Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Mai 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 663/19 entschieden, dass gerichtliche Entscheidungen, durch welche das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seine zwei Kinder auf deren Mutter übertragen wurde, verfassungsgemäß sind.
Der Beschwerdeführer macht unter anderem die Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG geltend. Insbesondere sei das Beschwerdegericht seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, weil es die Kinder nicht persönlich angehört habe und deren Anhörung durch den ersuchten Richter in Abwesenheit der Verfahrensbeiständin erfolgt sei.
Die Beschwerdebegründung zeigt die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 GG insgesamt nicht auf, auch nicht durch die Gestaltung des Verfahrens seitens des Beschwerdegerichts.
Der Schutz des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, welches Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). In Fällen, in denen Fachgerichte ‒ wie hier ‒ nach der Trennung der Eltern auf Antrag eines Elternteils über die künftige Wahrnehmung der elterlichen Sorge entschieden haben, beschränkt sich die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts darauf zu prüfen, ob die Fachgerichte die Tragweite der betroffenen Grundrechte grundlegend verkannt haben. Bei fehlendem Einvernehmen der Eltern bleibt es in erster Linie dem Familiengericht vorbehalten zu beurteilen, inwieweit nach § 1671 Abs. 1 BGB die gemeinsame Sorge aufgehoben und welchem Elternteil die Alleinsorge übertragen werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2014 – 1 BvR 3360/13 -, Rn. 7 f.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. März 2018 – 1 BvR 399/18 -, juris, Rn. 14).
Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge muss am Wohl des Kindes ausgerichtet sein (vgl. BVerfGE 55, 171 <179>). Das Kind ist als ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss daher das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen (vgl. BVerfGE 55, 171 <179>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 – 1 BvR 1914/17 -, Rn. 27).
Sorgerechtsentscheidungen müssen danach den Willen des Kindes einbeziehen. Die Grundrechte des Kindes gebieten, bei der gerichtlichen Sorgerechtsregelung den Willen des Kindes zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist (grundlegend BVerfGE 55, 171 <182>; vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Dezember 2017 – 1 BvR 1914/17 -, Rn. 28 m.w.N.).
Dabei muss auch das gerichtliche Verfahren in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen. Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss, vielmehr steht auch das Verfahrensrecht unter dem Primat des Kindeswohls, dessen Schutz staatliche Eingriffe in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG erst legitimiert. Die Gerichte müssen daher ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Die Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der Art und des Umfangs der Sachverhaltsermittlung liegen im Zuständigkeitsbereich der Fachgerichte. In Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz bleibt es dem erkennenden Gericht überlassen, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>; 79, 51 <62>). Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Beschwerdegericht gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamG nicht stets gehalten ist, eine erneute persönliche Anhörung der Beteiligten durchzuführen (siehe dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2014 – 1 BvR 2102/14 -, Rn. 19).
Dass die angegriffenen Entscheidungen diesen Maßstäben nicht gerecht werden, zeigt die Begründung der Verfassungsbeschwerde auch hinsichtlich der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vom 7. Januar 2019 nicht auf.
Sie lässt insbesondere nicht erkennen, dass die Übertragung der Kindesanhörung im Beschwerdeverfahren auf den ersuchten Richter des Amtsgerichts Oldenburg und die Verwertung der dort dokumentierten Äußerungen der Kinder in der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts das aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende Gebot verletzt, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen. Die Möglichkeit einer mit Verfassungsrecht unvereinbaren Anwendung von § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG oder § 159 Abs. 1 FamFG durch das Oberlandesgericht wird nicht dargelegt.
Das Amtsgericht Bamberg ist im angegriffenen Beschluss vom 13. August 2018 nach Ausschöpfung sämtlicher ihm zur Verfügung stehender Erkenntnisquellen auf Grundlage des familienpsychologischen Sachverständigengutachtens, der Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin sowie des in Anhörungen gewonnenen persönlichen Eindrucks sowohl von den Eltern als auch von den Kindern nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Wohle der Kinder auf die Mutter als Hauptbezugsperson zu übertragen ist.
Auf dieser Grundlage war es dem Oberlandesgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt, im Beschwerdeverfahren auf eine persönliche Anhörung der Kinder durch den erkennenden Senat zu verzichten und sie stattdessen durch den ersuchten Richter anhören zu lassen.
- 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG eröffnet dem Beschwerdegericht die Möglichkeit, von einer persönlichen Anhörung abzusehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Nach von Verfassungs wegen nicht zu beanstandender einfachrechtlicher Auslegung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist diese Voraussetzung insbesondere dann erfüllt, wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2013 – XII ZB 650/12 -, juris, Rn. 11 m.w.N.). Macht das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachvollziehbarer Weise darlegen (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 – XII ZB 346/10 -, juris, Rn. 13; Beschluss vom 6. November 2013 – XII ZB 650/12 -, juris, Rn. 11).
