Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat am 23.04.2020 zu den Aktenzeichen 1 B 109/20, 1 B 111/20 und 1 B 107/20 entschieden, dass die grundsätzliche Begrenzung der Verkaufsfläche von Einzelhandelsbetrieben auf 800 m² verhältnismäßig ist und Restaurants mit Ausnahme des Außer-Haus-Verkaufs weiterhin geschlossen bleiben müssen.
Aus der Pressemitteilung des OVG Bremen vom 23.04.2020 ergibt sich:
1. Die Karstadt Sports GmbH (Antragstellerin) wollte mit ihrem Antrag erreichen, dass das in der Corona-Verordnung des Landes Bremen enthaltene Verbot, großflächige Einzelhandelsbetriebe über eine Verkaufsfläche von 800 m² hinaus zu öffnen, vorläufig außer Vollzug gesetzt wird.
Das OVG Bremen hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die angegriffene Regelung verhältnismäßig. Die Beschränkung der zulässigen Verkaufsfläche sei eine geeignete Maßnahme, um weitere Ansteckungen mit dem hochansteckenden Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen. Bei kleineren Verkaufsflächen sei es leichter, die infektionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das Abstandsgebot, zu überwachen. Weiterhin werde mit der Begrenzung der Verkaufsflächen dem Umstand Rechnung getragen, dass großflächige Einzelhandelsgeschäfte wegen ihres typischerweise breiten Warenangebots eine hohe Anziehungskraft auf die Kundschaft ausübten, mit der Folge, dass sich Menschenansammlungen bilden könnten und der öffentliche Nahverkehr verstärkt in Anspruch genommen werde. Im Baurecht werde das Maß von 800 m² Verkaufsfläche dafür herangezogen, um großflächige Einzelhandelsbetriebe von den sonstigen Einzelhandelsbetrieben abzugrenzen. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber die dahinterliegende Annahme, diese Betriebe seien typischerweise besonders attraktiv, übernommen habe, um durch eine Beschränkung der Verkaufsfläche die Kundenströme mittelbar zu steuern. Das Kriterium der Verkaufsfläche sei sowohl für die betroffenen Geschäftsinhaber als auch für die Ordnungsbehörden verständlich und handhabbar. Die Regelung, die für die Antragstellerin erhebliche Einkommenseinbußen bewirke, sei dadurch gerechtfertigt, dass trotz der gesunkenen Anzahl der Neuinfektionen weiterhin staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus notwendig seien, um unangemessene gesundheitliche Risiken zu vermeiden.
Die Beschränkung der Verkaufsfläche auf 800 m² stelle auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den in § 9 Abs. 3 Coronaverordnung genannten Einzelhandelsgeschäften und Einkaufszentren dar. Die in § 9 Abs. 3 Corona-Verordnung benannten Einzelhandelsgeschäfte dienten nach Einschätzung des Verordnungsgebers der Grundversorgung der Bevölkerung bzw. der Bedarfsdeckung von Handwerkern und Gewerbetreibenden. In Einkaufszentren könnten aufgrund ihrer baulichen Struktur die in der Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen regelmäßig besser gewährleistet werden. Speziell in Bremen, das in der Innenstadt über kein größeres Einkaufszentrum verfüge, sei die unterschiedliche Behandlung von Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandelsbetrieben gerechtfertigt, um die durch die Wiedereröffnung des Einzelhandels verursachten Verkehrsströme besser zu lenken und negative Wirkungen auf den Infektionsschutz im ÖPNV zu mindern.
2. Die Antragstellerinnen, zwei Restaurantketten, deren Betriebe sich ausschließlich innerhalb von Kauf- und Warenhäusern befinden, wollten erreichen, dass das in § 9 Abs. 1 der Bremischen Corona-Verordnung enthaltene Verbot, Gaststätten zu öffnen, vorläufig außer Vollzug gesetzt wird.
Das OVG Bremen hat die Eilanträge abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist Ziel der Regelung, die Weiterverbreitung der Krankheit Covid-19 einzudämmen. Die Schließung von Gaststätten sei geeignet, diese Zielsetzung zu unterstützen, weil nach gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen es insbesondere bei körperlicher Nähe von Menschen unabhängig vom direkten Körperkontakt zu einer Übertragung des Virus komme. Die Schließung von Gaststätten begrenze solche physischen Kontaktmöglichkeiten, indem sie verhindere, dass Menschen über einen längeren Zeitraum auf begrenztem Raum zusammensäßen um zu essen, zu trinken und sich zu unterhalten. Zugleich trage die Schließungsanordnung dazu bei, dass die Menschen – insbesondere im städtischen Bereich, wo ansonsten eine starke Frequentierung des öffentlichen Raums auftrete – vermehrt zu Hause blieben. Die von der Antragstellerin vorgeschlagene Öffnung unter Schutzmaßnahmen (Abstände zwischen den Tischen, Begrenzung der Personenzahl pro Tisch, kein Buffet etc.) sei kein milderes und ebenso geeignetes Mittel. Zum einen sei die Wirkung solcher Schutzmaßnahmen gerade in Gaststätten, wo sich viele untereinander nicht bekannte Menschen üblicherweise über einen längeren Zeitraum aufhielten, um zu essen und zu trinken, und – nicht zuletzt – um sich dabei auch zu unterhalten, wodurch die Infektionsgefahr besonders hoch sei, erkennbar nur begrenzt. Außerdem wäre die Einhaltung von Schutzmaßnahmen, wie die Antragstellerin sie vorschlägt, in einem von der Polizei durchzuführenden, flächendeckenden Massenvollzug, wie er in der gegenwärtigen Situation zu erfolgen habe, kaum überprüfbar. Die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie – wie behauptet – zu einer erlaubten Auslieferung von Speisen und Getränken außer Haus nicht in der Lage sei.
3. Die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, die ebenfalls einen Normenkontrollantrag und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt hatte, hat ihren Eilantrag inzwischen wieder zurückgenommen. Das Normenkontrollverfahren ist weiterhin anhängig.