Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschlüssen vom 08.09.2020 zum Aktenzeichen 4 L 2946/20.GI, 4 L 2949/20.GI, 4 L 2955/20.GI entschieden, dass die Verbots- und Auflagenverfügungen des Regierungspräsidiums Gießen zu vier im Gebiet rund um den Dannenröder Forst angemeldeten „Protestcamps“ gegen den Ausbau der A49 rechtmäßig sind.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 09.09.2020 ergibt sich:
Das Regierungspräsidium Gießen hatte mit Bescheiden vom 31.08.2020 und vom 02.09.2020 über Versammlungsanmeldungen des Antragstellers entschieden. Dieser wollte an Standorten in Stadtallendorf, Kirtorf und Homberg (Ohm) in der Zeit vom 01.09. bis 01.03.2021 über sechs Monate vier Protestcamps mit je ca. 1.000 bis 2.000 Personen pro Camp organisieren. Für die geplanten Standorte in Dannenrod, in Kirtorf und in Lehrbach (Kirtorf) erließ das Regierungspräsidium schließlich Versammlungsverbote. Für die angemeldete Veranstaltung in Schweinsberg (Stadtallendorf) verfügte das Regierungspräsidium mehrere Auflagen.
Hinsichtlich aller vier angemeldeter Protestcamps stellte das Regierungspräsidium jeweils fest, dass der Aufbau und das Bewohnen von Zelten zum Übernachten von Teilnehmern sowie auf eine gewisse Dauer angelegte Versorgungseinrichtungen nicht von dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit umfasst seien.
Der Antragsteller machte mit seinen Eilanträgen geltend, es sei unzutreffend, dass die angemeldete Form des Protestcamps (teilweise) nicht dem Versammlungsrecht unterliege. Insbesondere sei der Versammlungszweck ergänzend durch die Titel „Unser Körper gegen den Autowahn – wach oder schlafend“ und „Platz für Lebewesen statt für Blechkarren“ konkretisiert worden. Die angemeldeten und geplanten Übernachtungen in Zeltlagern am Versammlungsort seien notwendig und Teil des Versammlungszwecks.
Das VG Gießen hat die Eilanträge abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erweisen sich die Bescheide des Regierungspräsidiums Gießen insgesamt als rechtmäßig. Es sei bereits zweifelhaft, ob die angemeldeten Veranstaltungen überhaupt als Versammlung im Sinne der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit zu qualifizieren seien. Jedenfalls aber die Übernachtungen in Zeltlagern am Veranstaltungsort seien nicht Teil des Versammlungszweckes.
Den Veranstalter einer Versammlung treffe die Obliegenheit, in der Anmeldung konkrete Angaben zu den Modalitäten der Versammlung zu machen. Der Antragsteller habe nicht begründet, ob für die Dauer der angemeldeten Veranstaltung überhaupt tatsächlich eine Versammlung stattfinden solle und welche der angemeldeten Gegenstände (genannt waren etwa mehrere Großraumzelte, Feldküche, Bühne, Soundanlage, Tische und Stühle) ggf. hierfür wesensnotwendig sein sollen. Der Inhalt der Veranstaltungen bleibe auch im gerichtlichen Eilverfahren noch mehr als vage. Im Hinblick auf die erwartete Teilnehmerzahl, den genauen Zeitraum und v.a. den Ablauf der geplanten Veranstaltungen sowie etwaige Programmpunkte lägen aktuell keine konkretisierenden Angaben vor.
Soweit die „Protestcamps“ hinsichtlich des Tagesprogramms entsprechend der Einordnung des Regierungspräsidiums dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterfallen, hat das VG Gießen auch die weitergehenden Regelungen des Regierungspräsidiums bestätigt.
Hinsichtlich des Protestcamps in Schweinsberg (Stadtallendorf) seien die Auflagen rechtmäßig. Hiervon umfasst seien zeitliche Beschränkungen (01.09.2020 bis 20.10.2020, jeweils von 8:00 bis 23:00 Uhr) und das Verbot des Aufstellens von Einrichtungen, die allein der Versorgung und Übernachtung zugedacht seien. Durch eine (dauerhafte) Unterbringung von Versammlungsteilnehmern auch zur Übernachtung würden insbesondere Rechtsgüter der Bürger von Stadtallendorf betroffen. Auch Belange des Lärmschutzes und des Naturschutzes der umgebenden Flächen stünden einer nächtlichen Nutzung wie durch den Antragsteller angemeldet entgegen.
Protestcamps an den anderen drei Standorten seien nicht möglich, da die dort vorgesehenen Flächen nicht öffentlich zugänglich seien. Im Fall des geplanten Protestcamps in Lehrbach (Kirtorf) wurde die dort begehrte Fläche (Sportplatz) bereits an das Polizeipräsidium Mittelhessen vermietet.
Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim VGH Kassel einlegen.