Schadensersatzklausel für Abbruch einer Mutter-Kind-Kur unwirksam

08. Oktober 2020 -

Der Bundesgerichtshof hat am 08.10.2020 zum Aktenzeichen III ZR 80/20 entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Kurklinik, die einen Schadensersatzanspruch für den Fall vorsieht, dass die Patientin einer Mutter-Kind-Kur diese vorzeitig abbricht, unwirksam ist.

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 127/2020 vom 08.10.2020 ergibt sich:

Die Beklagte ist Mutter von vier minderjährigen Kindern. Ihre gesetzliche Krankenversicherung bewilligte eine dreiwöchige medizinische Vorsorgemaßnahme in Form einer Mutter-Kind-Kur. Die Beklagte erhielt ein Einladungsschreiben der von der Klägerin betriebenen Klinik, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt waren. Deren Nummer 5.4 lautet wie folgt:

„Vorzeitige Abreise (Kündigung), Schadensersatz
5.4.1 Tritt die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit, die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen. Der Ersatzanspruch ist unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und möglichen anderweitigen Verwendungen pauschaliert und beträgt 80 % des Tagessatzes für jeden vorzeitig abgereisten Tag. Es bleibt der Patientin unbenommen, den Nachweis zu führen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist.
5.4.2 Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB bleibt hiervon unberührt.“

Die Beklagte bestätigte durch ihre Unterschrift, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erhalten zu haben und diese anzuerkennen. Beigefügte Fragebögen zur Vorbereitung der Therapie füllte sie aus und sandte sie – zusammen mit dem unterschriebenen Exemplar der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – an die Klägerin zurück.

Die Beklagte trat die bis zum 21.03.2018 vorgesehene Kur am 28.02.2018 zusammen mit ihren vier Kindern an, brach sie jedoch zehn Tage vor dem regulären Ende aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, vorzeitig ab. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von 3.011,20 Euro in Anspruch.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung des vorgenannten Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Klageanträge weiter.

Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BGH hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die verlangte Zahlung. Die Beklagte konnte die Kur durch konkludente Kündigung gemäß § 627 Abs. 1 BGB auch ohne besonderen Grund vorzeitig beenden, so dass die Klägerin nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Anspruch auf Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen habe.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten war ein Vertrag über die Durchführung einer Mutter-Kind-Kur (§ 24 Abs. 1 SGB V) zustande gekommen, der jedenfalls nach seinem inhaltlichen Schwerpunkt als Behandlungsvertrag i.S.d. § 630a BGB und damit als besonderes Dienstverhältnis zu qualifizieren sei. Dieses unterliege dem jederzeitigen Kündigungsrecht der Patientin, da die von der Klinik geschuldeten Leistungen i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB Dienste höherer Art seien, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

Die von § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1 BGB abweichende Nummer 5.4.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei unwirksam, weil sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – dem „freien“ und sanktionslosen Kündigungsrecht bei Diensten höherer Art, die auf besonderem Vertrauen beruhen – nicht zu vereinbaren sei. Überdies sei sie mit dem Grundgedanken des § 280 Abs. 1 BGB unvereinbar, nach dem vertragliche Schadensersatzansprüche eine zu vertretende Pflichtverletzung des Schuldners – hier der Patientin – voraussetzen. Eine Einschränkung auf diese Fälle sehe die Klausel aber nicht vor.