Das Arbeitsgericht Bonn hat mit Urteil vom 26.05.2020 zum Aktenzeichen 5 Ca 83/20 entschieden, dass im Rahmen des Einstellungsverfahrens kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren des Bewerbers jedweder Art besteht.
Aus der Pressemitteilung des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.05.2020 ergibt sich:
Der Arbeitgeber dürfe bei einem Arbeitnehmer vielmehr nur Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren einholen, die für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant sein könnten. Dies gelte auch im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens für den öffentlichen Dienst, so das Arbeitsgericht.
Der Kläger steht bei der Beklagten seit dem 01.08.2018 in einem Ausbildungsverhältnis zur Fachkraft für Lagerlogistik. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat der Kläger Zugriff auf verschiedene hochwertige Vermögensgüter der Beklagten. Im Rahmen seines Einstellungsverfahrens bei der Beklagten füllte der Kläger ein „Personalblatt“ aus, in welchem er bei den Angaben zu „Gerichtlichen Verurteilungen / schwebende Verfahren“ die Antwortmöglichkeit „Nein“ ausgewählt hatte. Tatsächlich war dem Kläger zu diesem Zeitpunkt jedoch bekannt, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Raubes anhängig war und die Hauptverhandlung eröffnet werden sollte. Im Juli 2019 wandte sich der Kläger sodann an seinen Vorgesetzten und teilte ihm mit, dass er eine Haftstrafe antreten müsse und er eine Erklärung der Beklagten benötige, dass er seine Ausbildung während seines Freigangs fortführen könne. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 20.11.2019 die Anfechtung des Ausbildungsvertrages des Klägers wegen arglistiger Täuschung.
Das ArbG Bonn der Klage des Auszubildenden stattgegeben.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts konnte die Beklagte den Ausbildungsvertrag des Klägers nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Grundsätzlich sei der Arbeitgeber im Einstellungsverfahren berechtigt, bei dem Bewerber Informationen zu Vorstrafen einzuholen, wenn und soweit diese für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant seien könnten. Bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt dürfe sich der Arbeitgeber nach anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren erkundigen, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen könne. Sei hingegen die Frage nach gerichtlichen Verurteilungen und schwebenden Verfahren bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu weitgehend, sei diese Frage unzulässig und enthebe den Bewerber von der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Beantwortung.
Die von der Beklagten im Rahmen des Personalblattes gestellte unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren jedweder Art sei bei einer Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Fachkraft für Lagerlogistik zu weitgehend und damit unzulässig. Es vermag nicht jede denkbare Straftat Zweifel an der Eignung des Klägers für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik zu begründen. Dies gelte auch dann, wenn die Ausbildung durch einen öffentlichen Arbeitgeber erfolgen soll. Damit aber war die Beklagte nicht berechtigt, den Ausbildungsvertrag des Klägers wegen arglistiger Täuschung anzufechten.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim LArbG Köln eingelegt werden.