Zuschauer eines Gerichtsverfahrens haben keinen Anspruch auf Übersetzung

22. September 2020 -

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18. August 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 1919/20 entschieden, dass eine sitzungspolizeiliche Verfügung der Vorsitzenden Richterin in einem Strafverfahren wegen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht verfassungswidrig ist.

Wie im Verfahren 1 BvR 1918/20 möchten die des Deutschen nicht mächtigen Beschwerdeführenden erreichen, dass ihnen ermöglicht beziehungsweise gestattet wird, das deutschsprachige Prozessgeschehen über eine Simultanübersetzung ins Arabische zu verfolgen. Anders als im dortigen Verfahren bezwecken die Beschwerdeführenden jedoch keine öffentliche Berichterstattung über das Verfahren, sondern beabsichtigen, das Verfahren aus eigenem Interesse oder im Auftrag verschiedener Nichtregierungsorganisationen zu verfolgen. Entsprechend rügen sie der Sache nach nicht eine Verletzung der Pressefreiheit, sondern eine Verletzung ihrer Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG (vgl. S. 10 der Verfassungsbeschwerdeschrift). Wegen der sonstigen Umstände des Verfahrens und der angegriffenen Entscheidung wird auf den Beschluss der Kammer vom heutigen Tag im Verfahren 1 BvR 1918/20 verwiesen.

Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass unter besonderen Umständen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG grundsätzlich bestehende Zugangsanspruch der Allgemeinheit zu gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einschließt, sich das öffentliche Prozessgeschehen im Gerichtssaal durch Hilfsmittel wie Hörgeräte, Gebärdendolmetscher oder Sehhilfen tatsächlich zu erschließen. Ähnliches könnte auch für andere Hilfsmittel wie die Mitnahme eines sogenannten Flüsterdolmetschers gelten.

Die bei nicht von vornherein ausgeschlossenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung geht hier jedoch zulasten der Beschwerdeführenden aus, weil die Nachteile, die erwüchsen, wenn die beantragte Anordnung nicht erlassen wird, die Verfassungsbeschwerde aber erfolgreich wäre, nicht überwiegen. Anders als die Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1918/20 machen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nicht geltend, über das Verfahren öffentlich berichten zu wollen, sodass ihr Anliegen nicht durch die Informationsinteressen und -ansprüche der allgemeinen, insbesondere syrischen Öffentlichkeit zusätzliches Gewicht erhält. Zudem ist die inhaltliche Möglichkeit, sich aus anderen Quellen über das Prozessgeschehen zu informieren, durch die Ablehnung einer Simultanübersetzung nicht in derselben absoluten Weise ausgeschlossen, wie die Möglichkeit der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1918/20, über die strafrechtliche Hauptverhandlung aus eigener Anschauung über den Inbegriff der Hauptverhandlung und die dabei gewonnenen Eindrücke zu berichten. Anders als vorliegend ist im Verfahren 1 BvR 1918/20 also sowohl die Möglichkeit des reellen Informationszugangs im Gerichtssaal (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) als auch die darauf aufbauende Prozessberichterstattung aus eigener Anschauung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) durch den angegriffenen Beschluss eingeschränkt, was sich auf die Folgenabwägung entscheidend auswirkt. Auf der anderen Seite wäre auch der organisatorische und institutionelle Aufwand, der für das Gericht damit verbunden wäre, über eine Zulassung von Übersetzungshilfsmitteln der gesamten interessierten Öffentlichkeit zu entscheiden und entsprechende Entscheidungen sitzungspolizeilich umzusetzen und deren Befolgung zu überwachen, wesentlich höher, als wenn dies allein einzelne Medienvertreter betrifft.