Der Europäische Gerichtshof hat am 11.06.2020 zum Aktenzeichen C-786/18 entschieden, dass pharmazeutische Unternehmen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben dürfen.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 70/2020 vom 11.06.2020 ergibt sich:
Dagegen verbiete es das Unionsrecht nicht, Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben, so der EuGH.
Das Pharmaunternehmen Novartis stellt das Arzneimittel Voltaren Schmerzgel mit dem Wirkstoff Diclofenac her. Vor den deutschen Gerichten beantragt Novartis, dem Generikahersteller ratiopharm die Abgabe von Gratismustern des Arzneimittels Diclo-ratiopharm-Schmerzgel, das ebenfalls den Wirkstoff Diclofenac enthält, an Apotheker zu untersagen. Nach Auffassung von Novartis verstößt eine solche Abgabe gegen das deutsche Arzneimittelgesetz. Dort seien unter den Personen, an die Gratismuster von Arzneimitteln abgegeben werden dürften, zwar Ärzte, nicht aber Apotheker genannt. Diese Abgabe sei daher eine unzulässige Gewährung von Werbegaben. Der BGH ersucht in diesem Zusammenhang den EuGH um die Auslegung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. 2001, L 311, 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG, ABl. 2004, L 136, 34, geänderten Fassung – im Folgenden auch: Kodex). Er möchte wissen, ob dieser Kodex es pharmazeutischen Unternehmen erlaubt, Gratismuster von Arzneimitteln an Apotheker abzugeben.
Der EuGH hat entschieden, dass der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen verbietet es der Kodex nicht, Gratismuster von Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an Apotheker abzugeben.
Nach Auffassung des EuGH ist der Kodex dahin auszulegen, dass nur zur Verschreibung von der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegenden Arzneimitteln berechtigte Personen, also Ärzte, Gratismuster solcher Arzneimittel erhalten dürfen, was zur Folge hat, dass eine Abgabe an Apotheker nicht zulässig ist. Diese Arzneimittel dürften in Anbetracht der mit ihrem Gebrauch verbundenen Gefahr oder der hinsichtlich ihrer Wirkungen bestehenden Unsicherheit nämlich nicht ohne ärztliche Überwachung verwendet werden.
Allerdings werde den Apothekern durch den Kodex nicht die Möglichkeit genommen, im Rahmen des nationalen Rechts Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, damit sie sich mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen mit deren Anwendung sammeln können.