Neue Studie zu Kündigungen: Warum immer mehr Arbeitnehmer wirklich die Reißleine ziehen – und was Arbeitgeber daraus lernen müssen

15. April 2025 -

Die Zeiten, in denen Arbeitnehmer jahrzehntelang demselben Unternehmen treu blieben, sind endgültig vorbei. Aktuelle Studien zeigen: Die Wechselbereitschaft in der Belegschaft ist hoch – und sie wächst weiter. Besonders bei jüngeren Generationen scheint ein Arbeitgeberwechsel nicht Ausnahme, sondern Regel zu sein. Doch was genau bewegt Menschen dazu, ihren Job zu kündigen? Welche Rolle spielen dabei arbeitsrechtlich relevante Aspekte wie Führung, Belastung und Entwicklungsperspektiven? Und was sollten Arbeitgeber jetzt rechtlich und strategisch beachten, um Kündigungen wirksam zu vermeiden?

Eine neue Untersuchung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg unter Leitung der Arbeitspsychologin Sabine Hommelhoff gibt aufschlussreiche Antworten – und bringt teils überraschende Details ans Licht.


Wissenschaftlich fundiert: Die wahren Gründe für Kündigungen

Im Rahmen einer groß angelegten Metaanalyse wertete das Forschungsteam insgesamt 78 Studien aus Nordamerika und Europa mit Daten von über 800.000 Beschäftigten aus. Zusätzlich wurden rund 200 Arbeitnehmer anonym befragt und mehr als 300 Austrittsgespräche systematisch ausgewertet.

Die Studien unterschieden dabei zwischen sogenannten Annäherungsmotiven – also dem Wunsch nach Verbesserung – und Vermeidungsmotiven, etwa der Flucht vor belastenden Umständen wie Stress oder Konflikten.

Die Top-Kündigungsgründe im Überblick:

  1. Überarbeitung und Stress
    Der häufigste Kündigungsgrund war eindeutig: Überforderung am Arbeitsplatz und der daraus resultierende psychische Druck.

  2. Fehlende Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten
    Arbeitnehmer wollen sich weiterentwickeln – bleibt diese Perspektive aus, sinkt die Bindung an das Unternehmen.

  3. Probleme mit Führungskräften
    Schlechte Kommunikation, mangelnde Wertschätzung und unzureichende Führungsqualitäten gehören zu den am häufigsten verschwiegenen, aber entscheidenden Kündigungsmotiven.

Ein beachtlicher Teil der Kündigungsgründe wird jedoch nicht offen kommuniziert. Im Schnitt wurde laut Studie ein Viertel der wahren Beweggründe verschwiegen – etwa aus Loyalität, Angst vor Konsequenzen oder dem Wunsch, das Arbeitsverhältnis trotz allem nicht im Streit zu beenden.


Arbeitsrechtliche Relevanz: Was Unternehmen aus der Studie lernen müssen

Die Erkenntnisse der Studie sind nicht nur für Personalverantwortliche von Bedeutung – sie werfen auch wichtige Fragen aus arbeitsrechtlicher Sicht auf:

1. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB)

Arbeitgeber haben eine gesetzliche Pflicht, die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu schützen. Eine dauerhaft hohe Arbeitsbelastung oder fehlende Möglichkeiten zur Erholung können als Verletzung dieser Fürsorgepflicht gewertet werden. Dies kann nicht nur zu einem schlechten Betriebsklima und Kündigungen führen, sondern im Extremfall auch Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.

2. Betriebliche Mitbestimmung (§ 87 BetrVG)

Bei Maßnahmen zur Arbeitszeitgestaltung, Stressvermeidung oder Weiterbildung hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Arbeitgeber sollten solche Programme daher nicht nur initiieren, sondern auch in enger Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung gestalten.

3. Mangelhafte Führung als Kündigungsgrund – rechtlich unterschätzt

Probleme mit Vorgesetzten zählen laut Studie zu den häufig verschwiegenen, aber entscheidenden Kündigungsgründen. Rechtlich betrachtet stellt dies ein organisatorisches Risiko für Arbeitgeber dar: Führungskräfte fungieren als verlängerter Arm des Arbeitgebers – mangelnde Qualifikation oder destruktives Führungsverhalten können letztlich eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers darstellen, etwa im Rahmen des institutionellen Organisationsverschuldens.


Generation Z im Fokus: Der „Bewerbermarkt“ wird zum Risiko

Besonders auffällig ist die hohe Wechselbereitschaft der sogenannten Generation Z (Geburtsjahrgänge 1997–2012). Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag von Xing denken fast die Hälfte der Gen-Z-Arbeitnehmer über einen Wechsel in 2025 nach. Schon jetzt hat mehr als die Hälfte dieser Altersgruppe ihren ersten Arbeitgeber verlassen – häufig nach sehr kurzer Betriebszugehörigkeit.

Diese Entwicklung verstärkt den ohnehin schon vorhandenen Fachkräftemangel. Unternehmen müssen sich daher proaktiv darum bemühen, junge Talente nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten – und dabei auch unkonventionelle Methoden in der Ansprache und Führung nicht ausschließen.


Was Arbeitgeber jetzt tun sollten: Juristische und strategische Handlungsempfehlungen

  1. Arbeitsbedingungen realistisch analysieren und optimieren
    Arbeitsverdichtung und Zeitdruck sind nicht nur Produktivitätskiller, sondern Kündigungstreiber. Die Durchführung regelmäßiger Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung (§ 5 ArbSchG) ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern bietet eine fundierte Grundlage zur frühzeitigen Problemerkennung.

  2. Karrierewege und Weiterbildung transparent gestalten
    Klare Perspektiven und gezielte Förderung binden Mitarbeitende langfristig ans Unternehmen – und verringern Kündigungen aus Unzufriedenheit.

  3. Führungskräftequalifizierung stärken
    Schulungen zu Kommunikation, Feedbackkultur und Konfliktmanagement sollten fester Bestandteil jeder Führungsentwicklung sein. Rechtsgrundlage für entsprechende Maßnahmen findet sich im Kontext der betrieblichen Weiterbildungspflicht (z. B. bei Beschäftigtenführung durch Vorgesetzte).

  4. Trennungskultur reflektieren: Austrittsgespräche professionell führen
    Auch wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, sollte dies respektvoll und transparent erfolgen. Das schafft nicht nur ein positives Arbeitgeberimage, sondern ermöglicht es, verborgene Probleme systematisch zu identifizieren.


Fazit: Kündigungen verstehen – Bindung schaffen

Die neue Studie von Sabine Hommelhoff zeigt deutlich: Arbeitnehmer kündigen selten aus einem einzigen, isolierten Grund – es ist meist ein Zusammenspiel aus Überlastung, fehlender Perspektive und mangelnder Wertschätzung. Wer als Arbeitgeber kündigungswillige Beschäftigte halten will, muss über die reine Arbeitsplatzbeschreibung hinausdenken – und sowohl rechtlich als auch kulturell Verantwortung übernehmen.

Die besten arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen nützen wenig, wenn die Unternehmenskultur von Überforderung und unzureichender Führung geprägt ist. Umso wichtiger ist es, jetzt zu handeln – bevor weitere Fachkräfte die Reißleine ziehen.