergestellt, da das Verbot offensichtlich rechtswidrig sei.

Das OVG Bremen hat die dagegen erhobene Beschwerde der Stadt Bremerhaven zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wird mit dem Zeigen von symbolträchtigen Gegenständen wie einer Fahne von der durch Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht, die – wenn es nicht um den Schutz der Jugend oder dem Recht der persönlichen Ehre gehe – nur durch die allgemeinen Gesetze, insbesondere die Strafgesetze inhaltlich begrenzt werden dürfe. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass das Mitführen und Zeigen der Schwarz-Weiß-Rot- und Reichskriegsflaggen des Kaiserreichs nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände strafbar seien. Der Erlass des Senators für Inneres vom 14.09.2020 habe keine Gesetzesqualität und könne deshalb die streitgegenständliche Einschränkung nicht rechtfertigen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lasse sich die Auflage auch nicht auf einen drohenden Verstoß gegen § 118 Abs. 1 OWiG stützen. Die Meinungsfreiheit könne nicht unter den Vorbehalt der öffentlichen Ordnung gestellt werden. Beschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigten sich auch nicht aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Versammlung mit einem aggressiv provokativen und die Bürger einschüchternden Verhalten einhergehen werde.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.