Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 28.06.2018 zum Aktenzeichen 484 C 14424/16 WEG entschieden, dass ein vollständiges Verbot des Schlagzeugspielens in einer Mietwohnung nicht zulässig ist, da das Musizieren in der eigenen Wohnung zum Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gehört.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 8/2020 vom 31.01.2020 ergibt sich:
Allerdings kann es zeitlich limitiert werden, so dass z.B. an Sonn- und Feiertagen die Ausübung des Schlagzeugspielens auf eine Stunde begrenzt werden kann (mit Ausnahme der Ruhezeiten).
Die klagende Nachbarin, die in der Regel von Montag bis Donnerstag von 8 bis 18.30 Uhr außer Haus arbeitet, wohnt im zweiten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Das beklagte Ehepaar wohnt zusammen mit seinem Sohn in einer Erdgeschosswohnung mit einem über eine Wendeltreppe erreichbaren Hobbyraum. Es gibt keine Hausordnung. Die Gemeinschaftsordnung enthält eine allgemeine Gebrauchsregelung, dass die im Sondereigentum stehenden Räume nur in einer Weise genutzt werden dürfen, die nicht die Rechte der übrigen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen dürfen. Weiter dürfen die Wohnungen nur für Wohnzwecke verwendet werden. Der Sohn der Beklagten studiert Schlagzeug und hat als Mitglied einer professionellen Jazzband sein Schlagzeug in dem Hobbyraum aufgestellt.
Die Klägerin trägt vor, dass es sich bei dem Schlagzeugspielen um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, die in der Wohnung nicht erlaubt sei. Sowohl die Monotonie des Schlagzeugs als auch dessen Lautstärke seien für die Klägerin unerträglich belastend. Der Sohn der Beklagten halte sich an keine Ruhezeiten, er spiele zu sämtlichen Tageszeiten, selbst an Samstagen wie Sonn- und Feiertagen. Sie verlangt, das Schlagzeugspiel gänzlich zu unterlassen. Die Beklagten tragen vor, dass zwischen Hobbyraum und der Wohnung der Klägerin zwei Vollgeschosse liegen. Der Hobbyraum sei mehrfach schallisolierend ausgekleidet, eine erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin deswegen ausgeschlossen. Aufgrund seines Studiums müsse der Sohn täglich üben. Das Schlagzeugspiel sei eine körperliche Tätigkeit, die einen hohen Fitnessgrad voraussetze. Dieser könne wie die Fingerfertigkeit und Professionalität des Spiels nur durch tägliches Training beibehalten werden. Musizieren sei innerhalb der eigenen Wohnung ein sozial übliches Verhalten und dürfe nicht völlig untersagt werden, sondern könne im Interesse anderer Hausbewohner allenfalls zeitlich beschränkt werden. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Grenzen zumutbaren Lärms nach der bei Errichtung des Hauses geltenden DIN 4109 von dreißig Dezibel um zwei bis vier Dezibel überschritten werden.
Das AG München hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Mieter erlaubt, generell nur zwischen 9 und 13 Uhr und 15 bis 20 Uhr werktags max. zwei Stunden und Sonn- und Feiertags max. eine Stunde Schlagzeug zu spielen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts kommt ein vollständiges Musikverbot nur aufgrund schwerwiegender, nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht mehr hinnehmbarer Störung in Betracht. Eine solche schwerwiegende Störung liege aber hier nicht vor, denn zwischen dem Hobbyraum, in dem Schlagzeug gespielt werde und der Wohnung der Klägerin liegen zwei Vollgeschosse und die Wohnung der Klägerin sei auch noch seitlich versetzt, so dass die Geräusche nicht in vollem Maße bei der Klägerin ankommen, sondern gedämpft. Ein völliges Verbot könnte deshalb hier nicht ausgesprochen werden.
Auch bei professionell ausgeübtem Musizieren könne ein Musizieren grundsätzlich nicht vollständig verboten werden, zumal dies auch einen unerlaubten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit bedeuten würde. Außerdem betreibe der Sohn der Beklagten keinen Gewerbebetrieb, der in der Wohnung, die nur zu Wohnzwecken diene, nicht betrieben werden dürfte. Ein Musizieren könne deshalb als freiberufliche Tätigkeit gewertet werden, die, wenn sie so wie hier untergeordnet sei, auch in Wohnungen ausgeübt werden dürfe. Seien bei Musizieren mit Instrumenten trotz schalldämmender Maßnahmen Geräuschbelästigungen in benachbarten Wohnungen nicht völlig auszuschließen, stehe das Interesse des einen Wohnungsinhabers an der Musikausübung dem des anderen an ungestörter Ruhe gegenüber. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ausübung von Musik einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts bildeten und von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude sein könne und dass das Musizieren in der eigenen Wohnung zum Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu rechnen sei. Andererseits müsse beachtet werden, dass die eigene Wohnung die Möglichkeit zum Leben mit der Familie, zur Entspannung und Erholung und zur häuslichen Arbeit eröffnen, mithin auch die jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten soll. Zu berücksichtigen seien hier auch die Interessen des Sohnes der Beklagten, der vor allem am Wochenende einen Übungsraum benötige, weil er meistens nur am Wochenende (mit Ausnahme der Semesterferien) zu Hause sei, so dass ein völliger Ausschluss des Schlagzeugspielens an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig wäre und dem Sohn deshalb die Ausübung des Schlagzeugspielens für eine Stunde erlaubt sein soll (mit Ausnahme der Ruhezeiten).
Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung seit 21.11.2019 rechtskräftig.