Das Bundesverwaltungsgericht hat am 14.10.2020 zum Aktenzeichen 8 C 23.19 entschieden, dass ein IHK-Mitglied den Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verlangen kann, wenn dieser mehrfach und nicht nur in atypischen Ausreißerfällen die gesetzlichen Kompetenzgrenzen der Kammern überschritten hat und keine hinreichenden Vorkehrungen bestehen, um die Wiederholung von Kompetenzverstößen zuverlässig zu verhindern.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 61/2020 vom 15.10.2020 ergibt sich:
Die Klägerin ist Mitglied der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord-Westfalen und beanstandet seit 2007 zahlreiche Äußerungen des DIHK, weil sie über die gesetzlichen Kompetenzgrenzen der Kammern hinausgingen. Die Klage ist in allen Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das BVerwG hat in einem ersten Revisionsurteil vom 23.03.2016 (10 C 4.15) entschieden, dass ein grundrechtlicher Anspruch auf Austritt der Kammer aus dem Dachverband besteht, wenn dieser – wie der DIHK – in der Vergangenheit mehrfach und nicht nur in atypischen Ausreißerfällen gegen die Kompetenzgrenzen seiner Mitgliedskammern verstoßen hat und wenn mit einer erneuten Missachtung der Kompetenzgrenzen zu rechnen ist. Es hat den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zu den Reaktionen des Verbandes auf die Kritik an seinen Äußerungen, insbesondere zu einem etwa für die Kammermitglieder verfügbaren verbandsinternen wirksamen und effektiven Schutz gegen grundrechtswidrige Aufgabenüberschreitungen, treffen konnte. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Austrittsanspruch der Klägerin erneut verneint. Zwar hätten auch zahlreiche Äußerungen des DIHK seit 2016 die Kompetenzgrenzen seiner Mitgliedskammern überschritten. Auch fehle dem Verband die Einsicht in vergangene Aufgabenüberschreitungen und ein ausreichendes Bewusstsein für die vom Bundesverwaltungsgericht verdeutlichten Grenzen seiner Öffentlichkeitsarbeit. Er habe den Kammermitgliedern in seiner Satzung mittlerweile jedoch einen klagefähigen Anspruch auf Unterlassung weiterer Überschreitungen eingeräumt. Dies rechtfertige trotz des Mangels an Einsicht die Annahme, dass zukünftig weitere Verstöße verhindert werden könnten.
Das BVerwG hat nun auf die erneute Revision der Klägerin die beklagte Kammer verurteilt, ihren Austritt aus dem DIHK zu erklären.
Nach Auffassung des BVerwG widerspricht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, schon die Existenz des Klageanspruchs von Kammermitgliedern schließe die Gefahr der Wiederholung von Kompetenzüberschreitungen ungeachtet fehlender Einsicht des Dachverbandes aus, dem rechtlichen Maßstab des ersten Revisionsurteils. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht angenommen, die Klagemöglichkeit werde künftige Kompetenzüberschreitungen ausschließen. Es sei lediglich davon ausgegangen, dass die Zivilgerichte dem DIHK ausgehend von – weiteren – konkreten Aufgabenüberschreitungen seine Kompetenzgrenzen weiter verdeutlichen und diese durchsetzen werden. Das werde den im ersten Revisionsurteil erläuterten Anforderungen an einen effektiven Grundrechtsschutz der Kammermitglieder nicht gerecht.