Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 07.08.2020 zu den Aktenzeichen 4 B 3598/20 und 4 B 3123/20 entschieden, dass zwei Kioske auf der Limmerstraße in Linden-Nord vorläufig nach 22 Uhr keine alkoholischen Getränke mehr verkaufen dürfen.
Aus der Pressemitteilung des VG Hannover vom 07.08.2020 ergibt sich:
Gegenstand der Verfahren waren auf das Immissionsschutzrecht gestützte Verfügungen, mit denen die Region Hannover den Verkauf von alkoholischen Getränken durch die Kioske im Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr im Sommerhalbjahr untersagt hat. Die Region Hannover stützt ihre Bescheide darauf, dass die Kioske in den Nachtstunden der Sommermonate in bedeutendem Umfang alkoholische Getränke an Personen verkauften, die anschließend in der unmittelbaren Nähe verweilten und bei dem gemeinschaftlichen Konsum den Einwohnern nicht mehr zumutbare Lärmimmissionen verursachten. Die Antragsteller haben gegen diese Verfügungen Widersprüche eingelegt und zugleich einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht gesucht. Sie berufen sich im Wesentlichen darauf, dass es sich bei Linden-Nord um einen Szenestadtteil mit einem umfangreichen Angebot an Bars, Restaurants und Nachtclubs handele und der sich deswegen in den Abendstunden insbesondere bei jüngeren Menschen großer Beliebtheit erfreue. Aufgrund der Vielzahl der auf der Limmerstraße vorzufindenden Immissionsquellen könnten einzelne Kioske für das von den Passanten verursachte Lärmgeschehen nicht verantwortlich gemacht werden. Es handele sich vielmehr um ein allgemeines Phänomen. Maßnahmen gegen einzelne Kioske seien auch nicht das geeignete Mittel, um die Nachtruhe auf der Limmerstraße nachhaltig wiederherzustellen, und verstießen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Das VG Hannover hat die Eilanträge abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der jüngsten Rechtsprechung des OVG Lüneburg zu folgen, welche ebenfalls die Frage nach der immissionsschutzrechtlichen Verantwortlichkeit eines Kiosks auf der Limmerstraße für nächtlichen Lärm zum Gegenstand hatte. Für das Eilverfahren stehe mit hinreichender Sicherheit fest, dass von den Alkohol konsumierenden Besuchern der Limmerstraße in den Nachtstunden Lärm ausgehe, der die Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkung für die Bewohner überschreite. Das Geschäftsmodell der Kioskbetreiber sei auf die kontinuierliche nächtliche Versorgung der Kunden mit Alkohol ausgelegt und somit für diesen Lärm mitverantwortlich. In einem Hauptsacheverfahren sei noch abschließend zu klären, ob die Region Hannover der lokalen Bedeutung der Limmerstraße für die Bevölkerung als Ausgehmeile und der dort vorzufindenden und von der Landeshauptstadt aktiv beworbenen „Kioskkultur“ in dieser Nachbarschaft ausreichend Rechnung getragen habe. Denkbar sei etwa eine Anpassung der durch das Verkaufsverbot erfassten Zeiträume, um einen angemesseneren Interessenausgleich zu erzielen. Mittelfristig sei auch die Entwicklung eines Immissionsschutzkonzeptes von der Region zu fordern, welches insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung trage und die Kioskbetreiber nicht gegenüber den benachbarten Gastronomiebetrieben und Supermärkten ungerechtfertigt benachteilige.
Bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hatte das Verwaltungsgericht die in den letzten Wochen zu beobachtende Entwicklung des nächtlichen Immissionsgeschehens auf der Limmerstraße: Auch bedingt durch die mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Einschränkungen für das Nachtleben verwandele sich die Fußgängerzone insbesondere zu späteren Stunden in eine Partymeile. Nicht nur die Anzahl der sich inzwischen dort aufhaltenden Personen übersteige signifikant die Erfahrungswerte. Auch die Dauer und Intensität des Aufenthalts habe stark zugenommen und den regelmäßigen Einsatz des städtischen Ordnungsdienstes und engmaschige Polizeikontrollen notwendig gemacht. Diese Entwicklung sei auch den Kioskbetreibern zurechenbar, deren Geschäftsmodell den derzeit zu beobachtenden auch exzessiven nächtlichen Alkoholkonsum im öffentlichen Raum begünstige. Ein Einschreiten zum Schutze der Nachtruhe der Bewohner erscheine in Anbetracht der aktuellen Zustände geboten.
Den Beteiligten steht das Rechtsmittel der Beschwerde zum OVG Lüneburg zu.