Das Oberlandesgericht Oldenburg hat am 19.03.2020 zum Aktenzeichen 1 W 60/20 in einem Fall die Anklageerhebung trotz vorhergehender Verfahrenseinstellung angeordnet, in dem bei einem Unfall zwei Motorradfahrer starben, weil ein Autofahrer sie wegen der tiefstehenden Abendsonne übersah.
Aus der Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 07.05.2020 ergibt sich:
Die beiden Motorradfahrer waren an einem sonnigen Herbsttag mit ihren Motorrädern unterwegs, als ihnen ein Autofahrer entgegenkam. Als der Autofahrer nach links abbiegen wollte, übersah er wegen der tiefstehenden Abendsonne die beiden Motorradfahrer. Es kam zu einer Kollision. Die beiden Motorradfahrer starben noch am Unfallort.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen den Autofahrer zunächst ein. Der Unfall sei unvermeidbar gewesen, denn der Autofahrer habe zum Zeitpunkt des Unfalls gegen die tiefstehende Sonne blicken müssen. Es sei daher nicht auszuschließen, dass er die Motorradfahrer wegen der Sonnenblendung nicht erkennen konnte. Die Hinterbliebenen legten gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde ein. Die Generalstaatsanwaltschaft in Oldenburg lehnte eine Änderung der Entscheidung ab: Dem Autofahrer könne kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden. Von ihm habe nicht verlangt werden können, so lange zu warten, bis er nicht mehr geblendet würde – also quasi bis zum Sonnenuntergang.
Das OLG Oldenburg hat die Anklageerhebung angeordnet.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts darf man nicht einfach „blind“ weiterfahren, ohne eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Wenn es nicht anders gehe, müsse man so lange warten, bis man wieder richtig sehen könne, was vor einem sei. Darüber hinaus habe es für den Autofahrer viel nähergelegen, zum Beispiel vor dem Abbiegen am Rand anzuhalten, bis sich seine Augen an die Blendung gewöhnt hätten.
Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg muss jetzt Anklage erheben, damit diese Sache vor Gericht verhandelt wird.