Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 03.12.2019 zum Aktenzeichen 8 U 129/18 entschieden, dass Rechtsanwälte ihre Mandanten vor Abschluss eines Abfindungsvergleichs über dessen Bedeutung und Inhalt umfassend belehren und die Vor- und Nachteile darlegen müssen, ihnen aber bei der Abwägung ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 73/2019 vom 05.12.2019 ergibt sich:
Bestehe die reale Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung des in Anspruch genommenen Arztes wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls vollständig die Regulierung ablehnen könnte, spreche dies dafür, dem Mandanten zum Abschluss des Vergleichs zu raten, so das Oberlandesgericht.
Die Klägerin nimmt die beklagten Rechtsanwälte auf Schadensersatz wegen der behaupteten Verletzung anwaltlicher Pflichten in Anspruch. Sie hatte einen Verkehrsunfall erlitten und war wegen andauernder Beschwerden in Rostock in einer Praxis operiert worden. Eine medizinische Indikation für diesen Eingriff lag tatsächlich nicht vor. Deshalb beauftragte sie die Beklagten, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem operierenden Arzt geltend zu machen. Nach Einleitung des Verfahrens beim LG Rostock führte die beklagte Anwältin Regulierungsgespräche mit der Versicherung des Arztes und unterzeichnete letztlich eine Abfindungserklärung im Namen der Klägerin. Die Klägerin behauptet, sie sei nicht richtig über die Tragweite dieses Abfindungsvergleichs aufgeklärt worden. Bei richtiger Aufklärung hätte sie dem Vergleich nicht zugestimmt. Sie begehrt Zahlung von knapp 300.000 Euro.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung hatte auch vor dem OLG Frankfurt keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Beklagte zu 1) die Klägerin umfassend und zutreffend über die Tragweite eines Abfindungsvergleichs aufgeklärt. Es stelle auch keine Pflichtverletzung dar, dass sie der Klägerin nicht von dem Abschluss des Vergleichs abgeraten habe. Rechtsanwälte müssten zwar Vor- und Nachteile eines von dem Mandanten erwogenen Vergleichs darlegen. Aufgrund der Schwierigkeiten und Ungewissheiten bei dieser Abwägung sei ihnen jedoch ein Ermessensspielraum zuzubilligen. Andernfalls gingen sie ein nicht mehr tragbares Risiko ein. Abzuraten sei von einem Vergleich, wenn er für die von ihnen vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstelle und insbesondere begründete Aussicht bestehe, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen. Diese Fragen seien allein aus der damaligen Sicht zu beurteilen.
Hier sei nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme und informatorischen Anhörung von einer ordnungsgemäßen Aufklärung auszugehen. Es gebe auch keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Klägerin die Hinweise und Erläuterungen ihrer Anwältin nicht richtig erfasst habe. Die Klägerin habe vielmehr „schnelles Geld“ haben wollen, um Umbaumaßnahmen zu finanzieren. Ohne Vergleichsschluss habe zudem die reale Gefahr bestanden, dass die Versicherung ihrem Versicherungsnehmer (dem Operateur) den Versicherungsschutz verweigere. Die Versicherung habe die Regulierung des von dem Arzt angerichteten Schadens verweigern können, weil dieser möglicherweise vorsätzlich gehandelt habe. Derzeit laufe ein Strafverfahren vor dem LG Rostock gegen den Arzt. Schließlich stütze den Vergleichsabschluss, dass der Sachverständige nicht alle von der Klägerin geltend gemachten Folgeschäden auf den Unfall zurückführen konnte.
Im Übrigen habe die Klage bereits deshalb keinen Erfolg, da es an einem Schaden der Klägerin fehle. Soweit ein Rechtsanwalt wegen der Vereitelung eines Anspruchs eines Mandanten in Regress genommen werde, setzt die Verurteilung voraus, dass der vereitelte Anspruch durchsetzbar gewesen wäre. Hier habe die Klägerin den Beweis für höhere Zahlungsansprüche nicht führen können.