Dem genügend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass von einer erneuten persönlichen Anhörung der Kinder ‒ nur wenige Monate nach der erstinstanzlichen Anhörung ‒ keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Es hielt zudem mit gleichfalls nachvollziehbarer Begründung die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks für entbehrlich. Nach seiner Auffassung genügte es für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 BGB, die Einschätzung der Kinder zum zukünftigen Wohnort sowie ihre Einschätzung ihrer Situation nach dem Umzug nach Oldenburg als Sachinformationen in Erfahrung zu bringen. Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht substantiiert auf, warum es dafür auf den persönlichen Eindruck des Beschwerdegerichts von den Kindern angekommen wäre und warum das gewählte Verfahren der Anhörung durch den ersuchten Richter deshalb dem Verfassungsgebot möglichst zuverlässiger Klärung der tatsächlichen Grundlagen einer am Kindeswohl ausgerichteten Entscheidung nicht gerecht geworden sein soll.
Die Verfassungsbeschwerde legt auch nicht die Möglichkeit dar, dass die Verwertung der Ergebnisse der Kindesanhörung durch den ersuchten Richter des Amtsgerichts in der Beschwerdeentscheidung mit den aus Art. 6 Abs. 2 GG folgenden Anforderungen an die Verfahrensgestaltung nicht zu vereinbaren ist. Dies könnte etwa in Betracht kommen, wenn das erkennende Gericht den vom ersuchten Richter gewonnenen persönlichen Eindruck als (vermeintlich) eigenen seiner Entscheidung zugrunde legt (vgl. zum einfachen Recht dazu Hammer, in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 159 Rn. 18 f. m.w.N). Ein solches Vorgehen des Oberlandesgerichts zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf; es lässt sich dem angegriffenen Beschluss vom 7. Januar 2019 auch nicht entnehmen. Die somit verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Anhörung durch den ersuchten Richter ergab im Übrigen keine Anhaltspunkte für die im Beschwerdeverfahren erhobene Behauptung des Beschwerdeführers, die Kinder würden sich in ihrer neuen Umgebung nicht wohlfühlen und nunmehr lieber beim Beschwerdeführer leben wollen.
Verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist es, dass die Kindesanhörung durch den ersuchten Richter in Abwesenheit der Verfahrensbeiständin erfolgte. Der Beschwerdebegründung gelingt es auch in diesem Zusammenhang nicht, einen Verstoß gegen die Pflicht, die tatsächlichen Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung sorgfältig zu ermitteln, aufzuzeigen.
Nach § 159 Abs. 4 Satz 3 FamFG soll die Anhörung eines Kindes in Anwesenheit des bestellten Verfahrensbeistands stattfinden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann hiervon zwar nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall aus Gründen einer besseren Sachaufklärung geboten ist und das Gericht hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der gesetzlichen Aufgabe des Verfahrensbeistands befunden hat (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2012 – XII ZB 661/11 -, juris, Rn. 14). Allerdings hat hier das Beschwerdegericht entgegen der Annahme des Beschwerdeführers die Verfahrensbeiständin schon nicht von einer Teilnahme an der Anhörung durch den ersuchten Richter ausgeschlossen, sondern ihr durch die Ladung zum Termin die Möglichkeit einer Teilnahme eröffnet. Die Verfahrensbeiständin hat aufgrund ihrer eigenen Entscheidung von einer Teilnahme abgesehen und stattdessen zuvor nochmals Kontakt mit den Kindern aufgenommen, um hierdurch ihre gesetzliche Aufgabe, den Interessen der Kinder im gerichtlichen Verfahren Geltung zu verschaffen, zu erfüllen. Dass das Beschwerdegericht durch diese Verfahrensgestaltung den oben dargestellten Maßstäben nicht gerecht wurde, zeigt der Beschwerdeführer daher nicht substantiiert auf. Er setzt sich auch weder mit der Ermessensausübung des Gerichts auseinander noch legt er dar, inwieweit eine Möglichkeit zur Verpflichtung der Verfahrensbeiständin zur Teilnahme an der Anhörung bestand. Näherer Ausführungen dazu bedurfte es vor allem deshalb, weil § 159 Abs. 4 Satz 3 FamFG als Anwesenheitsrecht nicht aber als Anwesenheitspflicht gedeutet wird, mithin der Verfahrensbeistand auf die Teilnahme an der Anhörung verzichten kann (vgl. Hammer, in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 159 Rn. 22 m.w.N.). Verlauf und Resultat der ausführlich dokumentierten Anhörung durch den ersuchten Richter, zu welcher die Kinder im Übrigen von beiden Eltern begleitet wurden, lassen auch nicht ansatzweise erkennen, dass die Verfahrensgestaltung nicht am Kindeswohl orientiert war.