Das Sächsische Landessozialgericht in Chemnitz hat mit Beschluss vom 03.12.2019 zum Aktenzeichen L 8 SO 94/19 B ER entschieden, dass das Sozialamt Gebärdendolmetscher in der Schule für Hörgeschädigte vorläufig zahlen muss.
Aus der Pressemitteilung des Sächsischen Landessozialgerichts Nr. 4/2019 vom 19.12.2019 ergibt sich:
Der Antragsteller, ein 2006 geborener gehörloser Schüler der „Johann-Friedrich-Jencke-Schule in Dresden“ beantragte gegenüber dem für ihn zuständigen Träger der Sozialhilfe eine gerichtliche Eilentscheidung, weil dieser es abgelehnt hatte, die Kosten für einen unterrichtsbegleitenden Gebärdendolmetscher im Schuljahr 2019/2020 zu übernehmen, weil die Lehrkräfte der Schule selbst keine ausreichenden Kompetenzen der deutschen Gebärdensprache (DGS) besäßen. Der Unterricht an der Schule werde überwiegend in Lautsprache abgehalten.
Das SG Dresden hatte mit Beschluss vom 05.09.2019 den Sozialhilfeträger vorläufig verpflichtet, im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für einen DGS-Dolmetscher fürs erste Schulhalbjahr zu übernehmen. Dagegen hatte u.a. der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, u.a. weil die Schule Lehrkräfte mit DGS-Kenntnissen zur Verfügung stellen müsse.
Das LSG Chemnitz hat die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers, ihm mehr Stunden für das Schulhalbjahr 2019/2020 zu gewähren, ist ebenfalls erfolglos geblieben.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne der §§ 53 ff. SGB XII vor, nämlich ein Anspruch auf Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, nach § 53 i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, der in § 12 der Verordnung nach § 60 SGB XII Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglhV) konkretisiert wird. Der Kernbereich pädagogischer Tätigkeit werde durch die vom Antragsteller begehrte Unterrichtsassistenz durch einen Gebärdensprachdolmetscher nicht berührt. Es gehe bei dem Antragsteller nicht um die Wissensvermittlung als solche, sondern um die Schaffung von (Grund-)Voraussetzungen, um überhaupt lernen zu können.
Die Gebärdensprache des Antragstellers sei nach summarischer Prüfung so hinreichend entwickelt, dass er bei einer Übersetzung des Schulunterrichts durch einen Dolmetscher von der Lautsprache in die DGS in ausreichendem Maße Wissen erwerben könne. In welchen Unterrichtsfächern dies noch und in welchem Ausmaß erreicht werden könne, sei eine Frage des Hauptsacheverfahrens und dort zu ermitteln. Die bisherige Unterrichtsgestaltung mit einem konzeptionell vorrangig lautsprachlichen Unterricht werde den Bedürfnissen des Antragstellers nicht gerecht.
Eine Verpflichtung des Schulträgers in Bezug auf seine Verpflichtungen nach dem Schulgesetz des Freistaates Sachsen sei im Rahmen des Sozialgerichtsverfahrens ausgeschlossen.