Der Bundesgerichtshof hat am 28.05.2020 zum Aktenzeichen I ZR 7/16 entschieden, dass Unternehmen, die auf ihrer Webseite Cookies zur Auswertung des Surf- und Nutzungsverhaltens ihrer Kunden einsetzen, dafür eine aktive Zustimmung der Nutzer brauchen und eine bereits vorangekreuzte Einverständniserklärung dafür nicht ausreicht.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 67/2020 vom 28.05.2020 ergibt sich:
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Beklagte veranstaltete im September 2013 unter ihrer Internetadresse ein Gewinnspiel. Nach Eingabe der Postleitzahl gelangte der Nutzer auf eine Seite, auf der Name und Anschrift des Nutzers einzutragen waren. Unter den Eingabefeldern für die Adresse befanden sich zwei mit Ankreuzfeldern versehene Einverständniserklärungen. Mit Bestätigen des ersten Textes, dessen Ankreuzfeld nicht mit einem voreingestellten Häkchen versehen war, sollte das Einverständnis mit einer Werbung durch Sponsoren und Kooperationspartner der Beklagten per Post, Telefon, E-Mail oder SMS erklärt werden. Dabei bestand die Möglichkeit, die werbenden Sponsoren und Kooperationspartner aus einer verlinkten Liste von 57 Unternehmen selbst auszuwählen. Andernfalls sollte die Beklagte diese Auswahl treffen. Das zweite Ankreuzfeld war mit einem voreingestellten Häkchen versehen und wies folgenden Text auf:
„Ich bin einverstanden, dass der Webanalysedienst Remintrex bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinnspielveranstalter, die [Beklagte], nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches [der Beklagten] eine Auswertung meines Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung durch Remintrex ermöglicht. Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen. Lesen Sie Näheres hier.“
In der mit dem Wort „hier“ verlinkten Erläuterung wurde darauf hingewiesen, dass die Cookies eine bestimmte, zufallsgenerierte Nummer (ID) erhalten würden, die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet seien, der sich mit Namen und Adresse in das bereitgestellte Webformular eingetragen habe. Falls der Nutzer mit der gespeicherten ID die Webseite eines für Remintrex registrierten Werbepartners besuchen würde, sollte sowohl dieser Besuch erfasst werden als auch, für welches Produkt sich der Nutzer interessiert und ob es zu einem Vertragsschluss kommt. Der voreingestellte Haken konnte entfernt werden. Eine Teilnahme am Gewinnspiel war aber nur möglich, wenn mindestens eines der beiden Felder mit einem Haken versehen war. Soweit im Revisionsverfahren relevant, hat der Kläger verlangt, der Beklagten zu verbieten, entsprechende Einverständniserklärungen in Gewinnspielvereinbarungen mit Verbrauchern einzubeziehen oder sich darauf zu berufen. Der Kläger hat außerdem Ersatz der Abmahnkosten verlangt.
Das Landgericht hat die Beklagte hinsichtlich beider Einverständniserklärungen zur Unterlassung sowie zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte hinsichtlich des Antrags auf Unterlassung der Verwendung der mit einem voreingestellten Ankreuzfeld versehenen Einwilligungserklärung in die Nutzung von Cookies Erfolg. Beide Parteien haben die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision eingelegt. Der BGH hat das Verfahren mit Beschluss vom 05.10.2017 ausgesetzt und dem EuGH verschiedene Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) sowie der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) hinsichtlich der Wirksamkeit einer Einwilligung in das Setzen von Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen vorgelegt. Diese Fragen hat der EuGH mit Urteil vom 01.10.2019 beantwortet.
Nunmehr hat der BGH die Revision der Beklagten zurückgewiesen und auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil hinsichtlich der Cookie-Einwilligung aufgehoben und die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten wiederhergestellt.
Nach Auffassung des BGH ist die Beklagte hinsichtlich der Einwilligung in telefonische Werbung gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG zur Unterlassung und zum Ersatz von Abmahnkosten verpflichtet, weil es sowohl nach der im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Rechtslage als auch nach der Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt an einer wirksamen Einwilligung in telefonische Werbung fehlt. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG diene der Umsetzung des Art. 13 Abs. 3 und 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG, deren Art. 2 Satz 2 Buchst. f für die Definition der Einwilligung auf Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG verweise, so dass der Begriff der „Einwilligung“ richtlinienkonform zu bestimmen sei. Für die Zeit ab dem 25.05.2018 sei auf die in Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehene Definition abzustellen, weil seither gemäß Art. 94 Abs. 1 und 2 Satz 1 dieser Verordnung Verweise auf die aufgehobene Richtlinie 95/46/EG als Verweise auf diese Verordnung gelten.
