Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 10.12.2019 zum Aktenzeichen 8 U 86/18 entschieden, dass eine Pflegemutter, die ein offensichtlich vernachlässigtes Baby einer Minderjährigen aufnimmt und drei Jahre Erziehungsurlaub nutzt, nicht von den behandelnden Ärzten wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers Verdienstausfall für diese Zeit verlangen kann.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 77/2019 vom 18.12.2019 ergibt sich:
Die Berufstätigkeit sei nicht wegen der Erkrankung aufgegeben worden, sondern um dem Kind intensive Nähe und Fürsorge zukommen zu lassen, so das Oberlandesgericht.
Der Kläger wurde von einer in den ersten Wochen der Schwangerschaft Alkohol konsumierenden Minderjährigen geboren. Durch Vermittlung des Jugendamtes kam er in die Pflege der Klägerin und ihres Ehemanns, die ihn schließlich adoptierten. Die ärztliche Behandlung erfolgte zunächst durch die Beklagten, die u.a. Medikamente wegen ADHS verschrieben. Die Pflegeeltern stellten den Kläger später in einer FAS (Fetales Alkoholsyndrom)-Ambulanz vor. Es wurde ein partielles fetales Alkoholsyndrom diagnostiziert. Der Kläger wirft den Beklagten vor, das Vorliegen eines fetalen Alkoholsyndroms nicht diagnostiziert zu haben. Die klagende Adoptivmutter begehrt von den Beklagten Verdienstausfall für die Zeiten des dreijährigen Erziehungsurlaubes und der nachfolgenden Aufgabe ihrer früheren Vollzeitbeschäftigung i.H.v. knapp 150.000 Euro.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
Das OLG Frankfurt hat die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist kein Behandlungsfehler festzustellen. Insbesondere habe keine (Verdachts-) Diagnose auf Vorliegen eines FAS gestellt werden müssen. Es sei nicht feststellbar, dass der Alkoholkonsum der leiblichen Mutter den Beklagten bekannt gewesen sei. Die Beklagten hafteten auch nicht wegen eines Befunderhebungsfehlers, da nicht feststellbar sei, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund des Vorliegens spezifischer Merkmale der FAS die zu klärende Verdachtsdiagnose zu stellen gewesen wäre. Soweit Auffälligkeiten diagnostiziert worden waren, ließen sich diese auf die Vernachlässigung des Klägers in seinen ersten Lebenswochen zurückführen, in denen er nicht die nötige Nähe und Fürsorge erhielt.
Jedenfalls sei nicht feststellbar, dass eine frühere adäquate Therapie die Erkrankungsfolgen abgemildert hätte. Der herangezogene Sachverständige habe vielmehr dargelegt, dass bei früherer Einleitung einer Therapie keine Verbesserung hätte erreicht werden können.
Die Adoptivmutter könne auch nicht Ersatz des Verdienstausfalls verlangen. Sie sei zwar berechtigt, aus dem Behandlungsvertrag den Mehraufwand für die Pflege und Versorgung des durch die Behandlung geschädigten Kindes als eigenen Schaden geltend zu machen. Hier verlange die Pflegemutter indes nicht vermehrten Pflege- und Unterhaltsaufwand, sondern Verdienstausfall. Es sei – unabhängig vom fehlenden Behandlungsfehler – zudem nicht feststellbar, dass sie ihre Berufstätigkeit wegen des Klägers aufgegeben habe. Die Pflegemutter habe nicht wegen der Erkrankung auf die dreijährige Berufstätigkeit verzichtet, sondern um das vernachlässigte Baby aufzunehmen und diesem ersichtlich intensive Nähe und Fürsorge zukommen zu lassen. Da eine frühere Behandlung des Klägers nicht zu einer normalen Entwicklung geführt hätte, könne sie auch nicht Verdienstausfall für die Zeit nach Ablauf des Erziehungsurlaubs verlangen.