Das Bundesverwaltungsgericht hat am 16.09.2020 zum Aktenzeichen 6 C 10.19 entschieden, dass der Insolvenzverwalter nach Art. 15 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) keine Auskunft vom Finanzamt über das Steuerkonto des Insolvenzschuldners verlangen kann.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 51/2020 vom 17.09.2020 ergibt sich:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter und begehrt in dieser Funktion vom beklagten Finanzamt einen Auszug aus dem Steuerkonto des Schuldners. Hierdurch erhalte er die Möglichkeit, potentiell anfechtungsrelevante Sachverhalte zur Mehrung der Insolvenzmasse zu ermitteln. Sein zunächst auf das Niedersächsische Landesdatenschutzrecht gestütztes Begehren verfolgt er unter Berufung auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO seit dessen Inkrafttreten im Mai 2018 weiter.
Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen.
Das BVerwG hat die vorinstanzlichen Entscheidungen bestätigt.
Nach Auffassung des BVerwG räumt Art. 15 Abs. 1 DSGVO einer betroffenen Person das Recht ein, von einem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen Auskunft über die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verlangen. Dieser Anspruch bestehe grundsätzlich auch gegenüber den Finanzbehörden.
Allerdings sei der Insolvenzverwalter hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners weder nach dem Wortlaut, der Systematik noch nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen der DSGVO „betroffene Person“. Betroffene Person sei nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO nur diejenige natürliche Person, die durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert sei. Eine Erweiterung dieses Begriffs auf den mit der Verwaltung der Insolvenzmasse betrauten Insolvenzverwalter widerspräche dem Charakter des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Denn die in der DSGVO verankerten Betroffenenrechte dienten dem Schutz des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre aus Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dieser Schutz lasse sich nur verwirklichen, wenn sich die von einer Datenverarbeitung betroffene Person vergewissern könne, dass ihre personenbezogenen Daten richtig seien und in zulässiger Weise verarbeitet werden, um andernfalls von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen unter anderem die Berichtigung oder Löschung ihrer Daten zu verlangen.
Der Auskunftsanspruch sei daher seiner Natur nach ein Instrument zur Schaffung des notwendigen Wissensfundaments für die Geltendmachung weitergehender Betroffenenrechte und ziele nicht auf die vom Kläger beabsichtigte Gewinnung von Informationen mit vermögensrechtlichem Bezug.
Auch ein Übergang dieses Auskunftsanspruchs in die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO finde nicht statt. Denn er sei seinem Charakter nach untrennbar mit der Person des Berechtigten verbunden und könne nicht losgelöst von den weiteren Betroffenenrechten betrachtet werden. Eine Ausübung durch den Insolvenzverwalter würde seine Zielrichtung und seinen Zweck verändern. Auch eine Differenzierung nach dem Vermögensbezug der betroffenen Daten komme daher nicht in Betracht.