Die jüngst im Amtsblatt der Stadt Sebnitz veröffentlichte private Stellenanzeige, in der explizit Bewerber mit diskriminierenden Zuschreibungen wie „Hakennasen“, „Bimbos“ und „Zeppelträger“ ausgeschlossen werden, hat bundesweit Empörung ausgelöst. Der Vorfall wirft nicht nur gesellschaftspolitische Fragen auf, sondern ist auch arbeitsrechtlich und strafrechtlich hoch brisant. Nachfolgend wird die rechtliche Einordnung dieser Anzeige insbesondere unter dem Aspekt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und relevanter strafrechtlicher Vorschriften dargestellt.
1. Rechtsgrundlagen: Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verfolgt das Ziel, Benachteiligungen aus rassistischen oder sonstigen diskriminierenden Gründen im Arbeitsleben zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Arbeitgeber dürfen demnach keine Person aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts benachteiligen (§ 7 Abs. 1 AGG).
Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang § 11 AGG, der sich explizit auf Stellenanzeigen bezieht:
§ 11 AGG – Ausschreibung von Stellen:
„Ein Arbeitgeber darf eine Stellenausschreibung nicht in einer gegen § 1 verstoßenden Weise formulieren.“
Die Anzeige des Dachdeckermeisters Ronney W. stellt eine eklatante Verletzung dieser Vorschrift dar, da sie potenzielle Bewerber wegen ihrer tatsächlichen oder vermuteten ethnischen Herkunft („Bimbos“), Religion („Zeppelträger“ als mögliche Chiffre für Muslime) oder Zugehörigkeit zu einer jüdischen Kultur („Hakennasen“) ausschließt. Eine derart formulierte Ausschreibung ist offensichtlich diskriminierend und damit unzulässig.
2. Arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber
Ein derartiger Verstoß gegen § 11 AGG kann arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen:
-
Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG:
Abgelehnte Bewerber*innen, die durch die Anzeige diskriminiert wurden, können eine Entschädigung verlangen, auch wenn kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Die Höhe richtet sich nach dem Einzelfall und dem Grad der Benachteiligung. -
Schadensersatzansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG:
Bei materiellen Schäden infolge der Diskriminierung kann zusätzlich Schadensersatz verlangt werden. -
Negative Öffentlichkeitswirkung und Reputationsschäden:
Neben juristischen Konsequenzen drohen Unternehmen bei AGG-Verstößen erhebliche Imageverluste, insbesondere wenn sich der Vorfall – wie hier – in sozialen Medien verbreitet.
3. Verantwortlichkeit des Verlags und der Stadtverwaltung
Obwohl die Stadtverwaltung Sebnitz betont, nur für den redaktionellen Teil des Amtsblatts verantwortlich zu sein, ist rechtlich fraglich, ob sie sich vollständig aus der Verantwortung entziehen kann. Die Veröffentlichung in einem behördlichen Amtsblatt erweckt den Anschein amtlicher Billigung. Daher könnten sich staatshaftungsrechtliche Fragen stellen, insbesondere im Hinblick auf die Verletzung von Organisations- und Überwachungspflichten.
Auch der Verlag Linus Wittich Medien, der den Anzeigenteil verantwortet, könnte haftbar gemacht werden. Im Raum steht:
-
Unterlassungsanspruch nach AGG:
Organisationen wie Antidiskriminierungsstellen oder zivilgesellschaftliche Gruppen könnten gegen den Verlag vorgehen, um zukünftige Verstöße zu unterbinden. -
Arbeitsrechtliche Konsequenzen intern:
Der Verlag kündigte bereits an, die Anzeige sei ein „schwerwiegender Fehler“, man prüfe „arbeitsrechtliche Maßnahmen“. Verantwortliche Mitarbeiter*innen könnten mit Abmahnungen oder Kündigungen konfrontiert werden.
4. Strafrechtliche Relevanz: Volksverhetzung und Beleidigung
Neben den arbeitsrechtlichen Dimensionen kommt auch das Strafrecht ins Spiel. Besonders in Betracht zu ziehen sind folgende Straftatbestände:
-
Volksverhetzung (§ 130 StGB):
Wenn die Anzeige geeignet ist, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufzurufen oder die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, liegt eine strafbare Volksverhetzung vor. Die explizite Nennung abwertender Begriffe („Bimbos“, „Hakennasen“) spricht dafür. -
Beleidigung (§ 185 StGB):
Die diskriminierenden Begriffe können zudem den Tatbestand der Beleidigung erfüllen, sofern sie sich auf identifizierbare Gruppen beziehen. -
Verstoß gegen das AGG kann Indizwirkung entfalten:
Zwar ist das AGG kein Strafgesetzbuch, eine darin festgestellte Diskriminierung kann aber die strafrechtliche Bewertung unterstützen.
Mehrere Strafanzeigen, u. a. vom Linken-Kreisverband, wurden bereits gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt.
5. Prävention und Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Der Vorfall macht deutlich, wie wichtig es für Arbeitgeber ist, Diskriminierung konsequent zu vermeiden – nicht nur im Arbeitsalltag, sondern bereits bei der Formulierung von Stellenanzeigen. Empfehlenswerte Maßnahmen sind:
-
Schulung und Sensibilisierung von Personalverantwortlichen
-
Verwendung diskriminierungsfreier, geschlechtsneutraler Sprache
-
Überprüfung von Anzeigen durch Rechts- oder Compliance-Abteilungen
-
Implementierung interner Beschwerdemechanismen
Fazit
Die Stellenanzeige aus Sebnitz stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das AGG dar und erfüllt darüber hinaus möglicherweise auch strafrechtliche Tatbestände wie Volksverhetzung und Beleidigung. Arbeitgeber, Behörden und Verlage müssen aus diesem Fall Lehren ziehen: Diskriminierung – ob direkt oder indirekt – ist nicht nur gesellschaftlich verwerflich, sondern auch rechtlich hoch riskant. Wer Stellen ausschreibt, trägt Verantwortung – für Inhalte, Formulierungen und Botschaften. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind eindeutig: Diskriminierung hat im Arbeitsmarkt keinen Platz.