Corona-Pandemie: Keine Gottesdienste von Karfreitag bis Ostermontag

14. April 2020 -

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht in Weimar hat mit Beschluss vom 09.04.2020 zum Aktenzeichen 3 EO 238/20 entschieden, dass öffentliche Gottesdienste in Gebäuden auch während der Osterfeiertage wegen der Corona-Pandemie verboten bleiben.

Aus der Pressemitteilung des Thür. OVG Nr. 5/2020 vom 09.04.2020 ergibt sich:

Die vom Thüringer Gesundheitsministerium am 07.04.2020 erlassene Zweite Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Zweite Thüringer SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung – 2. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO -) bestimmt in ihrem § 3 Abs. 1, dass Zusammenkünfte in Kirchengebäuden, Moscheen und Synagogen sowie in Kulträumen anderer Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften verboten sind. Dagegen wandte sich der Antragsteller, der als eingetragener Verein Träger eines ökumenischen christlichen Klosters in Thüringen ist. Er begehrte im Wege einer einstweiligen Anordnung die Berechtigung, von Karfreitag bis Ostermontag sowie an dem darauffolgenden Sonntag öffentliche Gottesdienste unter Beachtung hygienischer Anforderungen in seiner Klosterkirche abzuhalten zu dürfen. Er sehe sich durch die Rechtsverordnung in seinem Grundrecht auf freie Religionsausübung unverhältnismäßig eingeschränkt, zumal angesichts der geringen Zahl der erwarteten Besucher die Abstandsvorschriften und sonstige Hygienevorgaben der Verordnung eingehalten werden könnten.

Das OVG Weimar hat den Eilantrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wirft der Erlass infektionsschutzrechtlicher Regelungen angesichts der Abwendung erheblicher Risiken für den Einzelnen und die Gesellschaft und damit einhergehender Gefährdungen existenzieller Rechtsgüter wie Leib und Leben einerseits und den damit verbundenen gravierenden Beschränkungen grundrechtlich geschützter Freiheitsräume bis hin zu deren vorübergehender Außerkraftsetzung andererseits schwierigste Rechts- und Tatsachenfragen auf. Ungeachtet dieser zu einem späteren Zeitpunkt in der Rechtsprechung – nicht zuletzt der Verfassungsgerichte – zu klärenden Grundsatzfragen, spreche aber einiges für die Rechtmäßigkeit der verordneten und hier konkret angegriffenen Schließung von Gottesdiensträumen für die Öffentlichkeit, ohne dass dies im vorliegenden Verfahren abschließend beurteilt werden könne.

Die Schließung habe ihre Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz. Es sei nicht ernstlich streitig, dass es sich bei der Coronavirus-Krankheit COVID-19 um eine nach dem Infektionsschutzgesetz zu bekämpfende im gesamten Bundesgebiet verbreitete übertragbare Krankheit handele. Die zuständige Stelle sei in einer solchen Situation zum Handeln verpflichtet. Ihr bleibe lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten anzuwendenden notwendigen Schutzmaßnahmen, die sich auch an Dritte richten dürften.

Der mit den in der Zweiten Thüringer SARS-CoV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung getroffenen Regelungen bezweckte Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen stelle ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Soweit der Antragsteller auch auf andere epidemische Krankheiten mit erheblichen letalen Verläufen wie Influenza verweise, sei auf die besondere Gefahr der Verbreitung des neuartigen Coronavirus in seiner dynamischen exponentiellen Ausbreitung, mit der unmittelbaren Folge einer völligen Überlastung des bestehenden Gesundheitssystems und der daraus folgenden Konsequenz einer erhöhten Mortalität hinzuweisen. Dass es sich hierbei nicht nur um theoretische Befürchtungen handele, belegten die krisenhaften Entwicklungen und Befunde in anderen Regionen in Europa und in Übersee.

