Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 12.03.2020 zum Aktenzeichen 1 U 31/19 entschieden, dass ein Radfahrer bei einer sportlich angelegten Trainingsfahrt, bei der er infolge eines Überholvorgangs eines anderen Teilnehmers stürzte, einen Schadensersatzanspruch hat, wenn sich zum Unfallzeitpunkt die Teilnehmergruppe bereits auseinandergezogen hatte und eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten war.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 21/2020 vom 25.03.2020 ergibt sich:
In diesem Fall habe sich nicht das typische Risiko der gemeinsamen Trainingsfahrt im Pulk, im Windschatten mit geringem Abstand der hintereinander und nebeneinander fahrenden Teilnehmer realisiert, so das Oberlandesgericht.
Ein im Landesdienst des klagenden Landes Hessen (Kläger) stehender Beamter nahm mit dem Beklagten und 15 weiteren Teilnehmern an einer Fahrradtour teil. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Friedrichsdorf-Köppern und Wehrheim aus Richtung Frankfurt am Main kommend weist der Weg ein Gefälle auf. Der Beamte fuhr hier neben einem anderen Teilnehmer. Der Beklagte versuchte, diese beiden Teilnehmer zu überholen. Als er dafür auf den unbefestigten Seitenstreifen ausweichen musste, kam es zur Berührung des Fahrrades des Beklagten mit dem neben dem Beamten fahrenden Teilnehmer. Dieser kollidierte daraufhin mit dem Beamten. Alle Teilnehmer stürzten. Der Beamte wurde gegen einen Baum geschleudert und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Der Kläger verlangte von dem Beklagten Schadensersatz für Heilbehandlungskosten und Dienstbezüge.
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben.
Das OLG Frankfurt hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger – aus übergegangenem Recht – ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen des Unfalls zu. Der Beklagte habe beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und deshalb die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Nach den Feststellungen des Landgerichts sei davon auszugehen, dass der zum linken Fahrbahnrand vorhandene Raum zum gefahrlosen Überholen nicht ausgereicht habe. Selbst nach den eigenen Angaben des Beklagten habe der Abstand zum Lenker des zu überholenden Teilnehmer der Gruppe max. 48 cm betragen. Unter Berücksichtigung, dass die Körperbreite eines erwachsenen Mannes nicht mit der Lenkerbreite eines Rennrades identisch sei, habe tatsächlich ein noch geringerer Abstand vorgelegen. Indem der Beklagte trotz des geringen Platzes in dieser Situation überholte, habe er nicht beachtet, dass es wegen möglicher Schlenker zu gefährlichen Berührungen kommen könnte, und damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und fahrlässig gehandelt. Mit Schlenkern des Überholten sei auch zu rechnen. Die Haftung des Beklagten sei hier auch nicht nach den Grundsätzen beschränkt, die bei der gemeinsamen Ausübung gefährlicher Sportarten zur Anwendung kämen. Grundsätzlich sei allerdings bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial davon auszugehen, dass der schädigende Wettbewerber für Schäden eines Mitbewerbers ohne gewichtige Regelverletzung nicht hafte. Hintergrund hierfür sei, dass jeder Teilnehmer durch die typischen Risiken in gleicher Weise betroffen sei und es mehr oder weniger vom Zufall abhänge, ob er zu Schaden komme oder anderen Schaden zufüge. Diese Grundsätze fänden grundsätzlich auch beim Radfahren im Pulk bei einer Trainingsfahrt Anwendung. Hier habe sich jedoch nicht das typische Risiko der gemeinsamen Trainingsfahrt im Pulk, im Windschatten mit geringem Abstand der hintereinander und nebeneinander fahrenden Teilnehmer realisiert. Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Teilnehmergruppe vielmehr bereits auseinandergezogen; es sei eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten. Ziel der Trainingsfahrt sei es gewesen, schnell auf den Berg zu kommen und entspannt wieder herunterzurollen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim BGH begehren.