Das Oberlandesgericht Celle hat am 29.04.2020 zum Aktenzeichen 4 StS 2/20 einen Mitangeklagten von Abu Walaa wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Anstiftung zum Betrug in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
Aus der Pressemitteilung des OLG Celle Nr. 27/2020 vom 29.04.2020 ergibt sich:
Ahmed F.Y. war Mitangeklagter in dem bereits seit September 2017 vor dem Oberlandesgericht geführten Staatsschutzverfahren gegen Ahmad Abdulaziz Abdullah A. (Abu Walaa) und – neben dem Angeklagten F.Y. – drei weitere Personen. Den Angeklagten wird u.a. vorgeworfen, den sog. Islamischen Staat (IS) – teilweise als Mitglied – in einem überregionalen salafistisch-jihadistischen Netzwerk unterstützt zu haben. Sie sollen insbesondere junge Männer im Sinne der IS-Ideologie radikalisiert, zur Ausreise nach Syrien bewegt und bei der Ausreise u.a. finanziell unterstützt sowie mit notwendigen Kontakten für den teilweise erfolgten Anschluss an den IS versorgt haben.
Nachdem der in diesem Verfahren mitangeklagte Ahmed F.Y. die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe im Februar 2020 eingeräumt hatte, wurde das gegen ihn geführte Verfahren abgetrennt und nunmehr nach insgesamt 190 Sitzungstagen abgeschlossen. Das gegen die verbleibenden vier Angeklagten geführte Verfahren (4 StS 2/17) wird vor dem OLG Celle fortgesetzt.
Nach den Feststellungen des OLG Celle hat der Angeklagte F.Y. dem rechtskräftig wegen mitgliedschaftlicher Unterstützung des IS verurteilten Anil O. und dem gesondert verfolgten Yunus S. im Juli 2015 die Telefonnummern von Kontaktpersonen gegeben, die ihnen auf dem Weg nach Syrien und dort beim Anschluss an den IS behilflich sein würden. Bei einer dieser Kontaktpersonen habe es sich um Martin L. gehandelt, der ebenfalls ein Schüler von Abu Walaa gewesen sein und mit dessen Unterstützung nach Syrien ausgereist sein soll, wo er später eine hochrangige Position beim Geheimdienst des IS bekleidet haben, sich aber gegenwärtig in einem Gefängnis in Syrien befinden soll. Der in diesem Verfahren als Kronzeuge angehörte Anil O. sei – anders als Yunus S., der nur in die Türkei eingereist und ohne sich dem IS anzuschließen von dort wieder nach Deutschland zurückgekehrt sei – tatsächlich nach Syrien eingereist und habe sich dort dem IS angeschlossen.
Der Angeklagte F.Y. habe die ausreisewilligen Anil O. und Yunus S. außerdem angewiesen, Mobilfunkverträge in betrügerischer Absicht abzuschließen, um auf diese Weise hochwertige Smartphones zu erhalten, die der Angeklagte ihnen anschließend abkaufen werde, damit sie mit dem Erlös ihre Ausreise nach Syrien finanzieren könnten.
Seine Überzeugung hat das Oberlandesgericht insbesondere auf die geständigen Angaben des Angeklagten F.Y. gegründet, die mit den Angaben des Zeugen Anil O. sowie denen einer Vertrauensperson des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen (VP 01) übereinstimmen würden, an deren Richtigkeit kein Zweifel bestehe.
Die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§§ 129a, 129b StGB) wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren bestraft und stellt damit die schwerste der dem Angeklagten nachgewiesenen Straftaten dar, deren Strafrahmen deshalb nach dem Gesetz für die Bestimmung der Strafe heranzuziehen war. Die Voraussetzungen für einen minder schweren Fall, bei dem die Strafe nach dem Gesetz zu mildern ist, lägen nicht vor. Bei dem Angeklagten habe es sich nicht um einen sog. Mitläufer gehandelt. Er sei vielmehr über einen längeren Zeitraum eng in die Organisationsstruktur der DIK-Moschee in Hildesheim eingebunden gewesen und anderen Personen von dem Mitangeklagten Abu Walaa als dessen „rechte Hand“ vorgestellt worden.
Bei der Strafzumessung hat das Oberlandesgericht zu Gunsten des Angeklagten insbesondere dessen glaubhafte geständige Angaben berücksichtigt. Damit habe der Angeklagte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich zwischenzeitlich von seiner vormals salafistisch-jihadistischen Überzeugung distanziert habe. Die geständige Einlassung sei für den Angeklagten mit ganz massiven Folgen – auch für sein persönliches Umfeld und seine Zukunft – verbunden.
Da der Angeklagte sich bis Februar 2020 in dieser Sache für insgesamt drei Jahre, drei Monate und 19 Tage in Untersuchungshaft befand, ist die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe bereits vollständig verbüßt. Für die 19 Tage längere Zeit der Untersuchungshaft stehe dem Angeklagten nach der Entscheidung des OLG Celle deshalb keine Entschädigung zu, weil die Straferwartung in dem Zeitpunkt, als der Angeklagte seine geständige Einlassung abgegeben habe, weit höher als die nun ausgeurteilte Freiheitsstrafe gewesen sei und der Angeklagte nach seinem Geständnis unverzüglich aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei.
Die Generalbundesanwaltschaft hatte eine Freiheitstrafe von drei Jahren und neun Monaten beantragt, die Verteidiger des Angeklagten hatten eine geringere Freiheitsstrafe bzw. die Einstellung des Verfahrens gefordert.
Die Entscheidung kann mit der Revision zum BGH angegriffen werden und ist noch nicht rechtskräftig. Die Entscheidung über die Haftentschädigung kann der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde angreifen.