Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 20.08.2019 zum Aktenzeichen 114 C 22559/17 entschieden, dass eine Familie sich hinsichtlich des illegalen Download-Angebots eines kurz zuvor erschienenen Films in einer Tauschbörse nicht entlasten kann.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 37/2020 vom 21.08.2020 ergibt sich:
Die Klägerin machte Ansprüche aus Verletzung ihrer Urheberrechte an dem Film „Für immer Single?“ geltend. Im Zeitraum vom 31.05.2014 23:34:29 bis 01.06.2014 00:27:45 Uhr wurde das Werk „Für immer Single?“ von der IP-Adresse, die der Beklagten zugeordnet werden konnte, zum Download angeboten. Die Klägerin beauftragte einen Dienstleister mit der Ermittlung von IP-Adressen, über welche der kurz zuvor erschienene Film illegal zum Download angeboten würde. Auf Grundlage dessen Ermittlungsergebnisses beantragte sie erfolgreich beim zuständigen Gericht, den Provider zur Herausgabe der dieser IP-Adresse zuordenbaren Personendaten des Anschlussinhabers zu verpflichten. Die Klägerin mahnte die so ermittelte Beklagte am 12.06.2014 schriftlich ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und – insoweit erfolglos – ihr Schadensersatz und die bis dahin entstandenen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Die beklagte Ehefrau und Mutter behauptete, dass sie es nicht gewesen sei. Sie habe sich zum fraglichen Zeitpunkt im Bett befunden. Der Computer könnte mittels internem Passwort von jedem in der Familie benutzt werden. Nachts sei der Computer auch immer ausgeschaltet. Der WLAN-Zugang sei ordnungsgemäß per WPA 2 verschlüsselt und mit Passwort gesichert gewesen. In der Familie sei darüber gesprochen worden, dass keine geschützten Inhalte heruntergeladen werden dürften und man sei sich einig gewesen, dass man keine File-Sharing-Software benutzen wollte. Es habe nicht aufgeklärt werden können, wer den PC benutzt habe. Es könne sich daher nur um einen selbstständigen Datentransfer oder einen Hackerangriff gehandelt haben. Neben dem Betriebssystem und der üblichen Anwendersoftware sei kein zusätzliches Programm, insbesondere keine File-Sharing-Software auf ihrem PC installiert gewesen.
Der gerichtlich beauftragte Sachverständige war zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Beklagten bestrittenen Feststellungen des beauftragten Dienstleisters zuträfen.
Das AG München hat die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 1.391 Euro nebst Zinsen und Kosten, die auch Kosten für ein Sachverständigengutachten von 3.441,24 Euro umfassen, verurteilt.
Nach Auffassung des Amtsgerichts trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast, wenn über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wird. Dieser entspreche er dadurch, dass er vortrage, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kämen. Insoweit sei der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet. So könne nicht ausreichend sein, dass im Lichte der Familie allein die pauschale Möglichkeit des Internetzugriffs von Familienmitgliedern genüge, um der sekundären Darlegungslast nachzukommen. Vielmehr seien konkrete Nachforschungen des Tatzeitpunktes erforderlich. Der BGH gehe sogar so weit, dass der Anschlussinhaber zur Nutzungssituation im konkreten Tatzeitpunkt Nachforschungen anstellen müsse und die erlangten Erkenntnisse mitteile, und zwar auch dann, wenn hierdurch ein Familienmitglied als Täter benannt werden müsse. Die Beklagte berief sich darauf, dass auch die anderen Familienmitglieder Zugang hätten, der Computer nachts ausgeschaltet gewesen sei und es sich um einen selbstständigen Datentransfer gehandelt haben müsse. Diese Ausführungen könnten hier den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht genügen.
Was die Höhe des von der Beklagten zu leistenden Schadensersatzbetrages angehe, sei von einer Abruflizenzgebühr für den legalen Abruf von 11,76 Euro auszugehen. Dabei sei hier die große Anzahl der Verbreitung des Werkes aufgrund der hinter den Tauschbörsen stehenden anonymen Nutzer und des größeren Umfangs der Datei im Vergleich zu einem Musiktitel zu berücksichtigen. Weiterhin sei die oben bereits dargestellte Aktualität des Werkes zu berücksichtigen. Da nach Auffassung des AG München aufgrund der Verbreitung in einem anonymen Netzwerk zwar größere Abnehmerzahlen erreicht werden könnten, jedoch die Abrufdauer eher als kurzfristige Bereitstellung angesehen werde und das Werk auch einen größeren Umfang aufweise, was zu einem größeren Zeitaufwand beim Abruf der Datei führe, sei die Zahl der bei einem hypothetischen Vertragsschluss anzunehmenden Abrufe auf 100 zu schätzen. Somit hätte nach Schätzung des Amtsgerichts eine Abruflizenz bei 1.176 Euro vereinbart werden können und somit stelle dies auch den hier zuzusprechenden Schaden dar.
Das AG München sprach auch Ersatz für Rechtsanwaltsgebühren von zweimal 107,50 Euro zu.
Das Urteil ist nach Zurückweisung der Berufung am 29.04.2020 rechtskräftig.