Das Amtsgericht Köln hat in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. vertretenen Fall mit Beschluss vom 14.11.2017 zum AKtenzeichen 713 Ds 145/17 912 Js 9110/17 entschieden, dass ein Hundehalter, dessen Hund einen Fahrradfahrer zum Sturz bringt sich nicht nach § 142 StGB wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafbar macht.
Nach Auffassung des Amtsgerichts fehlt es bereits an einem hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich eines Unfalls im Straßenverkehr. Zwar dürfte die durch das Aufeinandertreffen verursachte Verletzung des Geschädigten sowohl nach der Bedeutung des Wortes im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im Sinne des § 142 StGB einen Unfall darstellen, der auch auf öffentlichem Verkehrsgrund stattfand.
Doch hätte der Unfall seine Ursache nicht in den typischen Gefahren des Straßenverkehrs, sondern in dem Verhalten eines Hundes.
Zutreffend führt in einem parallel gelagerten Fall, in dem es zu einem Unfall einer Hundeführerin kommt das Oberste Bayerische Gericht, Beschluss vom 13.08.1979 – RReg. 1 St 216/79 aus:
Wären sie (= die Hunde) einander anderswo begegnet, so hätte es auf gleiche Weise zu den gleichen Verletzungen der Hundeführerin kommen können. Merkmal eines Verkehrsunfalls ist aber, daß das schädigende Ereignis mit den Gefahren des Straßenverkehrs im Zusammenhang steht (BGHSt 24, 382/383; BGH VRS 11, 425/426; 31, 421/422; Bär/Hauser Unfallflucht – Stand Juli 1979 – StGB § 142 Anm I 5a; Rüth in LeipzK StGB 10. Aufl § 142 RdNr 6; ders in Müller Straßenverkehrsrecht 22. Aufl StGB § 142 RdNr 4; Rudolphi in SystK StGB – Stand Dezember 1978 – § 142 RdNr 14; Dreher/Tröndle StGB 38. Aufl § 142 RdNr 9; Cramer in Schönke/Schröder StGB 19. Aufl § 142 RdNr 6; Jagusch Straßenverkehrsrecht 24. Aufl StGB § 142 RdNr 24; ders NJW 1975, 1631; Lackner StGB 12. Aufl § 142 Anm 3; Berz DAR 1975, 309; Roxin NJW 1969, 2038/2039). Da der Gesetzgeber eine Definition des Begriffs „Unfall im Straßenverkehr“ nicht gegeben hat, ist seine Bedeutung durch Auslegung zu ermitteln. Dem Wortlaut kann entscheidendes hierfür nicht entnommen werden. Daß aber nicht jeder auf einem öffentlichen Verkehrsweg stattfindende Unfall als Verkehrsunfall im Sinne des § 142 StGB anzusehen ist, sondern nur der durch die Gefahren des Straßenverkehrs bedingte, kann der geschichtlichen Entwicklung der Vorschrift entnommen werden.
Nach dem ältesten Vorläufer der heutigen Bestimmung, dem § 22 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3.5.1909 (RGBl S 437) konnte nur ein Kraftfahrzeugführer „Unfallflucht“ begehen. Durch die Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2.4.1940 (RGBl I S 606) wurde eine Bestimmung über die Unfallflucht als § 139a dem Strafgesetzbuch eingefügt. Hierbei wurden unter anderem die Worte „Der Führer eines Kraftfahrzeugs“ durch das Wort „Wer“ ersetzt. Dadurch wurde – wie auch in der amtlichen Begründung der Verordnung (DJ 1940, 508) zum Ausdruck kam – der Anwendungsbereich der Vorschrift auf alle Verkehrsteilnehmer erweitert. Nunmehr konnten auch Beifahrer in Kraftfahrzeugen, Radfahrer und Fußgänger Täter einer Verkehrsunfallflucht sein. Der Begriff des Verkehrsunfalls blieb jedoch der gleiche. Auch durch die Umbenennung der inhaltsgleichen Bestimmung in § 142 StGB durch Art 2 Nr 24 des Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4.8.1953 (BGBl I S 735) und die Neubekanntmachung des Strafgesetzbuches vom 1.9.1969 (BGBl I S 1445) wurde der Begriff des Verkehrsunfalls nicht verändert. Das Dreizehnte Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.6.1975 (BGBl I S 1349) brachte zwar eine Neufassung des § 142 StGB unter der Bezeichnung „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“, aber ebenfalls keine Änderung des Begriffs Unfall im Straßenverkehr gegenüber dem des Verkehrsunfalls nach früherem Recht (Mühlhaus StVO 8. Aufl StGB § 142 Anm 3; Berz DAR 1975, 309).