Eine Einwilligung werde „in Kenntnis der Sachlage“ i.S.d. Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstelle und worauf sie sich beziehe. Die Einwilligung erfolge im Sinne dieser Vorschrift „für den konkreten Fall“, wenn klar werde, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasse. Daran fehle es im Streitfall, weil die beanstandete Gestaltung der Einwilligungserklärung darauf angelegt sei, den Verbraucher mit einem aufwendigen Verfahren der Auswahl von in der Liste aufgeführten Partnerunternehmen zu konfrontieren, um ihn zu veranlassen, von dieser Auswahl abzusehen und stattdessen der Beklagten die Wahl der Werbepartner zu überlassen. Weiß der Verbraucher mangels Kenntnisnahme vom Inhalt der Liste und ohne Ausübung des Wahlrechts nicht, die Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmer die Einwilligung erfasse, liege keine Einwilligung für den konkreten Fall vor. Aus diesen Gründen fehle es auch an einer Einwilligung „für den bestimmten Fall“ i.S.d. Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679, die insoweit keine Rechtsänderung herbeigeführt habe.
Hinsichtlich der Einwilligung in die Speicherung von Cookies stehe dem Kläger gleichfalls ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die von der Beklagten in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vorgesehene Einwilligung des Nutzers, die den Abruf von auf seinem Endgerät gespeicherten Informationen mithilfe von Cookies im Wege eines voreingestellten Ankreuzkästchens gestatte, stelle sowohl nach dem im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Recht als auch nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht eine unangemessene Benachteiligung des Nutzers dar.
Die Einholung der Einwilligung mittels eines voreingestellten Ankreuzkästchens war nach der bis zum 24.05.2018 geltenden Rechtslage – also vor Geltung der DSGVO – i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit wesentlichen Grundgedanken des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG unvereinbar. Der beanstandete Einsatz von Cookies durch die Beklagte als Diensteanbieter diene, wie von § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG vorausgesetzt, der Erstellung von Nutzerprofilen zum Zwecke der Werbung, indem das Verhalten des Nutzers im Internet erfasst und zur Zusendung darauf abgestimmter Werbung verwendet werden solle. Bei der im Streitfall in den Cookies gespeicherten zufallsgenerierten Nummer (ID), die den Registrierungsdaten des Nutzers zugeordnet sei, handele es sich um ein Pseudonym im Sinne dieser Vorschrift. § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG sei mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG in der durch Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2009/136/EG geänderten Fassung dahin richtlinienkonform auszulegen, dass für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung die Einwilligung des Nutzers erforderlich sei. Der EuGH habe auf Vorlage durch den BGH entschieden, dass Art. 2 Buchst. f und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG i.V.m. Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/EG dahin auszulegen seien, dass keine wirksame Einwilligung im Sinne dieser Bestimmungen vorliege, wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers einer Website gespeichert seien, mittels Cookies durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt werde, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen müsse. Auf die Frage, ob es sich bei den Informationen um personenbezogene Daten handele, komme es nach der Entscheidung des EuGH in diesem Zusammenhang nicht an. Der richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG stehe nicht entgegen, dass der deutsche Gesetzgeber bisher keinen Umsetzungsakt vorgenommen habe. Denn es sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage in Deutschland für richtlinienkonform erachtete. Mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG sei eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung noch vereinbar. Im Fehlen einer (wirksamen) Einwilligung könne im Blick darauf, dass der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG das unionsrechtliche Einwilligungserfordernis umgesetzt sah, der nach dieser Vorschrift der Zulässigkeit der Erstellung von Nutzungsprofilen entgegenstehende Widerspruch gesehen werden.
An dieser Rechtslage habe sich seit dem 25.05.2018, dem ersten Geltungstag der Verordnung (EU) 2016/679, nichts geändert, weil diese Verordnung nach ihrem Art. 95 die Fortgeltung des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG als den Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG umsetzende nationale Regelung unberührt lasse. Soweit für die Definition der Einwilligung nicht mehr auf Art. 2 Buchst. h der aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG abgestellt werden könne, sondern Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 heranzuziehen sei, führe dies zum selben Ergebnis. Der EuGH habe auf Vorlage durch den BGH auch mit Blick auf Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 entschieden, dass ein vom Nutzer abzuwählendes, voreingestelltes Ankreuzkästchen keine wirksame Einwilligung darstelle.