Das Verwaltungsgericht Dresden hat in mehreren Beschlüssen vom 09.04.2020 zu den Aktenzeichen 6 L 249/20, 6 L 258/20 und 6 L 252/20 entschieden, dass die zur Pandemiebekämpfung angeordneten Geschäftsschließungen über einen absehbaren Zeitraum rechtmäßig sind und eine Mutter ihre erwachsene Tochter über das Osterwochenende nicht besuchen durfte.
Aus der Pressemitteilung des VG Dresden vom 09.04.2020 ergibt sich:
In dem Verfahren zum Az.6 L 249/20 wandte sich die Inhaberin eines Dresdner Blumenfachgeschäfts gegen die angeordnete Schließung ihres Ladenlokals, das sie in gemieteten Räumen führt. Am 22.03.2020 habe sie aufgrund der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020 ihr Geschäft geschlossen. Sie habe beabsichtigt, ihren Geschäftsablauf so zu gestalten, dass die Regeln des Social-Distancing hätten eingehalten werden können. Dies sei ihr aber nicht möglich, weil die Allgemeinverfügung keine Ausnahmen vorsehe. Daher habe sie ihren Warenbestand vernichten müssen. Sie könne aufgrund der Geschäftsschließung weder ihre geschäftlichen noch ihre privaten Verbindlichkeiten bedienen. Ihr drohe die Insolvenz. Sie vertritt die Auffassung, dass die Verfügung nicht auf Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes gestützt werden könne. Sie werde zu Unrecht – wie pauschal alle Einwohner der Bundesrepublik Deutschland – als ansteckungsverdächtig klassifiziert. Dieser reine Pauschalverdacht genüge nicht, um die erheblichen Eingriffe in ihre Grundrechte zu rechtfertigen. Der Freistaat habe auch sein Ermessen nicht zutreffend ausgeübt, da er mögliche mildere Mittel zur Pandemieeindämmung außer Betracht gelassen habe. Die Auswahl der zu schließenden Geschäfte sei wahllos getroffen worden. So sei nicht nachvollziehbar, dass Blumengeschäfte mit angeschlossener eigener Gärtnerei geöffnet bleiben dürften. Ob die Verfügung überhaupt geeignet sei, ihren erklärten Zweck zu erreichen, nämlich die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhalten, sei derzeit unklar.
Das VG Dresden hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die angeordneten Geschäftsschließungen von den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes gedeckt. Danach müsse die zuständige Behörde in der vorliegenden Pandemiesituation zwingend die „notwendigen Schutzmaßnahmen“ ergreifen, soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit erforderlich sind. Dabei handele es sich (nach § 28 des Infektionsschutzgesetzes) um eine sog. gebundene Entscheidung. Der damit zum Handeln verpflichten Behörde sei lediglich hinsichtlich der Art und des Umfangs der Bekämpfungsmaßnahmen ein Ermessen eingeräumt. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass Geschäftsschließungen auf dieser Grundlage als eine geeignete Schutzmaßnahme angeordnet werden könnten und auch zur Gefahrenabwehr gerechtfertigt seien. Der Freistaat habe bei seinen Festlegungen die medizinischen und epidemiologischen Erkenntnisse berücksichtigt, die derzeit vorhanden seien. Er habe die Gefahreneinschätzung hinsichtlich der von Ansteckung bedrohten Personen, insbesondere der vulnerablen Personen, in einer Weise getroffen, die vom Gericht nicht beanstandet werde. Die Infektionslage entwickele sich derzeit sehr dynamisch und müsse ernst genommen werden. In Anbetracht der Gefährdung einer Vielzahl von Menschen hätten die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin für die absehbare Zeit der Geltung der Allgemeinverfügung zurückzustehen. Sie gehöre mit ihrem Geschäft nicht zu den Einrichtungen, die den täglichen Lebensbedarf sicherstellen sollten. Auch empfindliche wirtschaftliche Nachteile könnten im Gegensatz zum Verlust zahlreicher Menschenleben finanziell ausgeglichen werden. Dies werde zumindest derzeit in Aussicht gestellt.
Im erst Verfahren zum Az. 6 L 258/20 wandte sich eine bundesweit tätige Handelsgesellschaft gegen die andauernde Schließung ihrer sächsischen Filialen. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass bei ihr aufgrund der angebotenen Waren ein Ausnahmetatbestand im Sinne der derzeit gültigen Allgemeinverfügung vom 31.03.2020 vorliege, der sie zur Öffnung ihrer Verkaufsstellen berechtigen müsse. Ihr Sortiment bestehe nämlich u. a. zu teilweise hohen Prozentsätzen aus Drogerieartikeln, Lebensmitteln und Getränken, Tierbedarfsartikeln und Gartenbedarf.
Das VG Dresden hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts stellen die Filialen der Antragstellerin keine Geschäfte dar, die der Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs der Bevölkerung dienten. Sie vertrieben zwar auch Lebensmittel, Drogerieartikel und Tierbedarfsgegenstände, jedoch in Form eines Mischsortiments. Dieses sei bereits nicht von der Regelung des Ausnahmetatbestands erfasst. Es sei auch mit der Behörde davon auszugehen, dass die genannten Artikel gerade nicht den Schwerpunkt des Sortiments ausmachten, was sich zweifelsfrei aus dem Firmenauftritt der Antragstellerin im Internet sowie ihrer aktuellen Werbung ergebe.
Im Verfahren zum Az. 6 L 252/20 wandten sich eine 1964 geborene Mutter und ihre erwachsene Tochter aus dem Landkreis Meißen gegen die sächsische Corona-Schutz-Verordnung, soweit ihnen diese gegenseitige Besuche zu Ostern unmöglich mache. Soweit die einschlägigen Kontaktsperre-Regelungen vom Gericht für rechtmäßig erachtet würden, solle der als Antragsgegner bezeichnete Landkreis Meißen verpflichtet werden, solche Besuche durch Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu gestatten.
Das VG Dresden hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts gelten die Ge- und Verbote der Verordnung, ohne dass es einer Umsetzung durch eine Behörde des Landkreises bedürfe. Dieser sei auch nicht dafür zuständig, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass es die verfügten Kontaktbeschränkungen in der gegenwärtigen Situation für verhältnismäßig erachte. Es stehe den Frauen aber frei, sich unter freiem Himmel unter Beachtung des erforderlichen Mindestabstands zu treffen.
Die unterlegenen Antragsteller können jeweils binnen zwei Wochen gegen die Entscheidungen Beschwerde beim OVG Bautzen erheben.