Schon zur Zeit der Geltung des § 139a StGB hatte das Reichsgericht (RGSt 75, 355/360) die Auffassung vertreten, eine Bestrafung wegen Unfallflucht habe ein schädigendes Ereignis zur Voraussetzung, das mit dem Verkehr und seinen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang stand. Dieser Auffassung sind – soweit ersichtlich – Rechtsprechung und Schrifttum gefolgt (Schönke StGB 3. Aufl – 1947 – § 139a Anm II 1; Bruns DR 1941, 2660; vgl auch Floegel/Hartung Straßenverkehrsrecht 17. Aufl – 1968 – StGB § 142 RdNr 5). Doch hat die Einschränkung, wonach der Unfall eine Folge der typischen Gefahren des Straßenverkehrs sein müsse, bis in die neuere Zeit nicht in jede Definition des Verkehrsunfalles Eingang gefunden (vgl BGHSt 8, 263/264f; 12, 253/255; Mühlhaus aaO). Hieraus kann jedoch nicht eine (auch nicht eine vorübergehende) Abkehr von dem vom Reichsgericht erarbeiteten Begriff gesehen werden. Es muß vielmehr darauf zurückgeführt werden, daß bei der Fülle ungeklärter Auslegungsfragen des jeweiligen Tatbestandes der Verkehrsunfallflucht dieses Abgrenzungsproblem nicht im Vordergrund des Interesses stand. Mit Ausnahme des Oberlandesgerichts Stuttgart (VRS 18, 117) hatten die Obergerichte anscheinend bisher keinen Anlaß, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Der Gesetzgeber, der die Auslegung des Begriffs Verkehrsunfall durch das Reichsgericht kannte, würde es aber anläßlich der mehrfachen Änderung der Bestimmung zum Ausdruck gebracht haben, wenn er diese nicht gebilligt hätte. Insbesondere daraus, daß er auch anläßlich der jüngsten Gesetzesänderungen keine Definition in das Gesetz aufnahm, folgt somit, daß der Neufassung des § 142 die hier wiedergegebene Bedeutung des Begriffs Unfall im Straßenverkehr zugrunde liegt. Das gleiche ergibt sich daraus, daß der Gesetzgeber in § 6 Abs 1 Nr 4a StVG die gesetzliche Grundlage für die eingehende Regelung der Pflichten eines Unfallbeteiligten durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Verkehr in § 34 StVO schuf. Da auch diese Regelung einen Unfall im Straßenverkehr nach § 142 StGB voraussetzt (OLG Karlsruhe VerkMitt 1978, 20 mwHinw), würde der Gesetzgeber dies zum Ausdruck gebracht haben, wenn er von einem anderen Unfallbegriff ausgegangen wäre.
Hiernach steht fest, daß einen Unfall im Straßenverkehr nur das schädigende Ereignis darstellen kann, das durch die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verursacht wurde. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der Hund der Verletzten von einem Fahrzeug angefahren oder von einem Fußgänger getreten worden wäre oder auch vor einem Fahrzeug oder Fußgänger gescheut hätte und seine Führerin dadurch gestürzt wäre. Dagegen kam sie hier zu ihrer Verletzung nicht als Folge des Straßenverkehrs, sonders des typischen Verhaltens von Hunden, die sich nur zufällig gerade auf der Straße begegneten.