Kein Rechtsanwalt im BEM-Gespräch

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 23.01.2020 zum Aktenzeichen 7 Sa 471/19 entschieden, dass der betroffene Arbeitnehmer in der Regel keinen Anspruch darauf, dass ihn sein Rechtsanwalt beim BEM-Gespräch nach § 167 II SGB IX begleitet.

Arbeitsgericht

Der Klägerin steht kein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte bei den durchzuführenden Gesprächen über ein betriebliches Eingliederungsmanagement die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gestattet.

Der Gesetzgeber hat in § 167 Abs. 2 SGB IX detailliert geregelt, wer an den Gesprächen über ein betriebliches Eingliederungsmanagement teilnehmen soll. Neben den betroffenen Beschäftigten und den internen Repräsentanten des Arbeitgebers sind dies Vertreter der zuständigen Arbeitnehmerinteressenvertretung im Sinne des § 176 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung, bei Bedarf („soweit erforderlich“) der Werks- oder Betriebsarzt und dann, wenn staatliche Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen, bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt. Das Gesetz sieht nicht vor, dass der/die Beschäftigte und/oder der Arbeitgeber externe Rechtsvertreter wie Rechtsanwälteoder Verbandsvertreter hinzuziehen. Als einzigen externen Teilnehmer an den Gesprächen sieht das Gesetz unter den gegebenen Voraussetzungen das Integrationsamt vor, weil dieses die Beteiligten aus erster Hand über etwaige Möglichkeiten staatlicher Leistungen und Hilfen beraten kann.

Die Teilnahme externer Rechtsvertreter an den Gesprächen über ein betriebliches Eingliederungsmanagement erscheint auch nach deren Sinn und Zweck wenig hilfreich und eher kontraproduktiv.

Der gesetzlich definierte Zweck des betrieblichen Eingliederungsmanagement besteht darin, zu klären, „wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann“, § 167 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz SGB IX. Es geht also um die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers und die Frage, welche Möglichkeiten der Arbeitgeber mit seinen Mitteln und gegebenenfalls unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfen hat, um die Gesundheit zu fördern und zugleich eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen. Der Gegenstand des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist somit höchst vertraulich und seine Erfolgsaussichten hängen davon ab, dass die Beteiligten im Interesse des sie verbindenden Arbeitsverhältnisses vertrauensvoll miteinander umgehen können. Ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit der Gespräche hat dabei nicht nur der betroffene Arbeitnehmer, weil es um seine persönliche Gesundheit und seine persönlichen Daten geht, sondern auch die Arbeitgeberseite, weil in den Gesprächen auch nicht für die Öffentlichkeit, bzw. externe Dritte bestimmte betriebliche Interna o. ä. zur Sprache kommen können.

Arbeitsrecht

Die Hinzuziehung externer Anwälte oder Verbandsvertreter erscheint in Anbetracht dessen nicht hilfreich, sondern eher kontraproduktiv. Dabei ist zu bedenken, dass, wenn eine Seite darauf besteht, z. B. einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, dieses Recht auch der anderen Seite im Interesse der Waffengleichheit zugebilligt werden müsste. Dagegen kann das Gebot der Waffengleichheit nicht dazu herangezogen werden zu rechtfertigen, dass nur der Arbeitnehmer sich eines Rechtsanwalts oder Verbandsvertreters bedienen könnte. Die Belange des Arbeitnehmers werden bereits durch die zwingende Beteiligung der betrieblichen Arbeitnehmerinteressenvertretung, also des Personalrats, und bei Schwerbehinderten zusätzlich durch die Schwerbehindertenvertretung gewahrt. Vor allem aber ist, wie die Klägerin selbst ausführen lässt, die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer stets „Herr des Verfahrens“ insofern, als ohne ihre/seine Zustimmung ein betriebliches Eingliederungsmanagement gar nicht durchgeführt werden kann.

Es trifft auch in keiner Weise zu, dass es sich bei dem betrieblichen Eingliederungsmanagement, ähnlich wie bei der Anhörung vor einer Verdachtskündigung, lediglich um eine Vorstufe zum Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber handelt. Eine Absicht der Arbeitgeberseite, das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen zu beenden, ist nicht nur nicht Voraussetzung für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, sondern dieses dient im Gegenteil gerade dazu, zu verhindern, dass überhaupt erst eine Situation eintreten kann, die ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der krankheitsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses heraufbeschwören würde.

Sollten im Laufe eines BEM arbeitsrechtlich relevante Fragestellung angesprochen werden, so könnte die/der Beschäftigte auch jederzeit eine Unterbrechung der Gespräche verlangen, um sich ggf. extern anwaltlich beraten zu lassen, da sie/er ja, wie bereits ausgeführt, „Herr/-in des Verfahrens“ ist. Die Teilnahme externer Rechtsvertreter an den Gesprächen selbst führt dagegen zu einer „Verrechtlichung“ der Gespräche, die die notwendige Vertraulichkeit beeinträchtigt und somit nicht zielführend erscheint.

Dabei ist auch zu bedenken, dass ein externer Rechtsvertreter im Zweifel selbst wenig bis gar nichts zum Gelingen der Gespräche in der Sache beitragen kann. Als Jurist besitzt er im Zweifel nicht die notwendige medizinische Sachkenntnis, um beurteilen zu können, in welcher Weise am Arbeitsplatz zweckmäßig auf bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen der/des Beschäftigten reagiert werden könnte oder müsste. Als externe Person ist er darüber hinaus im Zweifel mit den internen betrieblichen Gegebenheiten nicht vertraut, um etwa sachdienliche Hinweise auf eine Änderung der Arbeitsorganisation, eine Umsetzung an eine andere Arbeitsstelle u. ä. beurteilen und vorschlagen zu können.

Ob in besonders gelagerten Einzelfällen ausnahmsweise ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Verbandsvertreters in Frage kommt, nämlich wenn der Betroffene aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage wäre, sich sinnvoll in ein BEM-Gespräch einzubringen, kann dahingestellt bleiben, da dies im Falle der Klägerin in keiner Weise ersichtlich ist.