Davon ausgehend erweise sich die Anordnung des Verordnungsgebers, auch Kirchenräume für Zusammenkünfte zu schließen, mit gewisser Wahrscheinlichkeit als geeignetes und erforderliches Mittel, die Entstehung von Infektionsketten zu vermeiden. Es liege auf der Hand, dass es bei Zusammenkünften, insbesondere Gottesdiensten, deren Basis ein gemeinschaftliches Feiern sei, regelmäßig zu einer Vielzahl von Kontakten der Kirchenbesucher untereinander, aber auch mit Geistlichen kommen könne. Hinzukomme, dass durch lautes Beten und Singen wie auch durch Austausch körperlicher Gesten (z.B. Friedensgruß) als wesentliche Elemente einer spirituellen Feier regelmäßig der verstärkte und weiterreichende Ausstoß von – möglicherweise infektiösen – Aerosolen konkret zu befürchten sei.

Soweit der Antragsteller geltend mache, dass die Abhaltung von Gottesdiensten unter Auflagen u.a. zur Hygiene gefahrvermindernd möglich seien, übersehe er, dass eine solche Möglichkeit dann auch landesweit für andere Religionsgemeinschaften gelten müsste. Dies würde der grundsätzlichen Intention der gesetzlichen Regelung von Kontaktbeschränkungen erheblich zuwiderlaufen. Zum anderen wäre möglicherweise innerhalb des Kirchenraumes die Ansammlung unter Beachtung der Sicherheits- und Hygienestandards kontrollierbar, jedoch nicht mehr im Bereich des ankommenden und abfahrenden Verkehrs, also bei Betreten und Verlassen des Kirchenraums.

Das Oberverwaltungsgericht verkenne nicht, dass es ein schwerwiegender Einschnitt in die freie Religionsausübung sei, dass die öffentlichen Gottesdienste gerade an den Kar- und Osterfeiertagen, die als höchste Feststage im christlichen Kirchenjahr von einer herausragenden Bedeutung für das religiöse Leben christlicher Gemeinschaften seien, nicht stattfinden dürften. Aus welchen Gründen der Antragsgegner meine, die zentrale Bedeutung des Osterfestes für die christliche Glaubensgemeinschaft in Zweifel stellen zu können, sei dagegen nicht nachzuvollziehen.

Ob die völlige Untersagung öffentlicher Gottesdienste gegenüber dem Anliegen, Gefahren für Leib und Leben abzuwenden, gerechtfertigt sei oder jedenfalls unter bestimmten strengen zeitlichen und sachlichen Auflagen solche Gottesdienste zu erlauben seien, lasse sich im summarischen Verfahren nicht abschließend beantworten. Der Verordnungsgeber habe angesichts der aktuellen Situation aber die strukturelle Grundentscheidung getroffen, zur Bekämpfung der durch die Pandemie drohenden Gefahren fürs erste unter den lebenswichtigen Belangen der Bürger die Versorgung durch Lebens- und Nahrungsmittel sowie durch medizinische Betreuung zu ermöglichen und sicherzustellen. Die Gewährleistung weiterer, seelischer, geistiger, kultureller und körperlicher Bedürfnisse habe er dabei zunächst in nicht zu beanstandender Weise zurückgestellt. Es bestehe aber für den Verordnungsgeber eine fortwährende Beobachtungs- und Überprüfungspflicht, ob und inwieweit er an seinen Einschränkungen festhalte.

Entscheidend für die Ablehnung des Antrags war eine Interessenabwägung. Bei dieser war zu berücksichtigen, dass mit der Unterbindung öffentlicher Zusammenkünfte in Kirchengebäuden kein Verbot von Gottesdiensten einhergeht. Dem Antragsteller bleibe es unbenommen diese in seiner Klostergemeinschaft allerdings unter Ausschluss einer weiteren präsenten Öffentlichkeit zu feiern. Wie sich gerade in den letzten Wochen gezeigt habe, könne Öffentlichkeit auch durch den Einsatz moderner digitaler Medien hergestellt werden. Zudem stehe es den Besuchern der Kirche frei, unter Beachtung der Bestimmungen der streitgegenständlichen Rechtsverordnung im Übrigen zum Gebet in den Gottesdiensträumen zu verweilen. Angesichts dessen sei der von der Verordnung angestrebte Schutz von Leib und Leben nach dem derzeitigen Erkenntnisstand vorrangig.

Der Beschluss ist unanfechtbar.