Videoüberwachung im öffentlichen Raum

06. Oktober 2020 -

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 06.10.2020 zum Aktenzeichen 11 LC 149/16 entschieden, dass die polizeiliche Videobeobachtung öffentlich zugänglicher Orte in Hannover aktuell insbesondere wegen ungenügender Kenntlichmachung rechtswidrig ist.

Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 47/2020 vom 06.10.2020 ergibt sich:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Polizeidirektion in Hannover an verschiedenen öffentlich zugänglichen Orten betriebene Videoüberwachung.

Das VG Hannover hatte seiner ursprünglich auf 78 Kameras bezogenen Klage in Bezug auf 56 Kamerastandorte stattgegeben und der Polizeidirektion Hannover aufgegeben, an diesen Standorten die Bildübertragung sowie die Aufzeichnung dieser Bilder zu unterlassen. Hinsichtlich der weiteren 22 Standorte hatte es die Klage abgewiesen, da diesbezüglich die Voraussetzungen nach dem – zum Zeitpunkt des Urteilserlasses geltenden – Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) für eine Videobeobachtung und Aufzeichnung vorlägen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung beantraget die Polizeidirektion ursprünglich, das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Im Laufe des Berufungsverfahrens stellte die Polizeidirektion den Betrieb von 51 der vom stattgebenden Tenor des Verwaltungsgerichts umfassten Kamerastandorte ein bzw. übertrug sie auf andere Behörden.

In Bezug auf 49 dieser Standorte erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt. Hinsichtlich zwei weiterer Standorte, an denen die Polizeidirektion beabsichtigt, den Betrieb der Kameras im Jahr 2021 unter Einsatz neuer Kameramodelle wiederaufzunehmen, passte der Kläger seinen Klageantrag an und beantragte festzustellen, dass der Betrieb dieser Kameras rechtswidrig war. Bei den beiden letztgenannten Kameras handelt es sich um eine Kamera am Standort Königsworther Platz, die dauerhaft Bilder aufzeichnet und für fünf Tage speichert sowie um eine sog. Veranstaltungskamera am Theodor-Heuss-Platz, die nur anlassbezogen, z.B. bei großen Veranstaltungen, aktiviert wird. Die fünf aktuell noch von der Polizeidirektion betriebenen Kameras sind ebenfalls Veranstaltungskameras, die nur anlassbezogen angeschaltet werden. Eine Übersicht sämtlicher Standorte findet sich auf der von der Polizeidirektion Hannover betriebenen Internetseite.

Das OVG Lüneburg hat in Bezug auf die Kamerastandorte, für die die Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, das Verfahren eingestellt.
Hinsichtlich der fünf aktuell noch von der Polizeidirektion betriebenen Veranstaltungskameras an den Standorten Rudolf-von-Bennigsen-Ufer, Bruchmeisterallee, Lister Platz, Schützenplatz und TUI-Arena hat die Berufung keinen Erfolg, da der Betrieb dieser Standorte gegenwärtig rechtswidrig ist.
In Bezug auf zwei weitere Kamerastandorte am Königsworther Platz und am Theodor-Heuss-Platz hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Betrieb dieser Kameras bis zur Demontage der Kameras im März 2020 rechtswidrig war.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts stellt die Videobeobachtung zwar einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, der jedoch grundsätzlich durch die nunmehr seit dem 24.05.2019 gültigen § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Satz 2 und Satz 3 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) gerechtfertigt werden könne. Die genannten Vorschriften genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende Normen. Das Land verfüge über die notwendige Gesetzgebungskompetenz und die maßgeblichen Vorschriften seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.

Die Polizeidirektion habe jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Normen in Bezug auf die streitgegenständlichen Kamerastandorte erfüllt seien. So entspreche die von der Polizeidirektion vorgenommene Kenntlichmachung nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG. Die von der Polizeidirektion auf vorhandenen Pfosten angebrachten Aufkleber seien aufgrund der Krümmung der Pfosten und der Vielzahl der auf diesen Pfosten regelmäßig angebrachten anderen Aufkleber/Zettel für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer – anders als die früher von der Polizeidirektion teilweise zur Kennzeichnung genutzten Hinweisschilder – nicht ausreichend wahrnehmbar. Die von der Polizeidirektion vorgelegten Jahresstatistiken seien nicht geeignet, den nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG erforderlichen Zusammenhang zwischen einer temporären Veranstaltung und einer im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dieser Veranstaltung zu erwartenden Straftat darzulegen.

Zudem habe die Polizeidirektion keine Daten dazu vorgelegt, wann sie die temporär genutzten Veranstaltungskameras jeweils aktiviert habe und welche Straftaten in diesen Zeiträumen erfasst worden seien.

Das OVG Lüneburg hat die Revision zum BVerwG nicht zugelassen. Die Entscheidung kann aber mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden und ist bis zum Ablauf der dafür geltenden Fristen noch nicht rechtskräftig.