Das Amtsgericht Frankenthal hat am 25.06.2020 zum Aktenzeichen 71 F 79/20 eA sich mit der Frage befasst, welches Elternteil über die Einschulung bestimmen darf, wenn die Eltern sich nicht einigen können, ob die Einschulung auf eine Waldorfschule oder auf eine Regelgrundschule erfolgen soll.
Aus der Pressemitteilung des AG Frankenthal vom 01.07.2020 ergibt sich:
Die Beteiligten sind die Eltern eines sechsjährigen Kindes. Sie sind und waren nicht miteinander verheiratet und üben die elterliche Sorge für das Kind S. gemeinsam aus. Das Kind soll zu Beginn des Schuljahres nach den Sommerferien 2020 in die erste Klasse einer Grundschule eingeschult werden. Die Eltern sind unterschiedlicher Auffassung, was den Schultyp angeht. Der Vater (Antragsteller) möchte das Kind auf einer Regelgrundschule anmelden und bevorzugt hier die Regelgrundschule, wo das Kind auch wohnt. Die Mutter möchte das Kind auf der Waldorfschule einschulen. Der Vater ist der Auffassung, dass die Waldorfschule für S. keine geeignete Schulform sei. Er hat grundsätzlich Bedenken gegen diese Schulform und meint, dass es besser für S. wäre, wenn sie gleich lernt, wie es in einer Regelschule abläuft, sich gegenüber anderen auch durchzusetzen und in Wettbewerb um Noten zu treten. Die Mutter meint, das Konzept der Waldorfpädagogik sei für S. besonders sinnvoll. Zudem sei dort eine gute Nachmittagsbetreuung gewährleistet und S. wolle auch auf diese Schule.
Das AG Frankenthal hat die Entscheidungsbefugnis gemäß § 1628 Satz 1 BGB, §§ 49 ff. FamFG einstweilen auf die Mutter übertragen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis gemäß § 1628 Satz 1 BGB vor. Danach könne das Familiengericht für den Fall, dass sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung sei, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die beteiligten Kindeseltern seien Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge. Sie seien derzeit nicht in der Lage, sich in einer einzelnen Angelegenheit betreffend die elterliche Sorge – hier die Schulart für die Einschulung der Tochter S. – zu einigen.
Bei der Frage des Schulwechsels und der Frage, welche Schule das Kind künftig besuchen soll, handele es sich auch um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, die zunächst nicht der Alleinentscheidungskompetenz der Antragsgegnerin gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfalle. Maßstab für die Entscheidung, welchem der beiden Elternteile die alleinige Entscheidungsbefugnis des Schulbesuchs der Tochter übertragen werde, sei das Kindeswohl, § 1697a BGB. Es sei in der Sache diejenige Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht. § 1628 BGB ermächtige die Gerichte unter Wahrung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG jedoch nur dazu, zur Herbeiführung einer notwendigen Entscheidung bei Uneinigkeit der Eltern einem Elternteil die Entscheidungskompetenz zu übertragen. Treffe das Gericht an Stelle dessen eine eigene Sachentscheidung, verstoße es nicht nur gegen Gesetzesrecht, sondern greife in verfassungswidriger Weise in das Recht der von der Entscheidung betroffenen Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Vielmehr sei umfassend zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet sei, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen und dabei auch die Vorstellungen der Eltern über die gewünschte Schule an diesem Maßstab zu messen unter Einbeziehung der Frage, welche Auswirkungen die jeweilige Schulwahl auch auf das soziale Umfeld des Kindes haben könnte.
Das Gericht habe deshalb zwischen den von den Kindeseltern vorgeschlagenen Entscheidungen für die regelungsbedürftige Angelegenheit abzuwägen, dabei die Interessen des Kindes im einzelnen zu beachten und so festzustellen, welchem Entscheidungsvorschlag zu folgen sei. Dabei seien auch die tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten der Elternteile zu berücksichtigen .
Vor diesem Maßstab und im Rahmen dieser Gesamtabwägung sei der Antragsgegnerin die alleinige Entscheidungsbefugnis über den Schulbesuch des Kindes zu übertragen, weil dies dem Wohl von S. am besten entspreche. Das Gericht habe insofern ausdrücklich nicht darüber zu entscheiden, welche Schulart für S. die am besten geeignete sei, sondern welcher Elternteil in Ansehung obiger Maßstäbe am ehesten zur Entscheidung geeignet sei. Insofern habe das Gericht u.a. folgende Kriterien gewürdigt: Die Mutter sei als Hauptbezugsperson von der Entscheidung besonders betroffen und müsse die Umsetzung überwiegend organisieren. Sie habe sich im Vorfeld tiefergehend mit der Frage beschäftigt als der Vater. Das soziale Umfeld des Kindes und der Schulweg seien zu berücksichtigen. Der Wille des erst sechsjährigen Kindes sei zu berücksichtigen, wenngleich diesem in aller Regel altersbedingt keine entscheidende Bedeutung zuzumessen sei. Kinder im Alter von sechs Jahren seien in der Regel nicht in der Lage die Folgen der Wahl eines bestimmten Schultyps abzusehen und eine Entscheidung hiernach auszurichten. Die Waldorfschule sei zudem eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Die Waldorfpädagogik, der dahinter stehende Gedanke der Anthroposophen, die besondere Schulorganisation usw. seien zwar diskutabel, aber könnten nicht per se als Gefahr für das Wohl des Kindes angesehen werden.