Das Bayerische Landessozialgericht in München hat mit Urteil vom 27.02.2020 zum Aktenzeichen L 20 KR 106/19 entschieden, dass die gesetzliche Krankenkasse die Erstattung der Kosten für eine durch einen Tätowierer durchgeführte Pigmentierung der Brustwarze unter bestimmten Umständen übernehmen muss.
Aus der Pressemitteilung des DAV SozR Nr. 12/2020 vom 15.07.2020 ergibt sich:
Nachdem bei der Klägerin 2015 Brustkrebs festgestellt worden war, fand nach der Operation der Wiederaufbau der Brust statt. In der Folge wollte die Frau sich die Brustwarze durch einen Tätowierer rekonstruieren lassen. Am 02.01.2017 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme und legte einen Kostenvoranschlag vor. Erst am 08.03.2017 lehnte die Krankenkasse den Antrag ab. Die Krankenkasse teilte jedoch mit, dass die Kosten für die Behandlung übernommen würden, wenn die Klägerin dies durch einen Vertragsarzt oder ein Krankenhaus vornehmen lassen würde. Am 30.03.2017 ließ die Klägerin die Mamillenpigmentierung dennoch durch den Tätowierer vornehmen. Sie verlangte daraufhin die Erstattung der Kosten von der Krankenkasse.
In erster Instanz scheiterte sie mit der Klage auf Kostenübernahme.
Das LSG München hat der Frau jedoch Recht gegeben und die Krankenkasse verpflichtet, die Kosten für den Tätowierer zu übernehmen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts liegt eine Genehmigungsfiktion der beantragten Maßnahme vor. Die Genehmigungsfiktion trete drei Wochen nach Antragstellung ein oder nach fünf Wochen, wenn noch ein ärztliches Gutachten erforderlich sei. Geschehe dies nicht, gelte die Maßnahme als genehmigt.
Diese Frist sei hier abgelaufen. Um Rechtsmissbrauch zu vermeiden, dürfe die Leistung jedoch nicht objektiv und offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Dies sei dann der Fall, wenn jedem Versicherten klar sein müsste, dass die Krankenkasse diese Behandlung nicht bezahle. Zwar liege in diesem Fall die Tätowierung außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkasse, dies sei aber nicht für jeden offensichtlich. Das Einbringen von Pigmenten in Hautschichten stehe nicht unter einem Erlaubnisvorbehalt. Die Pigmentierung der Mamille sei nicht nur Ärzten vorbehalten. Außerdem sei in diesem Fall durch Experten bestätigt worden, dass die Pigmentierung durch einen Tätowierer als Teil der medizinischen Leistung zu betrachten sei. Daher habe die Frau davon ausgehen dürfen, dass dies von der Krankenkasse gedeckt sei.
Daran ändere auch nichts der ablehnende Bescheid vor der Durchführung der Maßnahmen. Die Genehmigungsfiktion sei bereits eingetreten. Würde man dies in diesem Fall anders sehen, würde die Genehmigungsfiktion weitgehend entwertet. Außerdem dürfe sich eine Versicherte bei unterschiedlichen (ärztlichen) Empfehlungen auf die günstigere berufen.