Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 25. August 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 1981/20 entschieden, dass die Anordnung der Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten verfassungsgemäß ist.
Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) sind Eltern des im September 2018 geborenen Beschwerdeführers zu 3). Alle Beschwerdeführer befinden sich derzeit gemeinsam im Urlaub auf der Insel Mallorca, die vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuft wird. Sie wollen am 29. August 2020 wieder nach Deutschland einreisen, ohne sich gemäß § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 der Verordnung zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten auf das SARS-CoV-2-Virus testen zu lassen.
Sie rügen eine Verletzung in Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 und in Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Insbesondere werde durch die in der angegriffenen Verordnung geregelte „Zwangstestung“ ihre körperliche Integrität verletzt, da sie gegen ihren Willen eine ärztliche Behandlung durchführen lassen oder dulden müssten. Im Falle einer Testung des Beschwerdeführers zu 3) werde hierdurch zudem ihr Elternrecht verletzt. Die Verordnung sei außerdem bereits wegen eines Verstoßes der ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, des § 36 Abs. 7 IfSG, gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungswidrig. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründen sie mit den ihrer Ansicht nach gegebenen Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache.
Die Voraussetzungen zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 7, 367 <371>; 134, 138 <140 Rn. 6>; stRspr). Bei einem offenen Ausgang der Verfassungsbeschwerde sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde jedoch der Erfolg versagt bliebe (vgl. BVerfGE 131, 47 <55>; 132, 195 <232 f.>; stRspr). Dabei sind die Auswirkungen auf alle von der Verordnung Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen, die sich für die Beschwerdeführer ergeben (vgl. BVerfGE 112, 284 <292>; 121, 1 <17 f.>; 122, 342 <361>; 131, 47 <61>; vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2020 – 1 BvR 755/20 -, Rn. 8 m.w.N.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. April 2020 – 1 BvQ 28/20 -, Rn. 10; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 2020 – 1 BvR 899/20 -, Rn. 10).
Ausgehend davon kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.
Die Verfassungsbeschwerde ist zumindest nicht in jeder Hinsicht von vornherein unzulässig oder unbegründet.
Die gebotene Folgenabwägung geht aber zulasten der Beschwerdeführer aus.
Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, so müssten die Beschwerdeführer sich entsprechend der angegriffenen Verordnung auf das SARS-CoV-2-Virus mittels eines Abstrichs aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum testen lassen. Dies stellt eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität sowie der grundsätzlichen elterlichen Entscheidungsfreiheit dar, über medizinische Behandlungen des eigenen Kindes zu bestimmen. Diese Beeinträchtigung wäre indes nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität.
Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, könnten durch die beantragte einstweilige Außervollzugsetzung der Testpflicht hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben einer großen Anzahl Dritter gefährdet werden. Denn die verpflichtende Testung von Reiserückkehrern aus Risikogebieten soll der frühzeitigen Erkennung von Infizierten und damit dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit dienen, indem weiteres Infektionsgeschehen verhindert wird oder jedenfalls nachverfolgbar und kontrollierbar bleibt. Dieses Ziel würde auch gefährdet, wenn entsprechend den Hilfsanträgen die beantragte Aussetzung der Verordnung nur für die Beschwerdeführer oder auch nur für den Beschwerdeführer zu 3) ausgesprochen würde. Auch von einzelnen nicht getesteten Personen kann ein Ansteckungsrisiko ausgehen. Dieses kann erst nach einer Testung zuverlässig eingeschätzt werden. Die Beschwerdeführer haben nicht dargelegt, warum gerade von ihnen ein zu vernachlässigendes Risiko ausgehen soll, sodass sich auch weitere Personen in der Folge hierauf berufen würden.
Bei Gegenüberstellung dieser jeweils zu erwartenden Folgen muss das Interesse der Beschwerdeführer, sich keinem Test unterziehen zu müssen, gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der Eindämmung und Kontrolle des Infektionsgeschehens mit dem SARS-CoV-2-Virus zurücktreten. Die Nachteile, die für die Beschwerdeführer mit einer Testung verbunden wären, überwiegen in Ausmaß und Schwere nicht die Nachteile, die im Falle der Außerkraftsetzung potentiell für hohe Rechtsgüter einer Vielzahl von Personen eintreten können.