Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 15.01.2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 1763/16 entschieden, dass die Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen einen Amtsarzt, einen Stationsarzt und einen Pfleger, die an der Zwangsfixierung und -behandlung sowie vorläufigen Unterbringung einer Patientin im geschlossenen Bereich eines Krankenhauses nach einem Unfall beteiligt waren, verfassungswidrig war.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 5/2020 vom 22.01.2020 ergibt sich:
Die Beschwerdeführerin stürzte am Abend des 06.07.2012 vom Pferd und wurde wegen auftretender Gedächtnislücken und Schmerzen in das Universitätsklinikum Kiel verbracht. Dort wurden ein Schädel-Hirn-Trauma sowie diverse Prellungen diagnostiziert; zudem wurde die Beschwerdeführerin mehrfach auf Hirnverletzungen untersucht. Als ihr am Folgetag eine Entlassung verwehrt wurde, verließ sie entgegen ärztlichem Rat das Klinikgebäude. Vom Stationspersonal herbeigerufene Polizeibeamte konnten sie jedoch überreden, zur Klärung der Angelegenheit auf die Station zurückzukehren. Nachdem die Beschwerdeführerin eine Fesselung energisch abgelehnt hatte, wurde sie vom beschuldigten Stationsarzt, einem Pfleger und den Polizeibeamten unter Anwendung körperlicher Gewalt auf das Bett gelegt und an den Armen, den Beinen sowie im Hüftbereich fixiert.
Der ebenfalls beschuldigte Amtsarzt, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erstellte kurz darauf ein ärztliches Gutachten, in dem er aufgrund von Angaben des diensthabenden Arztes verschiedene Verletzungen, unter anderem eine Scherverletzung im Stammganglienbereich, sowie ein Durchgangssyndrom mit Erregungszuständen diagnostizierte. Er ordnete daraufhin die vorläufige Unterbringung, längstens bis zum 08.07.2012, 24:00 Uhr, auf der Intensivstation an. Mit Beschluss vom 07.07.2012 ordnete die ebenfalls beschuldigte Richterin am Amtsgericht die Unterbringung im geschlossenen Bereich eines Krankenhauses bis zum Ablauf des 08.07.2012 an. Es bestehe eine erhebliche Eigengefährdung gemäß § 7 PsychKG.
Das LG Kiel hatte auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin hin entschieden, dass sie durch den Beschluss vom 07.07.2012 in ihren Rechten verletzt worden sei. Das VG Schleswig stellte darüber hinaus fest, dass die Anordnung der vorläufigen Unterbringung durch den Amtsarzt rechtswidrig gewesen sei. Der Anordnung habe kein Gutachten zugrunde gelegen, das die Notwendigkeit der Unterbringung in gerichtlich nachvollziehbarer Weise begründet habe.
Die Staatsanwaltschaft bei dem LG Kiel stellte das Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Amtsarztes sowie der Richterin gemäß § 170 Abs. 2 StPO und hinsichtlich des Stationsarztes sowie des Pflegers gemäß § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO ein. Die hiergegen erhobenen Rechtsmittel blieben jeweils erfolglos.
Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen insgesamt drei Beschuldigte stattgegeben.
Nach Auffassung des BVerfG hat das Landgericht in den angegriffenen Entscheidungen Bedeutung und Tragweite des Rechts auf effektive Strafverfolgung verkannt, weil der Sachverhalt – insbesondere die Tatfolgen – nicht hinreichend aufgeklärt worden ist.